Empfang für Eingebürgerte:Der lange Weg zum deutschen Pass

Unterföhring, Bürgerhaus: Empfang für Neueingebürgerte im Landkreis München,

Pinar Balkan sprach beim Empfang des Landkreises München für Neueingebürgerte über ihre eigenen Erfahrungen.

(Foto: Angelika Bardehle)

Die Lehrerin Pinar Balkan aus Unterhaching berichtet, warum sie die Staatsbürgerschaft wechseln wollte - und welche Schwierigkeiten sie damit nach dem Putschversuch in der Türkei hatte.

Von Anna Hordych, Unterföhring

Es reichen wenige Monate, um einen Spitzenreiter vom ersten Platz zu verdrängen: Stand zuletzt noch die Türkei an vorderster Stelle, so preschen nun die Briten voran. Von all den Bürgern aus dem Landkreis, die sich um einen deutschen Pass bemühen, waren es bisher vor allem Türken, die eine Einbürgerung beantragten. Mit dem anstehenden Brexit haben sich die Zahlen verschoben. Allein das erste Halbjahr 2017 genügt, um von einem neuen Trend sprechen zu können.

Auf dem Empfang für Neueingebürgerte am Dienstagabend in Unterföhring konnte sich diese Entwicklung selbstredend noch nicht abzeichnen. "Eine Retrospektive", nennt Landrat Christoph Göbel die Veranstaltung, die heuer zum siebten Mal stattfand. Ins großräumige Bürgerhaus sind diejenigen 572 Eingebürgten eingeladen, deren Anträge auf die deutsche Staatsbürgerschaft im Laufe des vergangenen Jahres bis zum Frühjahr 2017 bereits erfolgreich waren. Sie sind nun Neubürger in einer der 29 Gemeinden des Landkreises und stammen aus verschiedensten Herkunftsländern. Offiziell ist von 76 Nationalitäten die Rede. Stellvertretend für all diejenigen Bürger, die in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben, spricht am Abend Pinar Balkan zu den zwei- bis dreihundert erschienen Gästen.

Die junge Lehrerin aus Unterhaching wusste nicht, was ihr blühen würde, als sie 2015 beschloss, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Balkans Eltern stammen aus der türkischen Großstadt Edirne. Obwohl sie in München geboren und zur Schule gegangen ist, hat sie noch mit Anfang 30 einen türkischen Pass besessen. Da die junge Frau noch während ihres Studiums erwog, später als Assistentin an eine türkische Universität zu gehen, ergab dies zuerst einmal Sinn. "Doch als mein Plan an Konturen gewann, konnte ich mich nicht damit abfinden, meinen Lebensmittelpunkt in die Türkei zu verlegen", berichtet Pinar Balkan mit ruhiger Stimme und einem geradlinigen Blick ins Publikum. "Ich machte also einen Rückzieher, denn ich wollte mein deutsches Umfeld nicht aufgeben."

Mehr Frauen als Männer

Von den 572 Frauen und Männern aus dem Landkreis, die Ende 2015 bis Frühjahr 2017 eingebürgert worden sind, stammen noch die meisten aus der Türkei (7,7 Prozent), gefolgt von Rumänien (6,3 Prozent), Ungarn (5,4 Prozent), Italien und Polen (je 5,2 Prozent) sowie Großbritannien (4,9 Prozent). Insgesamt sind 76 Herkunftsländer vertreten, wobei 43 Prozent der Neubürger ihre Wurzeln in Ländern der Europäischen Union haben. Wie auch in den Jahren zuvor wurden deutlich mehr Frauen (59 Prozent) als Männer eingebürgert. sz

Daraufhin stellte die Deutschtürkin einen Antrag beim Landratsamt. Sie plante, in Deutschland zu bleiben und als Mittelschullehrerin zu arbeiten. Um verbeamtet zu werden, ist ein deutscher Pass Grundvoraussetzung. In ihrem Fall musste ihr Heimatland eine Ausbürgerung vornehmen, damit die hiesige Einbürgerung vonstatten gehen konnte. Was sich jedoch zunächst nach einer Formalie angehört hatte, entpuppte sich nach dem Putschversuch und den einbrechenden Unruhen in der Türkei als äußerst schwierig. Hieß es anfangs, bis Mitte August sei ihre Ausbürgerung abgeschlossen, versuchte Pinar Balkan im Laufe des Sommers 2016 vergeblich, in ihrer Sache überhaupt noch jemanden zu erreichen.

Beim türkischen Innenministerium bekam sie "keine transparenten Informationen", auch durch das Konsulat konnte sie die Sache nicht beschleunigen. Andererseits drängte die Zeit, denn Balkan sah ihrer ersten Anstellung als Lehrerin entgegen, die sie nicht ohne deutschen Pass antreten konnte. Bis ihre Ausbürgerungsbestätigung Ende Oktober schließlich eintraf, trug sie den Titel "Beamtin auf Probe". Später erst konnte sie vereidigt werden und bekam wie alle anderen eine Urkunde. An diesem Abend ist der 35 -Jährigen die Erleichterung über die Einbürgerung anzusehen. Schon im dritten Jahr lehrt sie nun an der Mittelschule in Vaterstetten, wo sie auch Beauftragte für Deutsch als Fremdsprache ist und die dortigen Flüchtlingskinder betreut.

Auch die Studentin Ha Linh Truong gibt an, dass "die Möglichkeit, in Deutschland verbeamtet zu werden, ein wichtiges Motiv war, die Staatsangehörigkeit zu beantragen". Die 23-Jährige studiert Grundschullehramt an der LMU und ist froh, dass sie nun einen Job als Lehrerin jederzeit antreten dürfte. Vor fünf Jahren wurde sie eingebürgert und verlor ihren vietnamesischen Pass. In Linhs Augen hat das viele Vorteile; früher durfte sie ohne Visum nicht einmal mit ihren Freunden nach Kroatien einreisen, heute kann sie sich innerhalb der EU frei bewegen. "Reisen und Wählen" waren für sie, die an diesem Abend die Neueinbürgerung ihrer Mutter feiert, zwei wichtige Gründe für ihre Entscheidung.

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