Tierheim in München:Wo Tiere warten

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Hunde, Katzen und sogar Affen beherbergt das Münchner Tierheim. Die rund 750 Tiere warten dort auf eine zweite Chance. Manche haben traurige Geschichten zu erzählen.

Ana Maria Michel

Der Rabe ist zahm, erklärt der Mann, der den Vogelkäfig auf dem Empfangstresen im Münchner Tierheim in Riem abgestellt hat. Er hat den Raben gefunden und will ihn abgeben, da das Tier nicht gelernt hat, draußen ohne die Hilfe des Menschen zu überleben. Nicht nur Hund, Katze und Maus werden an dem Ort abgegeben, wo durchschnittlich 750 Tiere auf eine zweite Chance warten.

Bis ein neues Zuhause für ein Tier gefunden ist, vergehen durchschnittlich 30 Tage. (Foto: sz.sonstige)

"Jährlich werden ungefähr 8500 Tiere bei uns im Tierheim aufgenommen, versorgt und betreut", erklärt Beate Eteläkoski, eine Mitarbeiterin des Tierheims. Darunter sind circa 1400 Hunde und etwa 1600 Katzen, die restlichen Tierheim-Bewohner sind Kleintiere, wie Kaninchen, Vögel oder Mäuse, und Wildtiere.

Die Gründe, wieso jemand sein Tier nicht behalten will, sind sehr unterschiedlich. Manche Tierhalter können sich wegen einer Krankheit nicht mehr um ihr Haustier kümmern, andere bekommen Allergien und müssen sich deshalb von ihrem Tier trennen. "Viele Hunde oder Katzen kommen zu uns, weil ihre Besitzer umziehen und in der neuen Wohnung Tiere verboten sind", sagt Eteläkoski, die nicht versteht, wieso sich ein Tierhalter eine Wohnung mietet, in der die Haltung eines Tiers nicht erlaubt ist. "Es ist erschreckend, wie kaltherzig manche Leute sein können", sagt sie. "Manche merken irgendwann, dass sie gar kein Interesse an ihrem Tier haben und geben es einfach ab."

Für die Tiere ist es in solchen Fällen vorerst das Beste, wenn ihre Besitzer sie direkt im Tierheim abgeben. Anonym ausgesetzte Tiere können nur mir Glück jemanden finden, der sie ins Tierheim bringt, wo man sie versorgen kann. "Tiere, dessen Besitzer uns nicht bekannt sind, bleiben bei uns zwei Wochen lang in Quarantäne, um mögliche Krankheiten zu behandeln", erklärt Eteläkoski. 80 Prozent der Fundtiere können ihren Besitzern wieder übergeben werden, der Rest bleibt im Tierheim, bis ein neues Herrchen gefunden ist.

Cicero und Cleo

Die Tiere leben in Riem zwar hinter Gittern, aber sie haben es gemütlich: Im Kleintierhaus haben sich drei Kaninchen eng zusammengekuschelt, im Vogeltrakt plappert ein Papagei munter vor sich hin. Die beiden Nymphensittiche Cicero und Cleo sitzen dort zusammen in einem großen Käfig mit dicken Ästen. "Daran können sie sich gut festhalten", erklärt ihr Pfleger. 18 Jahre sind die beiden bereits alt und können nicht mehr fliegen. Sie sind an Silvester 2009 ins Tierheim gekommen, weil ihre Besitzer eine Allergie bekommen haben. Jetzt wartet das alte Vogelpaar auf ein neues Zuhause.

Auch im Katzentrakt schleicht ein Tier umher, das es nicht leicht hat: Merlin ist fünf Jahre alt und lebt bereits seit einem Jahr im Tierheim. Seine Pflegerin beschreibt ihn als sehr netten Kater, aber Merlin hat ein Problem: Wegen einer neurologisch bedingten motorischen Störung sieht sein Gang etwas merkwürdig aus. Da Merlin auf dem Katzenklo Schwierigkeiten hat, das Ziel zu treffen, braucht er jemanden, der Geduld hat, sich um seine Hygiene zu kümmern.

Hinter den Glasscheiben ist ab und zu ein leises "Miau" zu hören. Die meisten Katzen im Trakt sind gesund und haben es leichter, vermittelt zu werden als Merlin.

Ungewöhnlichere Tierheim-Bewohner sind dagegen die Affen. "Sie kommen aus Privathaushalten oder auch aus Wanderzirkussen, wo sie unter widrigen Umständen gehalten wurden", sagt Eteläkoski. Die Affen haben es sich auf den Seilen, die in ihrem Gehege gespannt sind, gemütlich gemacht. Sie warten im Münchner Tierheim darauf, von der niederländischen Stiftung Aap aufgenommen zu werden, um einen Platz in deren Resozialisierungsstation für Exoten antreten zu können.

