Kabarett:"Man kann sehr geistvoll entertainen"

Thomas Quasthoff begeisterte viele Jahre als Bassbariton die Klassikwelt. Mittlerweile ist er auf der Kabarettbühne zu Hause. Gemeinsam mit Michael Frowin nimmt er in seinem Programm "Keine Kunst" den Kulturbetrieb unter die Lupe

interview Von Irmengard Gnau, Unterschleißheim

Thomas Quasthoff gilt vielen Klassikfreunden als einer der Ausnahmesänger der vergangenen Jahrzehnte. Im Jahr 2012 verkündete der 56-jährige gebürtige Hildesheimer seinen Rückzug als Bassbariton von der großen Bühne. Er lehrt als Professor für Gesang an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" Berlin und ist auch als Dirigent in Erscheinung getreten. In Unterschleißheim zeigt sich Quasthoff nun von einer anderen Seite, die manchen überraschen mag - mit seinem Bühnenpartner Michael Frowin macht er Kabarett.

SZ: Herr Quasthoff, als Bassbariton standen Sie schon auf vielen der berühmten Bühnen der Welt. Was treibt Sie auf die Kabarettbühne?

Thomas Quasthoff: Eigentlich sind meine ersten kabarettistischen Schritte schon älter als meine großen Ambitionen als klassischer Sänger. Ich hatte in meiner Heimatstadt Hildesheim einmal ein Programm zusammengestellt mit Texten, Liedern, Songs, Jazz, das habe ich - da war ich so etwa 16, 17 Jahre alt - zum ersten Mal unter anderem auf der Studiobühne in Hildesheim vorgeführt. Das Programm war so erfolgreich, dass der Intendant mir irgendwann sagte: Das spielen wir auch auf der großen Bühne. Das waren so die Anfänge.

Und die klassische Karriere kam Ihnen dann sozusagen dazwischen?

Nein, meine Zielrichtung war eigentlich immer, klassisch zu singen. Seit meinem 13. Lebensjahr tat ich das, mit 16, 17, 18 Jahren kristallisierte sich dann heraus, dass ich auch die Befähigung dazu hatte. Gegen dieses Ziel wäre auch Jazz oder Kabarett nicht angekommen. Später, mit zunehmender Erfahrung und zunehmendem Erfolg als klassischer Sänger wäre es auch zeitlich gar nicht mehr möglich gewesen, noch Kabarett zu machen.

Sie haben sich im Jahr 2012 aus gesundheitlichen Gründen als klassischer Sänger zurückgezogen. Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, als Künstler dann noch einmal einen Anlauf mit dem Kabarett zu nehmen?

Vor etwa fünf Jahren, als mein Bruder starb, habe ich auf einer Aids-Gala in Dresden gesungen, die Michael Frowin veranstaltete, der unter anderem eine Kabarettsendung im MDR hatte. Er fragte mich einfach ganz gerade heraus, ob ich mir vorstellen könnte, Kabarett zu machen. Er hätte gehört, dass mich das interessiere und ich das früher in Abwandlung schon einmal gemacht hätte. Da habe ich schlicht und ergreifend gesagt: Generell ja, es kommt nur darauf an, wie das Programm aussieht.

Thomas Quasthoff und Michael Frowin Kabarett "Keine Kunst" 16.1.16 in Unterschleißheim

An der Seite von Michael Frowin setzt Quasthoff nun seine künstlerische Karriere fort - auf der Kabarettbühne.

(Foto: Bernd Brundert/oh)

Worauf legen Sie Wert bei Ihrer Programmgestaltung?

Ich wollte kein Programm, das zu klamaukig ist und auch nicht im negativen Sinne zu politisch. Ich habe eher Interesse daran, mich über die kleinen Macken des deutschen Bundesbürgers lustig zu machen, das liegt mir mehr als tagespolitische Dinge zu schildern, die der Bürger eh schon weiß.

Das Programm mit Ihrem Bühnenpartner Michael Frowin wurde 2013 in Berlin uraufgeführt. Welche Möglichkeiten bietet nach Ihren bisherigen Erfahrungen die Kabarettbühne, die andere Bühnen - etwa in der klassischen Musik - nicht bieten?

