Unterschleißheim:Das Heim-Kino

1958 eröffnete der erste Betreiber das "Capitol" in Lohhof. 2006 musste es schließen, eröffnete aber 2007 neu. Heute leitet es Stefan Stefanov und der kleine Saal ist für manchen Unterschleißheimer noch immer ein Geheimtipp

Von Irmengard Gnau, Unterschleißheim

Stefan Stefanov lacht. "Viele alteingesessene Lohhofer und Unterschleißheimer sind immer noch verwundert, denen ist gar nicht bewusst, dass es hier ein Kino gibt", sagt der 32-Jährige vergnügt und rückt ein paar Programmhefte auf der Verkaufstheke zurecht. Vor der Glastür betrachtet eine ältere Dame interessiert die Plakate, die auf das Filmangebot der kommenden Wochen hinweisen. Mancher Spaziergänger, der durch das Wohnviertel schlendert, stößt unvermutet auf das Kino. Kein Wunder, man muss ja auch recht genau hinschauen. Erst der grüne, abends beleuchtete Schriftzug "Capitol" verrät, dass sich in dem schlichten Wohnhaus auch ein kleines Filmtheater verbirgt.

Dabei hat das "Capitol" eine lange Tradition im Ort. Im Jahr 1958 öffnete es in Lohhof erstmals seine Pforten, damals als Lichtspielhaus mit mehr als 200 Sitzplätzen. Die Besitzerfamilie betrieb sogar noch ein zweites Kino im Ort, das jedoch Ende der Siebzigerjahre mit der weiteren Verbreitung von Farbfernsehern geschlossen wurde. Das Capitol hielt durch, erlebte aber selbst eine Durststrecke, 2006 musste das Kino nach mehreren Betreiberwechseln schließen. 2007 eröffnete es wieder, diesmal unter der Leitung von Christian Pfeil, der in München auch die beiden Programmkinos "Monopol" und "Neues Arena" betreibt. Pfeil war es auch, der Stefan Stefanov mitbrachte nach Lohhof, als Mitarbeiter und später als Theaterleiter. Als Pfeil den Betrieb nach knapp eineinhalb Jahren wieder abgab, fasste sich Stefanov ein Herz und übernahm das Kino kurzerhand selbst.

Neueröffnung Capitol Kino

Das Kino hat ein besonderes Flair und legt Wert auf den Status als Programmkino. James Bond gibt es aber auch.

(Foto: Florian Peljak)

Bereut hat der gebürtige Bulgare seine Entscheidung nicht. Während seines Politik- und Slawistikstudiums in München kam er eher zufällig zu einem Nebenjob im Filmtheater und entdeckte dabei seine Liebe zum Kino. Seit sieben Jahren ist Stefanov nun Herr in seinem eigenen kleinen Kinoreich, das er liebevoll renoviert hat. Unterstützt wird er von seiner Frau, die die Buchhaltung macht, einem Marketingmitarbeiter und drei Minijobbern. Plakate hängt Stefanov selbst auf, in der VHS etwa oder im Rathaus. 2012 rüstete er die Technik im Capitol um auf den digitalen Betrieb, seither ist im Vorführraum im ersten Stock nicht mehr das Surren der Filmrollen zu hören, sondern nur mehr das Rauschen des digitalen Vorführgeräts. Auch den Vorraum hat der junge Betreiber umgebaut. Eine kleine Sitzecke mit Tischchen lädt vor der Vorführung zum Schmökern im Programmheft ein, rote Polster an den Wänden verströmen Kinoatmosphäre. Wer genau hinschaut, kann an der Decke noch erkennen, wo sich früher einmal das Kassenhäuschen befunden hat, verglast nach Vorbild der großen amerikanischen Kinos. Stefanov hat es durch eine offene Theke ersetzt, an der er auch eine kleine Auswahl an Getränken und Snacks anbietet. Besonders wichtig: das große Glas mit Lutschern - wenn sich mal ein Kind erschreckt in einer Vorführung, bekommt es hier einen kleinen Trost. Gleichwohl hat Stefanov nicht alles auf Hochglanz aufpoliert. "Ein Kino braucht Gebrauchsspuren", sagt er mit einem Lächeln, "sonst meint man, es ist niemand da gewesen."

Das kommt glücklicherweise nicht so häufig vor. Trotzdem spürt Stefanov durchaus den Druck, unter dem viele Kinobetreiber leiden angesichts der Konkurrenz von Heimkino und anderen Freizeitangeboten - wenn ein Film einmal gar nicht läuft, macht sich das gleich finanziell bemerkbar. Hinzu kommt seine Lage als Kleinstadtkino: Etwa 28 000 Menschen wohnen in Unterschleißheim und Lohhof, die allermeisten Kinobesucher kommen aus der näheren Umgebung. Als kleines Haus mit heute 80 Plätzen und nur einer Leinwand kann das Capitol in Sachen Filmvielfalt nicht mit den großen Cineplex-Konkurrenten in Neufahrn oder Dachau oder den Kinos im nahen München mithalten. Umso wichtiger sei deshalb die persönliche Note, meint Stefanov. Das charmante, kleine Kino um die Ecke schätzen viele Leute.

Unterschleißheim: Klein, aber fein: Das Capitol-Kino verbirgt sich im Erdgeschoss eines Wohnhauses und fällt vielen erst auf den zweiten Blick auf.

Klein, aber fein: Das Capitol-Kino verbirgt sich im Erdgeschoss eines Wohnhauses und fällt vielen erst auf den zweiten Blick auf.

(Foto: Robert Haas)

Die Programmauswahl, hat er über die Jahre festgestellt, "ist auch viel aus dem Bauch heraus". Kleinere, bayerische Filme laufen meistens gut, wer Superheldenaction sehen will, sitzt hingegen meist lieber vor einer noch größeren Leinwand. "Die Herausforderung liegt darin, Menschen mit sechs, 16 und 60 Jahren anzusprechen", sagt Stefanov. Die Positionierung als Programmkino ist ihm wichtig, trotzdem sagt der 32-Jährige: "An einem James Bond kommst du nicht vorbei." Ein wichtiger Bestandteil des Programms sind Themenschwerpunkte und Reihen wie das Fremdsprachenkino. In Zusammenarbeit mit der VHS oder für die umliegenden Schulen zeigt das Capitol Filme in der englischen oder französischen Originalversion. Seit Kurzem gibt es zudem an jedem dritten Donnerstag im Monat Seniorenkino mit ausgewählten Filmen. Bislang gelingt es Stefanov ganz gut, die richtige Mischung zu finden, das bestätigen die Zuschauerzahlen, die zwischen 2010 und 2014 beständig angestiegen sind, 2015 auf mehr als 20 000 Kinobesucher.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: