Unterföhringer Lachnacht:Die schönste Form des Kontrollverlusts

Unterföhringer Lachnacht: Macht nicht nur rhetorisch eine gute Figur: Fatih Çevikkollu spielte während der Lachnacht gekonnt auf der Klaviatur interkultureller Vorurteile.

Macht nicht nur rhetorisch eine gute Figur: Fatih Çevikkollu spielte während der Lachnacht gekonnt auf der Klaviatur interkultureller Vorurteile.

(Foto: Robert Haas)

Mundwinkel nach oben: Bei der Lachnacht in Unterföhring kann das Publikum seine Gesichtsmuskeln spielen lassen.

Von Udo Watter, Unterföhring

Die Fähigkeit zu lachen, unterscheide den Menschen vom Tier, befand schon Aristoteles - wer freilich einer besoffenen Männerrunde am Stammtisch beim Losprusten lauscht, dem könnte daran Zweifel kommen. Egal, die entkrampfende und befreiende Wirkung ist nicht von der Hand zu weisen oder wie Fatih Çevikkollu hübsch definierte: "Lachen ist die schönste Form des Kontrollverlusts."

Der Kölner Stand-up-Comedian und Kabarettist war der erste der vier Protagonisten, die neben Moderator Ole Lehmann bei der "Unterföhringer Lachnacht" den Versuch unternahmen, das Publikum im voll besetzen Bürgerhaus so oft wie möglich in diesen Zustand der Erheiterung zu versetzen. Als Deutscher mit türkischen Wurzeln spielte er versiert auf der Klaviatur interkultureller Vorurteile und Befindlichkeiten. So sprächen die typischen türkischstämmigen Gemüsehändler(innen) entgegen allgemeiner Annahmen perfektes Deutsch. Wenn sie diese Kompetenz aber beim biodeutschen Käufer anwenden würden, ginge der Umsatz gleich um 30 Prozent zurück: Der Kunde will nun mal seine Exotik beim Verkaufsgespräch.

Çevikkollu redet schnell und pointiert, wenn er das ein oder andere Stereotyp mit charmanter Frechheit entlarvt, zeitigt das die erhoffte Wirkung: "Ah, das war jetzt politisch korrektes Lachen", spöttelt er - wenn es so klingt, als ertappe sich der Zuhörer bei den eigenen Vorurteilen und dimme dann das Aufjauchzen in kultiviertere Tiefen hinunter. Die Publikumsneckerei hat bei dem 44-Jährigen durchaus Methode. Als er vom bekannten türkischen Dichter Hermann Hesse palavert und dessen Gedicht "Stüfen" erwähnt, kommentiert er die Reaktion: "Aha, Unterföhring lacht über Umlaut-Gags" - was im augenzwinkernden Urteil des Kölners nicht gerade für hohes Humor-Niveau spricht.

"Wer Arschlöcher auf ihre Ethniereduziert, ist ein Rassist"

Darum geht es an diesem Abend bei der vierten Auflage der "Lachnacht" aber ohnehin nicht - zumindest nicht, wenn man dies mit politischem, philosophisch angehauchten Kabarett verbindet. Keiner der Auftretenden - neben Çevikkollu und Lehmann noch Martina Brandl, Boris Stijelja und Ingmar Stadelmann - befleißigt sich genuin gesellschaftskritischen Humors, sondern setzt eher auf komische Schilderungen von Auseinandersetzungen mit der eigenen Umwelt. Das schließt freilich ein paar ernste Intermezzi und Töne mit Tiefgang nicht aus. So sagt Çevikkollu zu den Vorgängen der Kölner Silvesternächte: "Wer Arschlöcher auf ihre Ethnie reduziert, ist ein Rassist."

Und Ingmar Stadelmann, der unter anderem 2014 den Deutschen Comedypreis als bester Newcomer erhalten hat, lenkt zum Abschluss des Abends und seiner Nummer den Blick auf den Terroranschlag in Berlin, zu dem er eine persönlich Geschichte hat. Er war an besagtem Tag auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz und hatte ihn drei Stunden vor der Tragödie deshalb schon verlassen, weil er "den schlechtesten Glühwein aller Zeiten getrunken" und mit typischer "Berliner Unfreundlichkeit" konfrontiert worden war. Doch gerade auch angesichts solch schrecklicher Ereignisse und der Tatsache, dass die "Realität oft die Satire ist", plädierte er dafür, den Humor nicht zu verlieren. Ein "Trotzdem" zu setzen, denn: "Unsere Freiheit, das alles hier, ist nicht selbstverständlich." Sein erzählerisch-komisches Talent, sein Gespür für Timing und Pointen demonstrierte er aber auch.

Das war nicht immer wahnsinnig gehaltvoll, aber doch unterhaltsam. "Mit meiner polnischen Freundin gehe ich gerne Händchen haltend durch die Stadt. Lass ich sie los, geht sie sofort shoppen." Oder sein Vorschlag, am Valentinstag der Partnerin mal was originelles Gutes zu tun: "Man kann ihr mal den Staubsager ans Bett bringen." Mehr Hintersinn hatte seine Beschreibung der "Radikalisierung" auf deutschen Autobahnen, etwa, wenn der drängelnde BMW-Fahrer hinter einem lauert, wie ein großer, böser Mann vor dem Kindergarten.

Platte Pointen übers Dschungelcamp

Überfordert wurde das Publikum mit Wortwitzen und rhetorischer Finesse aber generell nicht, der 1982 in Mannheim geborene Kroate Boris Stijelja, der vor Stademann an der Reihe war, entfaltete zwar sympathisch-agile Bühnenpräsenz, aber mehr Esprit hätte seinem Auftritt gut getan. So recht sprang der Funke nicht über, die Pointen waren eher platt, etwa wenn er das Dschungelcamp als schlimmer darstellte als den Balkankrieg oder über seinen stolzen Vater sagte: "Er strahlte wie ein Atomkraftwerk."

Ole Lehmann führte als Moderator der "Lachnacht" gewohnt launig und frivol durch den Abend. Dabei scheint es ihm besonderen Spaß zu bereiten, schön tuntig zu näseln und leicht anzügliche Witze über schwule Sexualität respektive die Angst heterosexueller Männer vor derselben zu machen. Immerhin - das Unterföhringer Publikum antwortete auf die Frage, was "Homo" bedeute, "Mensch", und nicht "schwul".

Um Erotik ging es auch immer wieder in Martina Brandls Nummer, die gebürtige Schwäbin liebt es ebenfalls frech-frivol, zeigte ihr parodistisches Talent, gemischt mit Selbstironie und bissigen Beobachtungen: etwa, wenn sie den dämlichen Satz "Fünfzig ist das neue Vierzig" ins Absurde weiter führt bis zu "Säugling ist das neue Fötus" oder den digitalen Selbstinszenierungswahn sängerisch auf die Schippe nimmt. "Ich werde bloggen, wie meine Glocken beim Joggen noch rocken."

Eine Lachnacht, die manchmal etwas seicht dahin floss, aber auch klug, frech und stets kurzweilig war.

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