Unterhaching:Auf Streife im toten Winkel

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"Wir sind die Globuli": Andrea Hummer und Thomas Handschuch sehen ihre Tätigkeit "homöopathisch". "Wenn es schlimm wird, dann rufen wir die Polizei." (Foto: Angelika Bardehle)

Sie sollen aufpassen, Sicherheit vermitteln und im Ernstfall die Polizei rufen - die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Sicherheitswacht Taufkirchen. Seit Mittwoch patrouillieren sie auch in Unterhaching - wenn das Wetter mitspielt.

Von Michael Morosow, Unterhaching

Wenn es wie aus Kübeln schüttet, dann bleiben auch Wandverschmierer, Ruhestörer und Umweltfrevler lieber zu Hause. Kein zwingendes Erfordernis also für Andrea Hummer und Thomas Handschuch, ihre blauen Jacken mit der Aufschrift "Sicherheitswacht" anzuziehen und durch Unterhaching zu patrouillieren. Stephan Hoppe, der Kontaktbeamte der Unterhachinger Polizeiinspektion 35, hätte sie ausnahmsweise begleitet, und auch Bürgermeister Wolfgang Panzer stand bereit zum Aufbruch. Weil nun aber am Mittwoch pünktlich zum Start um 14 Uhr ein Wolkenbruch über die Gemeinde niederging, ließ man das Schaulaufen für die Presse lieber sein.

Die offizielle Einführung der Sicherheitswacht in Unterhaching ging deshalb an Stehtischen im Rathausfoyer vonstatten. "Hilfssheriffs" werden sie oftmals genannt und umstritten ist ihr Einsatz auch. Nicht jede Kommune nimmt das seit 20 Jahren existierende Angebot des bayerischen Innenministeriums an.

Auch Ottobrunn darf die Hilfssheriffs einführen

Die Gemeinde Neubiberg zum Beispiel hat erst kürzlich dankend abgelehnt, aber auch in Unterhaching gab es durchaus Vorbehalte gegen die Einführung der Sicherheitswacht, was in sieben Gegenstimmen bei der entscheidenden Abstimmung seinen Ausdruck fand. Nur ein subjektives Sicherheitsempfinden zu erzeugen, sei zu wenig, hieß es. Hoheitliche Polizeiaufgaben auf Ehrenamtliche mit Kurzausbildung und geringer Aufwandsentschädigung zu übertragen, entwerte die Polizeiarbeit, gaben die Kritiker zu bedenken. Für Ottobrunn hat Innenminister Joachim Herrmann eine zehnköpfige Sicherheitswacht genehmigt, wie am Mittwoch bekannt wurde.

Für Bürgermeister Panzer stellen die Sicherheitswachten dagegen ein willkommenes Angebot dar. "Wir haben viele Ehrenamtliche, die sich der Sicherheit verschrieben haben, wie etwa Feuerwehr. Das hier ist eine Ergänzung, vor allem eine kostenlose", sagte Panzer. Für ihn wirken die Mitglieder der Sicherheitswacht in einem bislang toten Winkel: "Es gibt Probleme, wo ich als Gemeinde nichts machen kann und die für einen Polizeieinsatz zu gering sind."

"Wir wirken praktisch homöopatisch, wir sind die Globuli"

Thomas Handschuch ist ein solcher Ehrenamtlicher mit Kurzausbildung, doch nach vier Jahren und Hunderten Patrouillen durch Taufkirchen hat der 53-Jährige schon einiges an Erfahrungen sammeln können, mehr jedenfalls als die gleichaltrige Andrea Hummer, die erst seit drei Monaten an Problemstellen in Taufkirchen nach dem Rechten sieht. Wie die Sicherheitswacht tickt und welche Befugnisse ihr zustehen, dafür findet Handschuch einen bildhaften Vergleich: "Wir wirken praktisch homöopathisch, wir sind die Globuli. Wenn es schlimm wird, dann rufen wir die Polizei."

Handschuch und Hummer gehören zu dem zehnköpfigen Team der Sicherheitswacht, das vom Innenministerium für den Einzugsbereich der Polizeiinspektion 35, zu dem die Gemeinden Taufkirchen, Unterhaching, Oberhaching und Sauerlach gehören, genehmigt worden ist. Mangels Interesse anderer Gemeinden sind alle zehn Ehrenamtlichen bislang nur in Taufkirchen auf Streifegegangen. Nun gehört auch Unterhaching zu ihrem Wirkungskreis, weshalb Handschuch, angestellt bei einer IT-Consulting-Firma, auch einen Aufruf startet: "Wir suchen noch Leute."

Sicherheitswacht
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Bürgermeister Heyland und Polizeichef Ganserer werben im Gemeinderat vergeblich dafür, dass Ehrenamtliche im Ort auf Streife gehen. Das knappe Votum könnte auch auf die Nachbargemeinde Ottobrunn Auswirkungen haben.

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Durch das positive und ermunternde Feedback aus der Taufkirchner Bevölkerung sehen beide den Sinn in ihrer Arbeit bestätigt. "Das Auftreten der Sicherheitswacht wirkt sich beruhigend auf die Bevölkerung aus", gibt sich Handschuch überzeugt. Mit Augenmaß schreite man in Stresssituationen ein, kenne aber auch die eigenen Grenzen, etwa wenn Betrunkene randalieren, wie in Taufkirchen geschehen. Da habe er sofort Polizei und Sanitäter verständigt. "Ansonsten gilt für ihn das Credo: Wir wollen, dass die Situation erst gar nicht eskaliert."

Die Tour schlägt die Polizei vor

Bereitwillig lehrt der 53-Jährige seine Diensttasche aus und holt daraus hervor: Info-Material wie die Broschüre "Ungebetene Gäste" mit polizeilichen Tipps gegen Einbruch, die er unter die Leute bringt, Stadtplan, Schreibheft, Einmal-Handschuhe und eine Dose für Drogenspritzen, Pfefferspray und ein Fotoapparat, mit dem zum Beispiel illegale Müllablagen dokumentiert werden.

Und eine Art Auftragsliste haben Handschuch und Andrea Hummer, die Hausfrau ist, auch jedesmal bei sich, wenn sie ihre Tour vor dem Dienstgebäude der Polizeiinspektion an der Ottobrunner Straße beginnen. Es ist eine von der Polizei vorgeschlagene Tour mit Stationen an möglichen Brennpunkten. Hätte es an diesem Mittwoch nicht so stark geregnet, hätten Andrea Hummer und Thomas Handschuch auf jeden Fall eine Runde durch den Ortspark gedreht, hätten am Bahnhof nach dem Rechten gesehen und auch im Fasanenpark. Aber es kam halt runter wie aus Kübeln gegossen und was Handschuch und Hummer noch fehlt, ist eine Regenjacke. Eine solche gehört nicht zu der vom Innenministerium finanzierten Grundausstattung.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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