Theater:Gewaltspiralen-Verweigerer

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Spielt die Figur des Arztes, der trotz des gewaltsamen Verlustes von drei Töchtern für Versöhnung wirbt, mit emotionaler Wucht: Michael Morgenstern. (Foto: Shahram MIrzaie)

Schauspieler Michael Morgenstern über seine Rolle als Palästinenser Izzeldin Abuelaish im Stück "Ich werde nicht hassen", das in Neubiberg zu sehen ist

Interview von Daniela Bode, Neubiberg

Der palästinensische Arzt Izzeldin Abuelaish hat im Gaza-Konflikt Schreckliches erlebt. Er verfiel jedoch nicht in Hass und Wut, sondern gründete eine Friedensstiftung und schrieb seine Geschichte in einem Buch auf: "Ich werde nicht hassen". Daraus ist ein gleichnamiges Theaterstück entstanden, das am Samstag, 18. November, im Haus für Weiterbildung in Neubiberg aufgeführt wird. Ein Gespräch mit Schauspieler Michael Morgenstern, der den Arzt darstellt.

SZ: Welches Gräuel musste Izzeldin Abuelaish erleiden?

Michael Morgenstern: Er kam im Flüchtlingslager Jabalia in Gaza zur Welt, konnte später in Israel als Arzt arbeiten, erlebte aber immer wieder Schicksalsschläge. Die schlimmsten waren, dass seine Frau, die immer eine Stütze für ihn war, plötzlich an Krebs starb. Ein paar Wochen später wurde sein Haus in Gaza von einer israelischen Granate getroffen - dabei starben drei seiner Töchter und eine Nichte. Er hatte sich in seinem Leben immer wieder etwas aufgebaut - aber diese Ereignisse haben ihm den Boden unter den Füßen weggezogen.

Dennoch will er nicht hassen. Wie schafft er das?

Ich glaube, es hat ihm geholfen, dass er auch in Israel viele Freunde hat und wusste, dass da nicht nur Feinde sind. Er war der erste palästinensische Arzt, der in Israel arbeitete. Er hatte eine intensive Beziehung zu seinem Chef, der ihn als einen Menschen erlebte, der versöhnlich ist und versucht, aus dem, was er ist, etwas Gutes zu schaffen. Er hatte auch einen israelischen Journalisten als guten Freund. Ich habe das Gefühl, Abuelaish hat für sich und seine Familie versucht, den Schmerz und die Wut zu überwinden. Er verweigert sich der hasserfüllten Konfrontation, indem er alle in dem Konflikt als Menschen wahrnimmt, empathisch ist.

Abuelaish kämpft für Versöhnung - hält er den Gaza-Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern für lösbar?

Er hat erkannt, er muss seinem Leben einen neuen Sinn geben. Er versuchte, einen "Apfelbaum" nach dem anderen zu pflanzen. Er ging mit seinen Kindern - er hat fünf weitere - in jüdische Gemeinden und warb für einen offenen Dialog. Er gründete eine Foundation für mittellose junge Frauen aller Rassen und Religionen aus der Region, die Bildung ermöglicht. Dies ist sein Beitrag zu einer offenen, aufgeklärten Gesellschaft. Denn Dummheit, Hass und Verwahrlosung führt zu noch mehr Dummheit, Hass und Verwahrlosung.

Sie stellen Abuelaishs Geschichte in einem Monolog dar. Wird das nicht ein eintöniger Abend?

Um Gottes willen, nein. Schon die Geschichte ist ja so eindrucksvoll. Es gibt auch witzige Situationen, wo es zum Beispiel darum geht, dass er als Kind vor einer öffentlichen Toilette in der Schlange ansteht und aufpassen muss, nicht in die Hose zu pinkeln, da es zu Hause kein fließendes Wasser gibt. Der Regisseur Ali Jalaly hat speziell auch solche Situationen herausgegriffen für die Inszenierung, weil sie das Liebenswerte an der Figur zeigen.

Wovon erzählen Sie in dem Stück?

Es ist die Lebensgeschichte von der Geburt im Flüchtlingslager bis zu dem Vorfall, bei dem die Kinder sterben. Dann folgt noch eine Szene, wo er sie begräbt und zum Frieden aufruft.

Man liest, Sie spielen mit viel Wucht. Wie haben Sie sich in das Stück eingefunden?

Hier in Europa haben unzählige Konflikte stattgefunden, das gipfelte in den zwei Weltkriegen des letzten Jahrhunderts. Die Kriege haben zu viel Leid geführt. Ich glaube, auch wenn wir selbst diese Kriege nicht erlebt haben, können wir diese Konflikte nachempfinden, wenn wir den entsprechenden Mut aufbringen.

Was fasziniert Sie an der Rolle?

Als ich auf dem Portal, auf dem Schauspielrollen ausgeschrieben sind, davon las, was Abuelaish erlebt hat, und er sich entschied, an diesem Konflikt nicht teilzunehmen, in die Gewaltspirale nicht einzusteigen, war mein erstes Gefühl: Das ist meine Rolle. Kurz darauf rief mich ein Freund an, der sagte, ,Das ist Deine Rolle'. Ich sagte, ich weiß. Dann schrieb ich einen Text dazu an den Regisseur und er wollte mich kennenlernen. Der Gedanke, dass man Konflikte überwinden kann, ist essenziell für das Leben. Das spricht mir aus der Seele.

Was kann der Zuschauer aus dem Stück mitnehmen?

Sehr viel. Es ist sehr nah am Zuschauer dran. Das Stück arbeitet nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern erzählt direkt, schonungslos und verspielt die Geschichte von Abuelaish. Es bildet das Leben in allen Facetten ab. Es ist auch eine schöne Inszenierung, ich schätze den Regisseur Ali Jalaly sehr. Wir haben ähnliche Ziele.

Wie war bisher die Resonanz des Publikums?

Eine Jüdin bedankte sich für das Stück, sagte aber, es sei einseitig. Ich erwiderte, es sei Theater und könne nicht den ganzen Konflikt abbilden. Diese eine Geschichte ist es wert, sie zu erzählen. Bei den meisten Zuschauern herrscht Betroffenheit, viele werden auch still und denken erst mal lange Zeit nach. Wenn es uns gelingt, das hinzubekommen, bin ich sehr glücklich.

Das Theaterstück "Ich werde nicht hassen" beginnt um 20 Uhr. Tickets gibt es an der Abendkasse für 18 Euro, im Vorverkauf (unter anderem in der Gemeindebibliothek) und ermäßigt für 16 Euro.

© SZ vom 10.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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