Unterschleißheim:Anlieger sollen Straßenausbau fast alleine zahlen

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Durchgangsstraße oder Anliegerstraße? Je nachdem kommt der Ausbau Anlieger Marcus Kolbe teuer oder teurer. (Foto: Florian Peljak)

Die Südliche Ingolstädter Straße war mal eine Bundesstraße. Deshalb müssen Anwohner jetzt fürchten, im Nachhinein für deren Ausbau horrend zur Kasse gebeten zu werden.

Von Michael Morosow, Unterschleißheim

Auf der Südlichen Ingolstädter Straße in Unterschleißheim verkehren täglich um die 5000 Fahrzeuge, darunter in dichtem Takt Linienbusse. Viele steuern den S-Bahnhof an, die FOS/BOS oder die Volkshochschule. Jetzt wird sie auf etwa drei Kilometern ausgebaut, und 90 Prozent der Kosten - mindestens 2,3 Millionen Euro - sollen auf gerade einmal 75 Anwohner umgelegt werden. Im Einzelfall, so rufen sich die Betroffenen zu, könne das einen sechsstelligen Betrag ausmachen. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, zetern sie. Die Stadt habe keinen Spielraum, heißt es dagegen aus dem Rathaus.

Am Freitag der vorvergangenen Woche war Landrat Christoph Göbel zu Gast bei der CSU-Bürgersprechstunde. Dort traf er auf etwa 60 sichtlich erregte Anwohner der Südlichen Ingolstädter Straße. Es gelang ihm nur in Maßen, diesen Leuten ihre Verunsicherung und ihre Ängste zu nehmen. Auf was die Anwohner gehofft hatten, wäre der Satz gewesen: "Für die Berechnung von Beiträgen der Anwohner wird die Straßenausbaubeitragssatzung herangezogen." Tatsächlich gesagt hat er aber: "Wenn es Argumente gibt, dass nach dem Ersterschließungsbeitrag abzurechnen ist, hat die Stadt keinen Spielraum."

Der Unterschied zwischen beiden Abrechnungsarten ist enorm, kann mehrere zehntausend Euro für jeden Anwohner ausmachen. Die Frage, welche Satzung nun zur Anwendung kommen wird, soll an diesem Montagabend im Bauausschuss erstmals beantwortet werden.

Dann stellt die Verwaltung das Gutachten vor, das die Stadt in Auftrag gegeben hat und das auch bereits auch auf der Homepage der Stadt zu finden ist. In ihrer rechtsgutachterlichen Stellungnahme kommt das Büro Döring und Spieß tatsächlich zu dem Schluss, dass es sich bei den Arbeiten an der Südlichen Ingolstädter Straße um eine Ersterschließung handelt, bei der Anwohner mit 90 Prozent der Gesamtkosten zur Kasse gebeten werden, und somit nicht um einen Straßenausbau, bei dem sie nur 80 Prozent und unter bestimmten Voraussetzungen sogar deutlich weniger entrichten müssen. Auf der anderen Seite nähren die Gutachter in ihrer Expertise die Hoffnung der Anlieger, dass ihre Situation als Härtefall eingestuft wird, für den im novellierten Kommunalabgabengesetz eine Übergangsregelung geschaffen worden ist.

Ein Drittel der Kosten könnte die Stadt den Anwohnern erllassen

Unter bestimmten Voraussetzungen, und die sind laut Döring und Spieß in Unterschleißheim gegeben, könnte die Stadt den Beitragspflichtigen ein Drittel ihrer Anteile erlassen. Diese Option hat der Gesetzgeber in das Ermessen der Kommunen gestellt. Ob die Stadt von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, steht noch nicht fest und wird wohl erst am 18. Mai in der Stadtratssitzung entschieden. "Dann müssten die Leute nur noch 60 statt 90 Prozent tragen, das wäre eine große Erleichterung für sie", sagt Stadträtin Jolanta Wrobel (ÖDP), für die die ehemalige Bundesstraße heute ohnehin keine Anlieger-, sondern eine Hauptverkehrsstraße ist.

Eines steht seit Beginn der Diskussionen um den Ausbau der Südlichen Ingolstädter Straße fest: Der Fall ist einzigartig, komplex und kompliziert. Die Straße ist in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts als Fernverkehrsstraße gebaut worden. Nachdem in den Achtzigerjahren parallel eine neue Straße errichtet worden war, fiel die alte B 13 im Jahr 1989 in die Straßenbaulast der damaligen Gemeinde Unterschleißheim.

In den Folgejahren und bis heute wurden auf beiden Seiten der alten Straße Wohnhäuser und Gewerbestätten hochgezogen. Die zentrale Frage, die das Rechtsgutachten beantworten musste: Besaß die alte Straße, als sie vor gut 80 Jahren hergestellt wurde, eine Erschließungsfunktion? Wenn ja, liefen die aktuellen Ertüchtigungen unter der Rubrik Straßenausbau und die Stadtoberen wie auch die Anlieger könnten sich entspannen.

Tut sie aber nicht. Bundesstraßen besäßen per se keine Erschließungsfunktion, befindet der Gutachter, der sich auch die Erschließungsbeitragssatzungen der einstigen Gemeinde und heutigen Stadt genau angeschaut hat. Und nach diesen ist eine so genannte Erschließungsanlage erst dann endgültig hergestellt, wenn sie eine Straßenentwässerung sowie eine ausreichende Straßenbeleuchtung besitzt. Beides hatte die Südliche Ingolstädter Straße nicht, bevor die ersten Bagger anrollten.

Anwohner Marcus Kolbe spricht von einem "persönlichen Pech der Anlieger", dass die alte B 13 eingemeindet und seit Anfang der Achtzigerjahre nicht angefasst worden sei. Wie andere Anwohner auch ärgerte sich Kolbe über die lange Ungewissheit, in der die Immobilienbesitzer gehalten würden, was die etwaige Höhe der Einzelbeiträge anbelangt. Er selbst habe sich an die Stadt gewandt, aber keine Auskunft erhalten. "5000 Euro sind kein Problem, 50 000 Euro aber sind für viele existenzgefährdend", sagt Kolbe. Seinen Anteil schätze er auf 30 000 Euro, allerdings ging Kolbe von lediglich 40 Anwohnern aus, die sich die Kosten teilen müssten. Die Erklärung von Bürgermeister-Referent Thomas Stockerl, dass der Anliegeranteil durch 75 geteilt werden würde, dürfte daher auch ihn freuen.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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