Umwelt:Beschützer der Völker

Fast jedes Kind in Garching kennt Aly Hassanein und seine Bieneninsel im Grünen. Ein Brand in einem Bauwagen hat den Imker fast alle Tiere gekostet. Ans Aufhören aber will er nicht denken - der Naturschutz ist für ihn eine Herzensangelegenheit

Von Franziska Bohn, Garching

Aly Hassanein hat die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen. Er steht in seinem alten, verrosteten Bauwagen und schaut sich um, langsam bewegt er seinen Kopf von links nach rechts, lässt seinen Blick schweifen, ohne zu blinzeln. Neben ihm liegen ein verkohltes Regal, verbrannte Bücher, schwarze Bretter. Die Luft stinkt nach Rauch. Hassanein nimmt ein verrußtes, leeres Glas vom Regal. "Das war mal voll mit Honig", sagt er und stellt es wieder neben die anderen Gläser.

Aly Hassanein, ursprünglich aus Ägypten stammend, ist Physiker im Ruhestand und Hobbyimker. In Garching hat er sich ein Bienenparadies aufgebaut, die Leute nennen es auch Bieneninsel. 21 Bienenvölker lebten hier. Bis letzte Woche, da hat es in Hassaneins Paradies gebrannt. Acht Völker haben überlebt, 13 sind gestorben. Ein Bienenvolk besteht aus bis zu 80 000 Tieren. Die meisten seiner Honigbienen starben im Feuer, einige wurden vom Wasserstrahl der Feuerwehr getötet. Retten konnte er die Insekten nicht, das Feuer musste schnell gelöscht werden, denn eine Gaskartusche lag noch in seinem Bauwagen. Ein Kurzschluss in einer Solaranlage war wohl die Ursache des Brands.

Umwelt: Der Garchinger Aly Hassanein kümmert sich ohne Schutzkleidung um seine Bienen.

Der Garchinger Aly Hassanein kümmert sich ohne Schutzkleidung um seine Bienen.

(Foto: Catherina Hess)

Hassaneins Bieneninsel liegt mitten im Grünen, umgeben von Bäumen. Ein Eichhörnchen rennt einen Walnussbaum hinauf, der Bach plätschert, die Vögel singen. Eine Nacktschnecke kriecht langsam durch die Wiese. Mitten im Grün steht der verbrannte Bauwagen, vor dem Aly Hassanein Blumenstauden angelegt hat. Viele davon sind dem Feuer zum Opfer gefallen, alles Pflanzen, die Bienen und Schmetterlinge besonders lieben. Daneben ein Gemüse- und Kräutergarten, auf der anderen Seite hat er die Bienenvölker, die das Feuer überlebt haben, zwischengeparkt. Zwölf Bienenkisten sind, teilweise gestapelt, auf Holzpaletten aufgereiht. Darüber, daneben, dahinter: Bienen.

Als Aly Hassanein das Grundstück vor zehn Jahren übernommen hat, wurde ihm davon abgeraten. Es war überwuchert mit Springkraut, ein Umweltgift. Seine Samen kann es bis zu acht Meter weit schießen. So verdrängt das Kraut alle heimischen Pflanzen. Seit sieben Jahren ist sein Grundstück frei von Springkraut. Viel Geduld habe ihn das gekostet, doch das hat sich gelohnt. An wohl keinem anderen Ort kann man in ähnlich idyllischer Umgebung etwas über Naturschutz lernen.

Umwelt: Viele Bienen sind dem Feuer zum Opfer gefallen. Doch einige Völker haben den Brand überlebt.

Viele Bienen sind dem Feuer zum Opfer gefallen. Doch einige Völker haben den Brand überlebt.

(Foto: Catherina Hess)

In seinem Bauwagen hatte Hassanein immer Honigbonbons, Honigbrote, Honiggetränke. Für die Kinder, die ihn regelmäßig besuchen. Es gibt wohl kein Kind in Garching, das Aly Hassanein und seine Bienen nicht kennt. "Ich bin bekannt wie ein bunter Hund", sagt er und lacht. Für ihn ist es wichtig, Kinder für die Bienen und die Umwelt zu begeistern. "Kinder gestalten unser Leben weiter, sie können unsere Erde noch erhalten. Die alte Generation verzichtet nicht mehr auf ihren Wohlstand". Deswegen bildet er auch junge Leute zu Imkern aus, auch Flüchtlinge. "Um ihnen eine sinnvolle Beschäftigung zu geben", sagt er. Wenn jemand auf seine Bieneninsel kommt, um nur Honig zu kaufen, wird er traurig. Er will, dass seine Besucher etwas über Naturschutz und vor allem etwas über die Honigproduzenten lernen.

Wenn Hassanein in den Kisten nach seinen Bienen schaut, hat er keine Schutzkleidung an. "Einmal habe ich sie angezogen, seitdem liegt sie in der Ecke". Er stellt ein Bein auf eine der Paletten, auf denen die Bienenkisten gestapelt sind, die fünfte Kiste von rechts öffnet er. Mit einem Messer lockert er den Deckel und hebt ihn langsam hoch, ein paar Blätter fallen herunter. Aly zieht eine Folie von der Öffnung der Kiste und bringt ein Holzgitter zum Vorschein. Verschlafen kriechen die Bienen darauf herum. Ihre Kollegen von draußen fliegen nach oben, nach unten, nach links, nach rechts. Eine sticht Hassanein in den Nacken. "Ich freue mich über jeden Stich", sagt er und befühlt die Stelle. Das Gift der Bienen helfe ihm gegen seinen Bluthochdruck, so müsse er keine Medikamente nehmen. Bienen sind friedliche Tiere, sie stechen nur, wenn sie sich bedroht fühlen oder ihre Vorräte beschützen wollen.

Umwelt: Ein Feuer hat seinen Bauwagen verwüstet und mehreren Völkern das Leben gekostet - doch Hassanein will weitermachen.

Ein Feuer hat seinen Bauwagen verwüstet und mehreren Völkern das Leben gekostet - doch Hassanein will weitermachen.

(Foto: Catherina Hess)

Es ist nicht das erste Mal, dass Hassanein einen großen Teil seiner Bienen verliert. Harte Winter haben ihm zwei Mal fast alle Völker gekostet. Viele Imker müssen gegen das Bienensterben kämpfen. Der Hauptgrund sei, sagt er, die Gier des Menschen nach Honig. Durch die immer größere Nachfrage mussten neue Bienenrassen importiert werden und so wurde die Varroa-Milbe eingeschleppt. Sie ist der größte Feind der Honigbiene, die Milbe selbst hat keinen natürlichen Feind. Sie schwächt das Bienenvolk und überträgt Viren. Hassanein bekämpft sie mit Ameisensäure.

Er hält eine Honigwabe in der Hand, fünf Bienen sitzen darauf. Der Honig wurde schon Ende Juli geerntet, die Honigräume sind eigentlich schon leer, doch die Bienen finden immer noch ein paar Reste. Sie fliegen um Hassanein herum, umkreisen seinen Kopf, seine Arme, seine Schultern. Er bleibt entspannt, ruhig schaut er sich eine einzelne Biene ganz genau an: "Bienen sind etwas ganz Schönes." Er lächelt.

Nicht nur die Milbe macht den Bienen zu schaffen, durch Monokulturen in der Landwirtschaft können sich Bienen nicht richtig ernähren und sie werden anfälliger für Krankheiten. "Landwirte sollten mit den Imkern kommunizieren. Schön wäre, wenn sie am Rand ihrer Felder Blühstreifen für die Bienen anlegen würden", sagt Hassanein. Zudem sind Pestizide, die Landwirte verwenden, schlecht für die Bienen.

"Jeder kann etwas für die Bienen tun", sagt Hassanein und zählt auf: Den Rasen nur zwei Mal im Jahr mähen, keinen importierten Honig kaufen und mit Leuten bewusst über die Bienen-Problematik reden.

Schon einen Tag nach dem Tag des Brandes hat Aly angefangen, seine Bieneninsel wieder aufzubauen. "Der Brand war ein Schock, doch es hat mich so sehr berührt, wie viele Leute mir Mut zugesprochen haben. Da muss ich einfach weiter machen", sagt er und grinst. "Wer Imker ist, hört nie auf, nur der Tod kann dich davon trennen."

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