Die Chemie muss stimmen

"Durchschnittlich bleibt ein Tier 30 Tage lang bei uns", sagt Eteläkoski. Wer sich ein Haustier zulegen möchte, kann sich im Tierheim umschauen. Wenn er ein Tier gefunden hat, das ihm gefällt, stellen die Pfleger den Kontakt her. "Nur wenn Mensch und Tier auf einer Wellenlänge sind, können sie zusammen glücklich werden", sagt Eteläkoski.

Stimmt die Chemie, muss der interessierte Tierfreund eine Selbstauskunft ausfüllen: Ist die Wohnung groß genug, sind Kinder im Haus, ist der Interessent berufstätig? "Manche Leute wundern sich, dass sie so viele Angaben machen müssen", sagt Eteläkoski und lacht. Den Mitarbeitern des Tierheims liegt das Wohl der Tiere am Herzen, die in manchen Fällen nicht nur ein Mal von ihrem Besitzer verlassen worden sind. Daher informieren die Mitarbeiter die potenziellen Halter darüber, was es bedeutet, ein Tier im Haus zu haben: "Wer sich einen Hund zulegt, muss wissen, dass er auf das Tier viel Zeit, Geld und Geduld aufwenden muss", sagt Eteläkoski.

Hinter einem Zaun liegt ein Hund schläfrig in der Sonne, er hält wohl gerade sein Mittagsschläfchen. Das machen auch zwei andere Hunde, die im Haus liegen. Im April 2009 wurde die Hunde-WG im Münchner Tierheim eröffnet. Fünf bis sechs Hunde leben hier jeweils in einer Gruppe zusammen. In einem großen Raum und im Freilaufgehege können sie sich mehr bewegen als in den Zwingern.

Aber auch die Hunde in den Zwingern dürfen ins Auslaufgehege, wo sie sich austoben können. Die Mitarbeiter des Tierheims geben sich Mühe, die Tiere zu beschäftigen, aber mit dem Herrchen im Wald hätten sie natürlich mehr Spaß.

In einem der Auslaufgehege spielt allerdings kein Hund, sondern hier steht eine schwangere Ziegenmama, die ihre Jungen erwartet. Auch um solche Fälle kümmert man sich im Münchner Tierheim.

Nebenan in den Zwingern bellen zwei kleine, wuschelige Hunde fröhlich vor sich hin. Sie werden es nicht besonders schwer haben, vermittelt zu werden. Anders ist das bei Hunden wie Moritz und Jerry. Sie gehören zu den "Dauergästen", das sind Tiere, die bis zu vier Jahre lang im Tierheim bleiben. Sie sind vom normalen Besucherverkehr abgeschottet und nehmen an einem speziellen Hunde-Projekt teil.

Moritz ist ein vierjähriger kroatischer Schäferhund-Mischling und sieht eigentlich sehr nett und verspielt aus, aber er zeigt im Alltag ein sehr starkes Beuteverhalten und lässt es sich nicht nehmen, LKWs oder U-Bahnen zu jagen. Moritz hat nie gelernt, dass er den Menschen in seiner Führungsrolle anerkennen muss. Seit eineinhalb Jahren arbeitet die Hundetrainerin Andrea Bachmann im Tierheim an seinem Verhalten.

Der kleine Schäferhund-Mischling Jerry ist drei Jahre alt und wurde von seiner früheren Besitzerin nicht erzogen. Dass Menschen von ihm fern bleiben sollen, drückt er im Extremfall aus, indem er zuschnappt.

"Die Hunde in dem Projekt haben in vielen Fällen falsche Erfahrungen mit Menschen gemacht", sagt Bachmann. Im Training übt sie mit den Tieren Alltagssituationen - zunächst ist der Maulkorb immer dabei. "Ich fahre mit den Tieren Bus und U-Bahn oder gehe mit ihnen in ein Einkaufszentrum", erzählt die Trainerin. Wer sich für eines der Tiere interessiert, wird eingeladen, an dem Training teilzunehmen, um den Hund kennenzulernen.

Bachmann verbringt eine lange Zeit mit ihren Schützlingen, die ihr manchmal sehr ans Herz wachsen. "Ich bin nicht traurig, wenn ein Hund erfolgreich vermittelt wird", sagt sie. "Was mich traurig stimmt, ist die Tatsache, dass ich den Hunden aus zeitlichen Gründen nicht alles geben kann, was sie brauchen." Bachmann betreut neun Hunde gleichzeitig, richtig gefördert werden kann der einzelne nur in einem individuellen Zuhause. So gut die Tiere im Tierheim auch versorgt werden - dieser Ort ist für keines von ihnen eine Dauerlösung.

Tierschutzverein München, Riemer Strasse 270, 81829 München, Telefon: 089-9210000, Öffnungszeiten: Mi-So 13-16 Uhr, www.tierheim-muenchen.com

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