Unterföhring:Sushi im Biergarten

Unterföhring: "Kauf, du Sau!" Mit seinem neuen Solo-Programm füllt Helmut Schleich das Unterföhringer Bürgerhaus.

"Kauf, du Sau!" Mit seinem neuen Solo-Programm füllt Helmut Schleich das Unterföhringer Bürgerhaus.

(Foto: Robert Haas)

Kabarettist Helmut Schleich erhält den Kulturpreis "Unterföhringer Mohr"

Von Franziska Gerlach, Unterföhring

Für einen Augenblick sah der Mann auf der Bühne gar nicht zufrieden aus. Also so gehe es ja nicht. Seinen Rechenbeispielen nicht folgen können und stattdessen in seinem Sitz gemütlich darauf warten, bis "der Strauß" komme. Am Ende gab der Münchner Kabarettist Helmut Schleich, der am Samstag mit dem Kulturpreis "Unterföhringer Mohr" ausgezeichnet wurde, seine Paraderolle natürlich doch noch: Dieses Mal nahm Schleich alias der frühere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß dessen Nachfolger Markus Söder (CSU) verbal auseinander und erläuterte den Zuschauern im Bürgerhaus Unterföhring mit hochgezogenen Schultern gleich noch, dass früher rechts von der CSU auch deshalb die Wand gekommen sei, weil sich links davon ja die Mauer befunden habe. "Und dahinter war die Merkel."

Das Publikum tobt - wie so oft an diesem Abend. Zwischen den Unterföhringern und Schleich stimmt die Chemie ganz offenbar. Der 50 Jahre alte Kabarettist hat seine Fans in der Gemeinde, und wenn so mancher in der Pause auch verstohlen auf dem Smartphone prüft, wie es denn steht beim WM-Spiel Deutschland gegen Schweden, so ist der Saal doch bis auf den letzten Platz besetzt. Aus 106 Kulturveranstaltungen im Jahr 2016 hätten die Unterföhringer Schleichs Auftritt als ihren Favoriten gewählt, erläuterte Unterföhrings Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (PWU) den Gästen. Den Publikumspreis der Gemeinde könne er sich nun neben seine anderen Auszeichnungen stellen, den Bayerischen Kabarettpreis etwa, den Salzburger Stier und den Leipziger Löwenzahn (Kemmelmeyer: "Was net ois gibt!").

Für Schleich, so erläuterte Kulturamtsleiterin Barbara Schulte-Rief, sei Humor nicht nur der punktuelle Witz, sondern vielmehr eine Grundeinstellung. Und zudem ein Gut in der Krise, das er durch politische Korrektheit bedroht sehe. Nun, womöglich dehnt Schleich mit seinem neuen Programm "Kauf, du Sau!", das im Mai im Münchner Lustspielhaus seine Premiere erlebte, die Grenzen des allgemeinen Sprachempfindens gerade deshalb bis zu jenem Punkt, an dem es selbst hart gesottenen Anhängern der Politsatire anfängt weh zu tun.

Anders als früher schlüpft Helmut Schleich in seinem mittlerweile siebten Soloprogramm kaum mehr in andere Rollen, einmal abgesehen vom Charakter des Lkw-Fahrers Rudi, der plötzlich ohne Job da steht und nicht so recht weiß, wie er das nun handhaben soll mit den ganzen Frauen und Kindern, die er sich über die Republik verteilt zugelegt hat. Die meiste Zeit bleibt Schleich auf der Bühne aber er selbst, ein begabter Beobachter, der seine kluge Wortjonglage auf detailgenau recherchierten Fakten aufbaut. Als roter Faden zieht sich da gewissermaßen Schleichs Aufgabe durch den Abend, "unkorrekte Kreuzworträtsel" zu erstellen, wie zum Beispiel: Eine "Zonen-Wachtel", die weg müsse? Merkel, das wisse ja jeder.

"Kauf, du Sau!" irritiert als Titel allerdings beinahe. Denn nach einem anfänglichen Abstecher über die Machenschaften der Automobilindustrie geht Schleich nicht nur auf den Konsumwahn los, sondern im Grunde auf alle Rädchen dieser Gesellschaft: Parteien, Politiker und die Medien, aber auch die Münchner, die mit ihren SUVs in die Innenstadt führen, um bei Dallmayr "kandierte Hummerhoden" zu kaufen, und sich dann wunderten, wenn sie am Marienplatz nicht parken dürften. Besonders aber scheint ihm die überzogene Verwendung gendergerechter Ausdrücke gegen die Strich zu gehen, wie er am Beispiel von Kindern erläutert, die sich nicht bei ihrem Vat-er bedanken, sondern bei ihrem Vat-sie. Aha.

Auch der Hipster, der sich Sushi in den Biergarten bestellt, ist nicht sein Ding, ebenso wenig wie die Manie, absichtlich zu kurze Anzüge zu kaufen. Und wenn man denn eine Botschaft herauslösen möchte aus all dem, dann ist das die Erkenntnis, dass sich Sprache zwar beugen lässt, die Probleme aber bleiben. Freilich, man könnte Schleich vorwerfen, dass er seine gut inszenierten Gags mitunter zu leichtfertig ins Allgemeine führt, wo sie dann im schlimmsten Fall als Plattitüde enden. Aber warum sollte man sich um die wohltuende Freiheit bringen, diese Welt einmal nicht ganz so ernst zu nehmen? Und sei es auch nur für zwei Stunden. Lange nicht mehr so gelacht.

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