Unterhaching:Heldengeschichten

Kinder der sechsten Klassen am Unterhachinger Gymnasium ermitteln den Schulsieger im Vorlesewettbewerb des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Sie tragen aus ihren Lieblingsbüchern vor und treffen ein großes Vorbild

Von Bastian Hosan, Unterhaching

Auf der Bühne der Aula des Lise-Meitner-Gymnasiums in Unterhaching steht ein einzelner Tisch. Davor ein Mikrofon. Dahinter eine Schülerin mit einem Buch in der Hand. Beobachtet von vielen Kinderaugen, die von den blau bepolsterten Rängen der Aula hinabstarren; und beobachtet von der Jury. Die Jurymitglieder haben Zettel in der Hand. Bewertungsbögen.

Hannah Jung liest aus Enid Blytons Buch "Fünf Freunde erforschen die Schatzinsel" vor. Sie hat sich ihre Lieblingsstelle ausgesucht. Es ist die, in der die Freunde den Goldschatz im Verlies der alten Burg auf der Insel finden. Die, in der sie dann von den Männern im Verlies eingesperrt werden, die ebenfalls hinter dem Gold her und bereit sind, wirklich alles für den Zaster zu tun.

Hannah geht in die sechste Klasse des Lise-Meitner-Gymnasiums. Sie ist eine von zwölf Schülern, die am Dienstag beim Vorlesewettbewerb an ihrer Schule um die Wette lesen - um zu ermitteln, wer am besten rezitieren kann und wer von ihnen dann zum Kreisausscheid des Wettbewerbs fahren darf, den der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seit 1959 Jahr für Jahr ausrichtet. Etwa 600 000 Schüler beteiligen sich an 7200 Schulen in der gesamten Republik. In mehreren Wettbewerben werden erst die besten Vorleser an den Schulen ermittelt, in der Region und dann im gesamten Land. Wer am Unterhachinger Gymnasium auf der Bühne sitzt, der hat sich bereits in seiner Klasse gegen die Konkurrenz durchgesetzt.

Die Schüler sitzen über einem Text, den sie sich selbst ausgesucht haben vor der Jury, mit einem Text, den sie einstudiert haben, den sie mehrmals gelesen haben. Nun müssen sie drei Minuten daraus eine Passage vortragen. Dabei geht es darum, in angemessenem Tempo zu lesen, deutlich zu sprechen und - wahrscheinlich die kniffligste Hürde - sinngemäß zu betonen. Die Jury, das sind drei ihrer Lehrer: Ursula Honisch, Jutta Höchtlen und Peter Praxenthaler. Außerdem sitzt in der Jury eine Schülerin aus der elften Klasse, die vor einigen Jahren selbst einmal beim Lesewettbewerb mitgemacht hat: Mirella Yasar.

Meist sind es Heldengeschichten, die die Schüler vorlesen. Fünf Freunde eben. Oder Harry Potter. Oder Eragon. Alles Geschichten, in denen junge Helden spannende Abenteuer lösen, gegen das Böse kämpfen, auf Drachen reiten, kurz: Geschichten, die die Fantasie anregen.

In der zweiten Runde wird es schon kniffliger für die Kinder. Dann geht es um eine Geschichte, die sie nicht eingeübt haben, um einen Text, der nun auf der Bühne das erste Mal vor ihnen auf dem Tisch liegt. In diesem Jahr wagen sie sich an Pünktchen und Anton von Erich Kästner. Daraus lesen die Schüler jeweils zwei Minuten vor - der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gibt "einen gleichbleibenden Schwierigkeitsgrad" vor. Und möglichst ohne Zungenbrecher soll der Text sein.

Um sie auf diese Herausforderung einzustimmen, hat sich Ursula Honisch etwas einfallen lassen und einen Profi eingeladen, der das erste Kapitel von Pünktchen und Anton zu Gehör bringt und so zeigt, wie es geht. Die Schauspielerin Olga von Luckwald, 24, ist unter anderem aus "Ein Mann, ein Fjord" von Hape Kerkeling und aus der Studentenkomödie "Wir sind die neuen" bekannt. Sie zeigt den Schülern, wie sie sich richtig in einen Text hineindenken können. Sie versucht, ihnen die Nervosität vor dem öffentlichen Vortrag zu nehmen: "Erst still lesen, sich dann in die Charaktere hineinversetzen und dann laut einüben." Natürlich lässt sich die Schauspielerin von den Schülern richtig ausfragen: "Was war Ihr Traumberuf als Kind?", fragt einer. "Kioskbesitzerin", lautet die überraschende Antwort. Als die zwölf Schüler dann nacheinander auf die Bühne gehen, ist der Applaus groß. Die anderen feuern ihre Klassenkameraden an.

Sie hoffen, dass aus ihrer Klasse jemand zum Kreisausscheid im Februar kommenden Jahres darf. Es ist am Ende Hannah Jung aus der 6f, die das Unterhachinger Gymnasium auf Kreisebene vertreten wird. Allerdings muss sie sich den ersten Platz mit Rebecca Mager teilen. Weil die beiden Mädchen gleichauf lagen, hat am Ende das Los entschieden, wer eine Runde weiter kommt. Auf dem zweiten Platz landet Pauline Bodensteiner. Die beiden dritten Plätze teilen sich Emma Kates-Harbeck und Josef Moßbacher.

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