Theaterfundus in Grünwald:Eine ganze Welt im Regal

Ob Stühle, Wassergläser, Globen oder Straßenlaternen: Im Fundus der Film- und Theaterausstattung in Grünwald finden Szenenbildner, was sie für Kino und Bühne brauchen. Der Renner sind Alltagsgegenstände

Von Nadja Tausche, Grünwald

Auf dem Foto ist ein Verhörraum zu sehen. Ein Tisch in der Mitte, zwei Männer sitzen sich gegenüber, ein dritter steht daneben. Ein Kabel verläuft über den Boden, ansonsten ist der Raum fast kahl. "Es sieht nicht aus, als wäre das Szenenbild viel Arbeit gewesen", sagt Thomas Neudorfer. In Wirklichkeit ist die Szene im Studio aufgenommen worden, der Raum ist nachgebaut und die wenigen Möbelstücke sind ganz bewusst gewählt.

Neudorfer ist Szenenbildner. Auf der Munich Creative Business Week, zu der diese Woche in München verschiedene Ausstellungen zum Thema Design stattfinden, erzählt Neudorfer von seiner Arbeit. Bevor ein Film gedreht wird, überlegt er zusammen mit dem Regisseur, wo die einzelnen Szenen gedreht werden könnten. Neudorfers Kopfkino springt da von alleine an. "Ich lese das Drehbuch und habe dann irgendwelche Bilder im Kopf", sagt er. Dann kauft er die Möbel, baut sie nach - oder geht zum Fundus auf dem Gelände der Bavaria Filmstadt in Grünwald.

Dort wandert er zwischen den Regalen umher, die sich durch die Halle ziehen, meterhohe Metallgerüste. Fünf Reihen voller Telefone gibt es, schwarz, pink, mit Wählscheibe oder Kabel. In einem anderen Regal reiht sich fünf Meter lang Globus an Globus; hier ein Pferdesattel, dort Gemälde, Buddha-Figuren und Stifte.

9000 Quadratmeter groß ist der Fundus der Film- und Theaterausstattung (FTA). Zusammen mit den Standorten in Berlin, Hamburg und Köln ist es der größte Fundus für Film und Theater in Europa. Die FTA ist eine Tochtergesellschaft der Bavaria Film GmbH, die Lieferungen an die Bavaria Filmstadt machen aber insgesamt nur sieben Prozent aus, sagt Thomas Hissia, Leiter in München. Die Kunden gehen durch die Halle und packen auf Wagen, was sie brauchen. 26 Mitarbeiter kümmern sich dann darum, die Artikel einzuscannen und zu verpacken. Einige der Sachen prüfen sie vor dem Verleih, zum Beispiel Lampen. Die Kunden zahlen pro Tag und holen die Artikel meist selbst ab. Gerade Alltagsgegenstände sind gefragt. "Stühle oder Wassergläser werden am häufigsten ausgeliehen", sagt Hissia.

Theaterfundus in Grünwald: Wenn bei Szenenbildner Thomas Neudorfer (li.) das Kopfkino läuft, landet er irgendwann im Fundus von Thomas Hissia. Der liefert die Ausstattung für Film und Theater.

Wenn bei Szenenbildner Thomas Neudorfer (li.) das Kopfkino läuft, landet er irgendwann im Fundus von Thomas Hissia. Der liefert die Ausstattung für Film und Theater.

(Foto: Claus Schunk)

Auch ein alter Sessel hat es den Kunden angetan. Er ist braun und abgewetzt, steht neben modernen Plastikstühlen. "Es ist unser am häufigsten verliehenes Stück", sagt Hissia. Er ist schon für die Werbekampagne einer Versicherungsfirma reserviert, ist auf dem Schild vermerkt. Hier auf dem oberen Stockwerk stehen die größeren Artikel. Straßenlaternen, Kicker. Jeder Artikel hat eine Nummer und einen Strichcode. Von der Decke hängen Kronleuchter, darunter stehen Holztische. Die Tische sehen alle gleich aus. "Wir sind immer auf der Suche nach Neuem. Aber es ist natürlich schwierig", sagt Hissia. Denn eigentlich sei in dem Fundus schon so gut wie alles da. Wenn sie heute noch etwas zukaufen, dann vor allem Modernes.

Wenn Neudorfer und seine Kollegen kommen, holen sie sich manchmal erst einmal Inspiration. Und wenn sie schon Pläne haben, kommt es auch vor, dass sie alles wieder über den Haufen werfen: Weil sie ein bestimmtes Stück sehen, das unbedingt mit in den Film muss. Denn das Szenenbild liefert dem Zuschauer eine Menge Information. Wie viel Geld jemand hat oder in welchem Milieu das Geschehen spielt, zum Beispiel. Wenn im Film eine alte Frau am Herd stehe, könne sie kein brandneues Geschirrtuch benutzen, erklärt Hissia. All dieser Aufwand bei der Auswahl der Requisiten darf im Film aber nicht auffallen. "Das Szenenbild sollte sich zurücknehmen, die Personen stehen im Vordergrund", sagt Neudorfer. Meistens falle das Szenenbild nur dann auf, wenn mal etwas nicht passt.

Theaterfundus in Grünwald: Fünf Reihen voller Telefone - schwarz, pink, mit Wählscheibe oder Kabel: Der Leiter des Fundus, Thomas Hissia, sucht immer noch nach neuen Dingen, die seinen Fundus ergänzen. Vor allem: Modernes.

Fünf Reihen voller Telefone - schwarz, pink, mit Wählscheibe oder Kabel: Der Leiter des Fundus, Thomas Hissia, sucht immer noch nach neuen Dingen, die seinen Fundus ergänzen. Vor allem: Modernes.

(Foto: Claus Schunk)

Neudorfer ist seit 15 Jahren Szenenbildner. Er hat Architektur studiert, oft zeichnet er Pläne für den Aufbau der Räume in den Filmen. Er hat bei der Komödie "Unter deutschen Betten" mitgearbeitet, bei "Elser" und "Snowden". Bei "Snowden" war er mehr als ein halbes Jahr lang mit dem Szenenbild beschäftigt. Warum so lange, das versteht man, wenn Neudorfer von einem anderen Beispiel erzählt: Einmal drehten sie in Königsbronn, einem Städtchen in Baden-Württemberg. "Natürlich gibt es Königsbronn noch, aber es hat nichts mehr mit früher zu tun", sagt er. Deswegen bauten sie drei Wochen lang um: errichteten eine zweite Fassade, verteilten Streu auf der Straße und fällten drei Bäume. Nach dem Dreh hätten sie aber natürlich wieder neue angepflanzt.

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