Das ist wirklich etwas komplett anderes, das wäre, als vergliche man Äpfel mit Steinkohle. Bei einem klassischen Konzert sind Sie sehr an die Texte gebunden, Kabarett lebt natürlich auch von den verschiedenen Texten, aber man ist viel mehr gefordert, auch spontan zu reagieren. Außerdem sind Sie viel näher am Publikum dran und zwar nicht nur durchs Spielen, sondern auch optisch, weil die Veranstaltungsräume viel kleiner sind. Was ich persönlich schön finde ist, dass man nicht so auf einem Sockel sitzt wie in der klassischen Musik. Ich wurde früher häufiger von Kolleginnen angegangen, weil ich es gewagt habe zu sagen, dass auch der klassische Liederabend eine Form des Entertainments ist. Es macht mir überhaupt kein schlechtes Gewissen, das zu sagen. Man kann auch sehr geistvoll und intelligent entertainen, das ist für mich kein Begriff, der die klassische Musik abwertet. Und das kann das Kabarett in jedem Fall auch.

Wie waren die Reaktionen auf Ihren Wechsel von der klassischen auf die Kleinkunstbühne?

Neulich hat mich eine Journalistin gefragt, ob das nicht ein unheimlicher Abstieg sei. Ich habe gesagt, ehrlich gesagt, ich finde, diese Frage beinhaltet eine gewisse Arroganz. Weil ich nicht finde, dass es, nur weil es kleinere Räume sind, ein Abstieg ist. Man sollte, wenn man es macht, Kabarett auch können, sprich: mit Sprache umgehen können, schnell sein im Kopf, improvisationsfähig sein, humorvoll. Mir macht es immer mehr Spaß.

In Ihrem Programm "Keine Kunst" nehmen Sie den deutschen Kulturbetrieb unter die Lupe. Wie lautet Ihre Diagnose: In welchem Zustand befindet sich die Kultur?

Ich stelle als Hochschulprofessor fest, dass Kultur offensichtlich immer mehr an Bedeutung verliert. Theater und Musikschulen werden geschlossen, mit den Bachelor- und Master-Studiengängen wurde eine Studienform eingeführt, die die Studienzeit verkürzt, gleichzeitig aber von den Hochschulen erwartet, dass dieselbe Qualität "produziert" wird, wenn ich das mal so provozierend sagen darf. Wenn ich an meine ersten Liederabende mit 17, 18 Jahren zurückdenke - ich hatte damals die Möglichkeit, in kleineren Spielhäusern Programme auszuprobieren. Das kann man heute nicht mehr. Das sagt viel über den Verfall unserer Kultur aus, finde ich.

Thomas Quasthoff wird 50

Thomas Quasthoff hatte Auftritte als Bassbariton unter anderem mit Placido Domingo.

(Foto: dpa)

Welche Rolle spielt die Präsentation von Kultur dabei?

Wir haben einen Starkult, der durch die mediale Begleitung eine elitäre Auslese vornimmt, die teilweise erschreckend ist. Bei Preisverleihungen sehen wir jedes Jahr dieselben Gesichter. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich gönne einem Jonas Kaufmann seinen Erfolg, er ist ein großartiger Künstler. Aber muss man ihm deshalb jedes Jahr einen Echo verleihen? Es gibt auch andere sehr gute Künstler, die das verdient hätten. Ich glaube, gerade aus diesen Gründen ist es sehr wichtig, immer mal wieder klar zu machen, wie zentral Kultur ist: Kultur ist eine der wichtigsten Sozialintegrationsmöglichkeiten.

Lässt sich diese Formkraft der Kultur, die Sie beschreiben, über das Kabarett weitergeben?

Weitergeben auf jeden Fall, ob es ankommt, lässt sich schwer einschätzen. Es kommt auch sehr darauf an, in welchem Haus man spielt. Aber das ist in der Klassik ja auch so. Es gibt Orte, da spielen Sie mit Wonne und mit Freude, und andere, da gibt es weniger Feedback vom Publikum.

Welche Rolle kommen Musik und Gesang in Ihrem Programm zu?

Es geht mit Musik los. Wir haben überlegt, den Leuten, die mich nicht kennen, den Einstieg etwas zu erleichtern. Dieser erste Effekt "Oh Gott, da steht ein Körperbehinderter auf der Bühne!" Ich glaube, dass Musik zum Auflockern gut ist. Außerdem kann man in Songs sehr gut Inhalte transportieren, das muss nicht alles verbal sein. Nicht zuletzt ist mir Musik stimmlich ja auch nicht ganz fremd, mir macht es auch großen Spaß zu singen.

Thomas Quasthoff und Michael Frowin sind mit ihrem Programm "Keine Kunst" am Freitag, 16. Januar, von 20 Uhr an im Bürgerhaus Unterschleißheim (Kartentelefon 089/31 00 92 00) zu Gast. Am Samstag, 17. Januar, tritt das Duo mit Pianist Jochen Kilian im Münchner Volkstheater auf.

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