Trinkwasser:Garmisch dreht dem Umland den Hahn ab

Trinkwasser: Viele Gemeinden im Landkreis München beziehen ihr Trinkwasser aus dem Loisachtal.

Viele Gemeinden im Landkreis München beziehen ihr Trinkwasser aus dem Loisachtal.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Stadtwerke sollen nur noch Münchner Haushalte mit Trinkwasser aus dem Loisachtal beliefern dürfen. Das könnte massive Folgen für fünf Landkreisgemeinden haben

Von Christina Hertel, Landkreis

Aufgeplatzte, braune Böden ohne einen einzigen Grashalm. Waldbrände. Menschen, die vor Hungersnöten fliehen. In Bayern kennt man solche Bilder nur aus dem Fernsehen. Kaum vorstellbar, dass hier das Wasser knapp werden könnte. Doch eine Andeutung, dass Trinkwasser auch in Bayern ein Gut ist, mit dem man sorgsam umgehen muss, gibt es schon jetzt. Das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen könnte einigen Gemeinden aus dem Landkreis München von 2026 an den Hahn zudrehen.

Denn es hat beschlossen, Wasser aus dem Loisachtal nur noch der Stadt München zur Verfügung zu stellen. Das heißt: Gemeinden, die momentan von den Stadtwerken München (SWM) Wasser aus dem Loisachtal erhalten, müssen sich in Zukunft selbst versorgen - sofern sie das können. Betroffen sind davon Hohenbrunn, Neubiberg, Ottobrunn, Neuried und Unterhaching sowie im Landkreis Dachau die Gemeinde Bergkirchen. Unterhaching und Neubiberg wollen es nicht so weit kommen lassen und klagen.

Fünf Jahre haben die betroffenen Gemeinden Zeit

Mehr als 190 Seiten ist der Bescheid dick. Doch die wesentliche Aussage ist folgende: Fünf Jahre haben die Gemeinden Zeit, um nachzuweisen, dass eine eigene Wasserversorgung nicht möglich ist. Können die Gemeinden aber theoretisch eine aufbauen, müssen sie das spätestens von 2026 an auch tun. Ob der Bescheid mit einem Rückgang des Wasservorkommens zusammenhängt, dazu äußert sich das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen nicht. Es beruft sich bei seiner Entscheidung allein auf das Wasserhaushaltsgesetz.

Darin heißt es: "Der Wasserbedarf der öffentlichen Wasserversorgung ist vorrangig aus ortsnahen Wasservorkommen zu decken, soweit überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen." "Aus amtlicher Sicht", so steht es in einem Schreiben des Landratsamtes, bestehe für die bereits genannten Gemeinden "die grundsätzliche Möglichkeit einer ortsnahen Selbstversorgung".

Hinzu komme, dass die Wasserentnahme im Loisachtal in ein geschütztes Feuchtgebiet eingreife und schon aus diesem Grund auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt werden müsse. "Angesichts der ökologischen Folgen der Wasserentnahme im Loisachtal ist ein strenger Maßstab anzulegen." Tatsächlich, so heißt es von den SWM, würden etwa 500 bedrohte Tier- und Pflanzenarten dort existieren.

60 Millionen Liter Wasser am Tag kommen aus dem Loisachtal

300 Millionen Liter Wasser am Tag liefern die SWM nach München. Etwa 20 Prozent davon, also etwa 60 Millionen Liter, kommen aus dem Loisachtal. Der weitaus größere Teil, 80 Prozent, stammt aus dem Mangfalltal. Im Notfall kann die Stadt außerdem auf Wasser in der Münchner Schotterebene zurückgreifen. Das passiert, wenn andere Werke ausfallen.

Seit Anfang der 1950er Jahre, als der Wasserverbrauch stark stieg, bezieht München Wasser aus dem Loisachtal. Bis es in München ankommt, muss es einen weiten Weg zurücklegen: Es stammt aus fünf Brunnen bei Farchant und Oberau. Zunächst wird es in der sogenannten Südkaverne gesammelt, von dort durch eine 60 Kilometer lange Leitung in die Hochbehälter vor München transportiert. Dann wird das Wasser ans Münchner Versorgungsnetz abgegeben.

Der Bescheid des Landratsamts Garmisch-Partenkirchen gilt seit 1. Januar. Die Reaktionen darauf fallen in den Gemeinden unterschiedlich aus. Neubiberg und Unterhaching zum Beispiel erhalten ihr Wasser ausschließlich von den Stadtwerken München. Für sie könnte der Bescheid die größten Folgen haben. "Wir nehmen es nicht auf die leichte Schulter", sagt Simon Hötzl, der Referent des Bürgermeisters in Unterhaching.

Unterhaching klagt gegen den Bescheid - Neubiberg auch

Zwar heißt es von den Stadtwerken, dass alles wie gehabt bleibe, sollte eine eigene Versorgung nicht möglich sein. Doch welchen Aufwand die Gemeinden betreiben müssen, um eine Versorgung aufzubauen, darüber entscheidet letztlich das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen. Deshalb klagt die Gemeinde Unterhaching gegen dessen Bescheid. Wann das Verfahren beginnt, steht noch nicht fest. "Doch wir rechnen durchaus damit, es zu gewinnen", sagt Hötzl. Seit den 1960er Jahren wird Unterhaching von den Stadtwerken München versorgt und das hat laut Hötzl einen guten Grund: "Unsere Gemeinde ist sehr dicht besiedelt. Wir haben nicht genug Platz für die nötigen Wasserschutzgebiete."

Die Gemeinde Neubiberg hat ebenfalls Klage eingereicht. "Wir hoffen aber auf eine außergerichtliche Einigung", sagt Bürgermeister Günter Heyland (Freie Wähler). Er hat bereits bei den Nachbargemeinden angefragt, ob sie Neubiberg im Notfall mit Wasser versorgen können. Bis jetzt hat die Gemeinde noch keine Zusage bekommen.

Laut Heyland stehen aber noch einige Antworten aus. Einen eigenen Brunnen zu bauen, hält er aufgrund der notwendigen Wasserschutzgebiete nicht für realistisch. "Es wird aber nicht passieren, dass wir plötzlich ohne Wasser dastehen. Wenn uns die Nachbargemeinden nicht mitversorgen können, müssen wir weiterhin Wasser aus Garmisch-Partenkirchen bekommen."

In Ottobrunn bekommt die Hälfte der Bewohner Wasser von den Stadtwerken

Zurückhaltend äußert sich Tina Synde, die kaufmännische Leiterin der Ottobrunner Gemeindewerke. "Gerade steckt noch alles in der Prüfung. Es ist noch zu frisch, um etwas zu sagen." In Ottobrunn bekommen nur die Bewohner östlich der S-Bahnlinie Wasser von den Stadtwerken München. Der Rest bezieht sein Wasser aus Hohenbrunn. Dort geht Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU) davon aus, dass sich seine Gemeinde in Zukunft komplett mit eigenem Wasser versorgen muss. Zum Teil tut sie das schon jetzt.

Nur der Ortsteil Riemerling-Ost bekommt sein Wasser von den Stadtwerken München. Straßmair sieht den Bescheid deshalb relativ gelassen. Wahrscheinlich müsse die Gemeinde Netze von den Stadtwerken abkaufen und zum Teil erneuern. "Aber das ist eigentlich kein Problem. Das Geld kommt über den Verkauf des Wassers wieder rein." Für Straßmair ist der Bescheid vor allem eine Warnung, mit Trinkwasser sorgsamer umzugehen.

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