Unterhaching:Denkanstöße und Schenkelklopfer

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Alfons Hofstetter verteilt als Krüglredner bei der CSU Watschn für alle und gibt dabei kostenlose Lateinnachhilfe. In offene Wunden von Lokalpolitikern sticht der Zweite Bürgermeister dabei nicht

Von Michael Morosow, Unterhaching

In anderer Gesellschaft hätte der Professor nach seinem Auftritt wohl um seine Freiheit bangen müssen. In der Hachinga Halle ist Alfons Hofstetter am Freitagabend nach seiner Rede gefeiert worden - für die vielen Watschn, die er austeilte gegen den "Diktator vom Bosporus", den "Grusel-Clown" aus Washington, gegen "Erzengel Gabriel" und Markus Söder, den man im Wahlkampf an die Ketten legen müsste, vor allem aber für das fraktionsübergreifende Derbleckn der Unterhachinger "Profipolitiker."

Stefan Zöllinger durfte noch einmal kräftig draufhauen, bevor er im Mai das Amt des CSU-Vorsitzenden in Unterhaching einen anderen übergibt. Über das Starkbier freuten sich ( v.l) Florian Hahn, Kerstin Schreyer, Alfons Hofstetter und Richard Reiser. (Foto: Claus Schunk)

Nun gut, große Angst vor Repressalien musste der Krüglredner gar nicht haben, denn erstens sind die Trumps und Erdogans dieser Welt Schlimmeres gewohnt als Despektierlichkeiten aus der Feder eines Krüglredners, und zweitens kann ihn die CSU nicht rauswerfen, hatte er doch vor Jahren selbst das Parteibuch hingeworfen aus Ärger über Ministerpräsident Seehofer und sitzt seither als Freigeist in der Gemeinderatsfraktion der Christsozialen. Die ersten Zuhörer, die sich nach dem 75-minütigen Auftritt des stellvertretenden Unterhachinger Bürgermeisters applaudierend von ihren Plätzen erhoben, waren der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn und die Integrationsbeauftragte der Staatsregierung Kerstin Schreyer, die er beide verschonte, der Vorsitzende des Unterhachinger CSU-Ortsverbandes Stefan Zöllinger, der ohnehin im Mai abdankt, und Fraktionschef Richard Raiser, Nachfolger von Florian Riegel, der inzwischen ebenfalls als Parteiloser in der Unterhachinger CSU-Fraktion sitzt. "Vom Facebook-Riegel zum Fahrrad-Raiser" bezeichnete Hofstetter den Wechsel. Radl-Raiser war der Gewinner des Abends. Wie ein roter Faden zogen sich die Schmähungen gegen ihn durch das Redemanuskript, wobei ihn der Krüglredner sanft bei den Ohrwascheln packte, wenn er ihn durch den Kakao zog. So etwa zur Geschichte mit dem Krippenplätzen-Problem, das eine Fraktionskollegin durch den Einsatz von Tagesmüttern entschärfen wollte. Der "Fraktionsvorsitzende der Herzen" habe sich für diese Aufgabe zur Verfügung stellen wollen, "nicht achtend seiner Geschlechtszugehörigkeit" witzelte Hofstetter.

Unterhachings Bürgermeister Wolfgang Panzer hatte sichtlich Spaß bei der Krüglrede. (Foto: Claus Schunk)

Der Professor hangelte sich hinunter vom islamischen Terror, den Vorgängen in den USA und der Türkei hin zum Brexit. Ehe er bei der "katholischen Querungshilfe" an der Ottobrunner Straße landete, schlug er noch ein paar Nägel in den Hintern der Bayern-CSU, frotzelte, sie würde angesichts des neuen Sterns am SPD-Himmel, Martin Schulz, Rat und Trost bei einem "berühmten Berater aus den USA, dem hier gescheiterten Karl Theodor von und zu Guttenberg" holen und kommentierte hämisch die wiedergefundene Einigkeit zwischen CSU und CDU. "Alles, was war, war nur 'demokratische Streitkultur' - wenn das Kultur ist, dann ist der Trump ein Baptisten-Prediger." An dieser Stelle hielten sich das Lachen sehr in Grenzen, vor allem in CSU-Reihen. Da mussten sie durch, seine Fraktionskollegen, die es aber gewohnt sind, dass ihr Professor keine Angst vorm schwarzen Mann kennt - auch nicht vor einer Volkshochschul-Sprecherin, die er ernsthaft dafür maßregelte, dass sie von Zuschüssen für die "Alphabetisierung" der Flüchtlinge gesprochen hat.

Dabei ließ er selbst an einer Stelle seiner Rede political correctness vermissen. Als er über die Zukunftssorgen der Unterhachinger Trachtler sprach, erklärte Hofstetter, mit dem Nachverdichten kämen immer mehr "Preißn" nach Unterhaching, "die für unsere Kultur unbrauchbar sind, allein schon wegen der Sprache." Wenn es gegen die Preißn geht, dann ist es hierzulande offenbar keine Beleidigung mehr, sondern bereits offen gelebte Tradition.

Nicht nur beleidigt, sondern verarscht könnten sich Grünwalder fühlen, die bekanntlich die Hälfte der Unterhachinger Geothermie erworben haben: "Die Geothermie meldete durchschnittlich 1,4 Störungen pro Woche - gut, dass wir die Hälfte der Probleme noch einigermaßen günstig und rechtzeitig verkaufen konnten", sagte der Krüglredner verschmitzt. Sein Programm ist eine Mischung aus politischem Jahresrückblick, Denkanstößen und Schenkelklopfern, in offene Wunden von Lokalpolitikern sticht er nicht. Die Sitzungen des Gemeinderats dadurch zu straffen, indem man die "bekannten Vielredner, Nachredner und Zusammenfasser" etwas einbremst, ist sicher ein ernst gemeinter Denkanstoß. Der Kurzbericht über den Wasserschaden in der Sportarena und die Anmerkung des emeritierten Professors für Urologie, dies sei kein urologisches Problem, sondern Murks am Bau, ist so ein Schenkelklopfer, wie auch der von ihm zitierte Spruch des örtlichen Gartenbauvereinschefs Werner Reindl vor dem Gemeinderat, wonach er beim Bestäuben unschlagbar sei. Am Ende lässt sich sagen: Die Krüglrede kam gut an, und kostenlose Lateinnachilfe gab es an mehreren Stellen auch für die"Sorores fratresque in cerevisia."

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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