Ortsentwicklung:Tabuzone für Wettbüros

Wettbüro in München, 2014

Wettbüros lösen laut Unterhachings Rathaussprecher Simon Hötzl einen "Trading-Down-Effekt" aus, das heißt, sie sind geschäftsschädigend für Nachbargeschäfte.

(Foto: Robert Haas)

In Unterhaching und Taufkirchen ist die Ansiedlung neuer Vergnügungsstätten unerwünscht. Lokalpolitiker befürchten ein Ladensterben in der Nachbarschaft.

Von Iris Hilberth und Michael Morosow, Unterhaching/Taufkirchen

Ob Wettbüros Vergnügungsstätten sind, wird der Glücksspieler unterschiedlich bewerten; je nachdem, ob er mit seinem Tipp Erfolg hatte oder nicht. In den Rathäusern der Gemeinden Taufkirchen und Unterhaching dagegen ist man sich bei der Beantwortung dieser Frage einig: Ja, das sind Vergnügungsstätten, nein, sie sind bei uns nicht willkommen, heißt es von dort sinngemäß. In beiden Gemeinden steht dieses Thema am Dienstagabend in den Ausschüssen auf der Tagesordnung.

Während die Taufkirchner darauf abzielen, über die Stellplatzverordnung Wettbüros den Garaus zu machen, setzt Unterhaching auf sein Planungsrecht und auf das Zutun des Landratsamtes. Dieses soll nun einschreiten gegen zwei im Ortszentrum platzierte Wettbüros an der Münchner Straße 3 und am Bahnhofsweg 5.

Ortsentwicklung: Am Bahnhofsweg will die Gemeinde Unterhaching keine Wettbüros dulden.

Am Bahnhofsweg will die Gemeinde Unterhaching keine Wettbüros dulden.

(Foto: lks)

Um dem drohenden Wildwuchs von Spielhallen, Table Dance und Wettbüros einen Riegel vorzuschieben, hatte der Unterhachinger Gemeinderat vor vier Jahren per Beschluss das Gemeindegebiet in ein Ausschluss- und ein Eignungsgebiet unterteilt. Bereiche im Gewerbegebiet am Grünwalder Weg sowie nordöstlich der Ottobrunner Straße waren zu Eignungsgebieten bestimmt worden, der Rest Unterhachings zur Tabuzone.

Planungsrechtlich zwar nicht zulässig, wie Rathaussprecher Simon Hötzl erklärt, "aber in der Praxis etabliert" haben sich zwischenzeitlich dennoch die beiden Wettbüros in der Fußgängerzone und an der Münchner Straße - neben den drei Wettbüros am Grünwalder Weg. "Das Ortszentrum ist definitiv ein Ausschlussgebiet", sagt Hötzl und erklärt denn auch die Abneigung der Gemeinde gegen Wettbüros und ähnliche Etablissements.

Hötzl spricht von einem "Trading-Down-Effekt", der einsetze, sobald ein Wettbüro in zentraler Lage eröffnet. "Das zieht das ganze Gebiet runter. Wer will schon im Umfeld von Wettanbietern ein Geschäft aufmachen?", fragt Hötzl rhetorisch. Und auch wenn die Betreiber beteuerten, sie führten kein Wettbüro, sondern ein Bistro mit Sportübertragung, in dem die Tippmöglichkeit untergeordnet sei: "Für uns sind das Wettbüros, Punkt."

Eine ähnliche Definitionsfrage stellt sich auch in Taufkirchen. In der Eschenpassage soll eine Verkaufsfläche mit Restaurant in eine Gaststätte mit Laden umgewandelt werden. Dahinter steckt aber nicht irgendein Geschäft, sondern ein Wettbüro für Annahmen von Sportwetten. Und ein solches Gewerbe will die Gemeinde nicht unbedingt in ihrem Einkaufszentrum am S-Bahnhof sehen, das sie seit vielen Jahren versucht aufzuwerten und deshalb vor drei Jahren für das Gebiet eine Änderungssperre erlassen hat.

Ortsentwicklung: Der Blick vom Taufkirchner Bürgertreff auf die Eschenpassage. Die Gemeinde will hier Wettbüros verhindern.

Der Blick vom Taufkirchner Bürgertreff auf die Eschenpassage. Die Gemeinde will hier Wettbüros verhindern.

(Foto: Claus Schunk)

Allerdings sind derartige Sperren zeitlich begrenzt auf zwei Jahre, außer die Gemeinde hat bis dahin einen Bebauungsplan auf den Weg gebracht, was in Taufkirchen nicht geschehen ist. So hätten Wettbüros in der Eschenpassage eigentlich seit 2015 wieder freie Bahn. Nun war die Verwaltung so findig, einen anderen Grund zu entdecken, warum diese "nichtkerngebietstypische Vergnügungsstätte" dort nicht Einzug halten kann - die Stellplatzsatzung, die besagt: Für Vergnügungsstätten muss man je fünf Quadratmeter einen Stellplatz vorweisen. Macht bei knapp 29 Quadratmetern Wettbüro sechs Stellplätze. Mit den drei Plätzen für die Gaststätten und einem für die Lagerräume addiert sich die Forderung auf zehn. Tatsächlich gibt es aber nur vier.

Letztlich entscheidet das Landratsamt

Somit schlägt die Verwaltung dem Gremium vor, den Antrag auf Nutzungsänderung abzulehnen. Knackpunkt könnte allerdings noch die Einordnung des Wettbüros als Vergnügungsstätte sein. "Es ist nicht als solche beantragt, aber für uns stellt sich das so dar", sagt Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei). Letztlich müsse das aber das Landratsamt entscheiden, räumt er ein. Mitarbeiter der Behörde seien bereits bei dem wohl derzeit einzigen existierenden Wettbüro in der Eschenpassage erschienen, das laut Sander keine Genehmigung habe. Allerdings wisse keiner, was in dem Laden gehandelt werde, die Scheiben seien mit Zeitungspapier verklebt.

Welches Problem die Gemeinde konkret mit Wettbüros habe, könne er objektiv nicht begründen, so der Bürgermeister. Gründe seien meist weder der Lärm noch Alkohol, sondern vielmehr die gesellschaftliche Ablehnung. "Sicher spielt auch die Befürchtung eine Rolle, es könnten sich keine Gewerbetreibende für die Läden in unmittelbarer Nachbarschaft von Wettbüros interessieren."

Vergnügungsstätten in Mischgebieten auch in der Ortsmitte sind laut Walter Schuster, Abteilungsleiter Bauwesen und Gutachterausschuss im Landratsamt, nicht per se ausgeschlossen. Man müsse sich jeden Einzelfall anschauen und auch den Gebietstypus. Und außerdem klären, ob es Vergnügungsstätten seien.

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