Unterhaching:Die erste Frau bei Develey

Unterhaching: Dass kein Fleisch in der Produktion verwendet wird, kommt der Vegetarierin Tamara Gelder sehr entgegen.

Dass kein Fleisch in der Produktion verwendet wird, kommt der Vegetarierin Tamara Gelder sehr entgegen.

(Foto: Claus Schunk)

Als Auszubildende für Lebensmitteltechnik fing Tamara Gelder 2012 beim Senfhersteller Develey an. Inzwischen hat sie sich in der Männerwelt durchgesetzt und plant ihre weitere Laufbahn im Unternehmen.

Von Markus Mayr, Unterhaching

Rumlaufen wollte Tamara Gelder, und nicht vorm Computer hängen. Deshalb hat die heute 22-Jährige nach dem Abitur nicht wie die meisten aus ihrem Jahrgang studiert, sondern sich zur Lebensmitteltechnikerin ausbilden lassen. "Aus Zufall", wie sie sagt. Ihre Mutter habe sie auf eine entsprechende Ausschreibung von Develey in Unterhaching hingewiesen.

Nach zwei Schnuppertagen in den Fabrikhallen des Senf- und Soßenherstellers war die Entscheidung der Oberhachingerin gefallen. So wurde sie zur ersten weiblichen Auszubildenden in der Lebensmitteltechnik dort überhaupt und schloss ihre Lehre später mit Bravour und Auszeichnung ab. Doch zuweilen musste sie sich als einzige Frau gegen ihre männlichen Kollegen durchsetzen.

Vor der Zeit der maschinellen Hilfe, war die Produktion Männersache

Industriell Lebensmittel herzustellen war in dem Betrieb in Unterhaching Männersache, bis 2012 Gelder kam. Seit 1973 gibt es den Standort schon. Zwar arbeiteten Frauen in der Produktion mit, sagt Gerald Gellings. Doch der stellvertretende Werkleiter räumt ein, dass der weibliche Teil der zu 90 Prozent männlichen Belegschaft hauptsächlich beim Verpacken am Ende tätig sei.

Gerade früher, als es noch wenig maschinelle Hilfe gab, mussten Säcke mit Senfsaaten geschleppt und Fässer mit Rapsöl herumgewuchtet werden. Hauptsächlich fanden sich wohl Männer für diese körperlich schwere Arbeit. Inzwischen aber laufe "viel automatisch, es muss nicht mehr jeder Sack einzeln gehoben werden", sagt Tamara Gelder. Schon während ihrer Ausbildung stieg sie zur Maschinenführerin auf und freute sich über die Verantwortung, die ihr die Vorgesetzten früh übertragen haben.

Dabei ist es für sie nicht immer leicht gewesen, inmitten von lauter Männern zu beweisen, dass sie auch zupacken kann. Oftmals waren die Herren wohl zu zuvorkommend. "Nein, ich mach das selbst", habe sie immer wieder betonen müssen, sagt sie. "Viele meinten, ich als Frau könnte das nicht. Ich musste mich erst durchsetzen in dieser Männerwelt hier."

Doch mit übertriebenem männlichen Verhalten habe sie "keine Probleme" gehabt. Alle hätten sich zu benehmen gewusst. Sie sagt, dass sich die Männer eher gefreut hätten, dass sie auch mal was Hübsches zu Gesicht bekommen.

Die Vegetarierin isst Senf eben zum Käse

Dunkelgraue Arbeitshose, rotes Poloshirt, Haarnetz, Handschuhe: Das ist die Arbeitsschutzkleidung in den Fabrikhallen. Die soll allerdings keineswegs vor Arbeit schützen, sondern die verarbeitete Ware vor Schmutz und Keimen. Deshalb ist es auch verboten, Schmuck zu tragen. An den Löchern in Gelders Ohrläppchen sieht man, dass sie diese Regel befolgt und die Ohrringe herausnimmt. Ihr Nasenpiercing hat sie deshalb schon aufgeben müssen, das Loch war zugewachsen. Doch sie finde es ohne Piercing inzwischen "eh besser".

Obwohl der Herstellungsprozess von Senf und Soßen an vielen Stellen automatisiert ist, kommt Gelder mit Rohstoffen, die nur in kleinen Mengen gebraucht werden, direkt in Kontakt. Gewürze etwa würden händisch abgewogen, erklärt sie. Es kommt ihr dabei zupass, dass, um Senf herzustellen, kein Fleisch benötigt wird. Denn: Sie ist Vegetarierin.

Wer sich jetzt fragt, wie sie dann jemals in den Genuss kommt, die von ihr hergestellten Senfsorten zu genießen, so ganz ohne Wurst, der kann beruhigt sein. Statt zur Weißwurst isst sie den süßen Senf, den sie am liebsten mag, einfach zu Käse. "Schmeckt auch gut", sagt die Fachkraft, die inzwischen nicht mehr die jüngste im Unternehmen ist.

Die IHK zeichnete Gelder als Beste ihres Ausbildungsberufs aus

Gelder hat zwei Nachfolgerinnen bekommen, die ihre Laufbahn eingeschlagen haben. Sie selbst hat erst im Februar dieses Jahres ihre Lehre beendet. Ein halbes Jahr früher als üblich, aufgrund ihrer überdurchschnittlich guten Leistung. Für die wurde Gelder sogar von der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern ausgezeichnet: als Beste ihres Ausbildungsberufs im gesamten Regierungsbezirk.

Wohin die Reise der 22-Jährigen im Unternehmen geht, ist noch offen. Sie liebäugelt mit einer berufsbegleitenden Ausbildung zum Meister oder Techniker in der Lebensmitteltechnik. Die Branche gefalle ihr, sagt Gelder.

Laut Werkleiter Gellings stehen ihr sämtliche Türen in dem Unternehmen offen, das auch Werke in der Türkei oder Russland betreibt. Woanders hingehen, das könne sie sich schon vorstellen, sagt Gelder. Ob aber gleich nach Russland, "ich weiß nicht". Derzeit findet sie es noch praktisch, dass sie von ihrem Wohnort in Oberhaching mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren kann. Obwohl sie mittlerweile ein Auto hat, das Gehalt gibt es her. Doch vielleicht läuft sie während der Arbeit für ihren Geschmack noch zu wenig und freut sich über die zusätzliche Bewegung auf dem Radl.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: