Umstrittene Unterkunft:Am Rand der Gesellschaft

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Dritte Bürgermeisterin Mindy Konwitschny (Mitte) erläutert den Parteifreunden die Lage in der Wohnwagensiedlung. (Foto: Claus Schunk)

Seit einem Jahr leben anerkannte Asylbewerber in einer Wohnwagensiedlung in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. SPD-Politiker werfen bei einem Besuch der CSU vor, den Bau von Sozialwohnungen in Bayern zu vernachlässigen

Von Sabine Oberpriller, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Minutenlang brüllt der Mann über den Platz, findet deutliche und unflätige Worte über die unhaltbaren Zustände in der Wohnwagensiedlung bei Höhenkirchen. Er ist einer der anerkannten Flüchtlinge, die dort vergangenes Jahr untergebracht wurden. Aus der Not heraus, weil für sie keine Wohnungen zu finden waren. Sonst finden sich die 15 erwachsenen und sechs jugendlichen Bewohner fast klaglos mit der Situation ab. Aber jetzt, als erkennbar politische Vertreter und Medien aufkreuzen, da muss das mal sein. Einen Winter haben die Menschen unter schwierigen Bedingungen überstanden. Von den Wagen bis zu den Waschräumen und Küchen liegen 20 bis 50 Meter - zurückzulegen für jede Tasse Kaffee.

Die stellvertretende Bürgermeisterin Mindy Konwitschny (SPD) hatte Landkreispolitiker und Landtagsabgeordnete der SPD zu dem Ortstermin geladen. Sie schlägt Alarm. Es fehlt an günstigem Wohnraum, um benachteiligte Menschen wie anerkannte Flüchtlinge oder einkommensschwache Familien unterzubringen.

Werden Flüchtlinge anerkannt, müssen sie in der Regel die Erstunterkunft verlassen. Die meisten von ihnen finden leichter eine Arbeit als eine Wohnung. Warum? Der Sozialwohnungsbau liege im Argen, moniert Mindy Konwitschny. Und das seit Jahren. "Gerade in der überteuerten Region München wären Sozialwohnungen eine Lösung für benachteiligte Bürger", sagt sie. Aus ihrer Sicht ein klares Versäumnis des Bundes und des Freistaats. "Kommunen brauchen mehr Fördergelder und eine andere Finanzierungsregelung für diese Projekte." Alleine könnten die wenigsten Kommunen solche Projekte stemmen.

In den vergangenen Monaten hat die Opposition im Landtag vergeblich versucht, den Sozialwohnungsbau auf die parlamentarische Agenda zu setzen. Die Generalsekretärin der bayerischen SPD und Landtagsabgeordnete aus Neubiberg, Natascha Kohnen, erhob deshalb am Mittwoch schwere Vorwürfe an die Adresse der CSU: "Wir haben den Eindruck, dass die CSU den Sozialwohnungsbau bewusst gegen die Wand fährt, um die Stimmung endgültig kippen zu lassen." Das passe zu den polemisierenden Äußerungen und der Abschottungspolitik der vergangenen Wochen. Einen weiteren Beleg sieht sie im Verhalten von Finanzminister Markus Söder (CSU), der schon beim Verkauf tausender Sozialwohnungen durch die bayerische Landesbank zugesehen habe.

Mindy Konwitschny beschäftigen dagegen ganz praktische Fragen. Sozialer Wohnungsbau braucht Zeit. Davon haben Höhenkirchen-Siegertsbrunn und andere Gemeinden wenig. Im November stellen die Kommunen die neuen Haushaltspläne auf. Wenn Sozialbauten darin nicht berücksichtigt werden, verzögern sich die Pläne um ein weiteres Jahr. "Ein Beschluss muss her, und zwar schnell", sagte Konwitschny. Während sie Situation auf Landesebene stagniert, springt der Landkreis ein. Anträge werden zügig bearbeitet. Die SPD-Politiker lobten einhellig die Arbeit des Kreistages. Er sei ein Beispiel für gute, überparteiliche Zusammenarbeit, sagte die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche. Im Bemühen um menschwürdige Lösungen dehnt der Landkreis seine Kompetenzen aus und sichert den Kommunen Zuschüsse zu. Eine Aufgabe, die eigentlich nicht in seine Kompetenzen fällt.

Vor einem Jahr feierten Mindy Konwitschny und die Höhenkirchener Bürgermeisterin Ursula Mayer den Wohnwagenpark als großen Erfolg - aber das sei eben nur als Zwischenlösung gedacht gewesen, sagte Konwitschny. Nach einem Jahr, Ernüchterung in der Gemeinde. Nichts hat sich bewegt, im Gegenteil. In Kürze muss mit einer Doppelbelegung der Wohnwagen begonnen werden.

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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