Unterhaching:Das Böse im Kopf

Bei den "Unterhachinger Mordswochen" widmen sich bekannte Autoren dem blutigen Genre der Kriminalliteratur und realen Verbrechen

Von Udo Watter, Unterhaching

Die Gründe für das seltsame Phänomen der Gänsehaut sind nicht gänzlich erforscht. Verantwortlich dafür sind winzige Muskeln an den Haaren der Haut - Überbleibsel unseres einstigen Felles - und psychologisch gesehen wohl einige unserer Ur-Instinkte. Das Aufrichten der Härchen kann aus Gründen der Wärmekonservierung geschehen, aber auch eine Art defensives Imponiergehabe darstellen: Wenn der Urmensch Angst vor einem Feind hatte, plusterte er quasi reflexartig sein Fell auf, um diesen abzuschrecken.

Die Besucher der "Unterhachinger Mordswochen" dürften nicht ganz so existenzbedrohende Gründe haben, wenn ihre Haut während einer Lesung plötzlich der einer gerupften Gans ähnlich sieht oder es ihnen eiskalt den Buckel runterläuft. Aber das wohlige Gruseln beim Zuhören, der Schauer des Abgründigen, der einen anweht, wenn das Böse ins Kopfkino schleicht - das hat durchaus einen intensiven Unterhaltungswert. Schon bei der Premiere im vergangenen Jahr waren die Unterhachinger Mordswochen, eine Veranstaltungsreihe, bei der sich der Ort an mehreren Abenden dem blutigen Genre der Kriminalliteratur sowie weiteren Facetten des Verbrechens widmet, ein großer Erfolg. Auch heuer rechnet Tanja Keller, die Leiterin der Gemeindebücherei, mit entsprechender Resonanz: "Krimibegeisterung gibt es überall." Sie und ihr Team sind gleichsam die Initiatoren und Drahtzieher dieser Reihe, die jetzt im Oktober erneut die Pforte zur schaurigen und blutigen Seite der Literatur öffnet.

Unterhaching: Auf den Spuren des Verbrechens.

Auf den Spuren des Verbrechens.

(Foto: Imago)

Ein Blick auf die Liste der Experten verspricht Spannung auf hohem Niveau: Es lesen die Bestseller-Autoren Oliver Pötzsch, Andreas Föhr und Josef Wilfling und zudem gibt es eine Ladies Crime Night mit den Mörderischen Schwestern. "Das Potpourri ist groß", erklärt Keller. Den Anfang macht am Donnerstag, 6. Oktober, Oliver Pötzsch, der vor allem mit seinen sechs historischen Romanen über den Schongauer Henker Jakob Kuisl und seine Tochter Magdalena bekannt wurde. Seine eigene Familiengeschichte - der gebürtige Münchner ist selber Nachfahr der Kuisls, die vom 16. bis in das 19. Jahrhundert eine Henkerdynastie in Schongau waren - hat dem publizistischen Erfolg sicher nicht geschadet. Pötzschs aktueller Roman "Die Henkerstochter und das Spiel des Todes" spielt vor der alpinen Kulisse Oberammergaus und kombiniert Charakteristika eines historischen Krimis in dörflicher Szenerie mit modernen Action- und Politthriller-Elementen.

Andreas Föhr wird eine Woche später, am 13. Oktober, den Auftaktband seiner neuen Reihe um die Münchner Anwältin Rachel Eisenberg vorstellen. Der gebürtige Allgäuer, der mit seinen Alpen-Krimis bekannt wurde, in denen das Duo Kommissar Wallner und Polizeiobermeister Kreuthner ermittelt, verlegt diesmal den Tatort nach München: Einem Obdachlosen wird der Mord an einer jungen Frau am Flaucher zur Last gelegt. Die Spuren sprechen eine eindeutige Sprache, doch mit dem Offensichtlichen will sich Eisenberg nicht abfinden. Sie beginnt, eigene Nachforschungen anzustellen und sieht ihre Zweifel schon bald bestätigt in diesem wendungsreichen Justizkrimi.

Oliver Pötzsch

Oliver Pötzsch eröffnet die Reihe mit seinem neuen Henkerstochter-Roman.

(Foto: Gerald von Fori)

Am 20. Oktober schließlich wollen weibliche Stimmen die Nerven der Zuhörer kitzeln und Gänsehaut-Momente in der Bücherei erzeugen. Die "Möderischen Schwestern", genauer mehrere im Raum München lebenden Mitglieder dieser bundesweiten Vereinigung von krimibegeisterten Autorinnen werden Sechs-Minuten-Kostproben aus ihren aktuellen Romanen und Kurzgeschichten geben. Wie heißt es in der Ankündigung: "Die Schriftstellerinnen leben zwar in Bayern, morden aber in der ganzen Welt". Keller freut sich besonders auf diesen Abend. "Das hat richtigen Show-Charakter", sagt sie, "der Zuhörer ist von den kurzen Texten ganz gebannt und bekommt Lust auf mehr." Traditionell endet jede Lesung mit einem Schuss.

Zum Abschluss gibt es am 27. Oktober einen Abend jenseits der Fiktion, einen Abend, der eintaucht in die realen Abgründe des Verbrechens. Der ehemalige Münchner Kriminaloberrat Josef Wilfling wird über markante Fälle, mit denen er als langjähriger Leiter der Mordkommission München konfrontiert wurde, erzählen. Da geht es um Sadisten und Narzissten, Manipulatoren und Lügner, falsche Zeugenaussagen und ungesühnte Kriminalfälle. Zudem beschäftigt sich Wilfling, der unter anderem mitwirkte bei der Aufklärung der Morde an Walter Sedlmayr und Rudolph Moshammer sowie der Morde des Serienmörders Horst David, mit dem Thema "Opfer". Moderiert werden alle vier Krimi-Abende von dem Unterhachinger Schriftsteller Uwe Gardein, selbst Autor drei historischer Romane und laut Keller so was wie ein "Familienmitglied der Bücherei". Man darf davon ausgehen, dass er sein Scherflein dazu beitragen wird, das Publikum zum Schaudern zu bringen.

Josef Wilfling beim Krimifestival in Mücnhen, 2013

Josef Wilfling, Kriminaloberrat a. D., berichtet über echte Mordfälle.

(Foto: Jakob Berr)

Die Lesungen während der "Unterhachinger Mordswochen" (6., 13., 20., 23. Oktober) beginnen jeweils um 20 Uhr. Tickets zu je zehn Euro sind in der Gemeindebücherei, Rathausplatz 11, erhältlich. Im Eintritt inbegriffen sind ein kaltes Buffet, Wein und Bier.

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