Teure Schwimmhallen:Kalte Dusche

Grünwald, Pullach, Hohenbrunn - reihum investieren die Gemeinden in den Um- oder Neubau ihrer Hallenbäder. Sie kommen damit Forderungen nach, mehr Schwimmunterricht zu ermöglichen. Doch die Kosten belasten viele kommunale Haushalte schwer

Von Irmengard Gnau

Es schlug sprichwörtlich hohe Wellen, als die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) kürzlich mit Zahlen hinterlegte, was viele Sportlehrer schon länger beklagen: Einer repräsentativen Umfrage zufolge können immer weniger Kinder im Grundschulalter richtig schwimmen. 59 Prozent der zehnjährigen Mädchen und Jungen seien keine sicheren Schwimmer, etwa ein Drittel könne überhaupt nicht schwimmen. Grund sind häufig fehlende Bäder. Deutschland, ein Land der Nichtschwimmer? Für viele eine Horrorvorstellung. "Schwimmen ist eine wichtige Kulturtechnik", betont zum Beispiel Marina Neubauer, Leiterin des Referats Chancengleichheit und gesellschaftliche Potenziale im Landratsamt München. Ihr Referat widmet sich der Aufgabe, den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Landkreis zu fördern, unter anderem durch Bildungsaktivitäten - ein Projekt, das Neubauer anstoßen möchte, ist Schwimmunterricht für Kinder im Kita-Alter.

Auch die Kommunen im Landkreis haben, so scheint es, einen Weckruf vernommen: In dieser Woche beschloss der Pullacher Gemeinderat, das in die Jahre gekommene Freizeitbad durch einen Neubau zu ersetzen. Die Gemeinde Grünwald will ihr Schwimmbad im Freizeitpark erweitern. Hohenbrunn hat sich nach heftigen Diskussionen entschieden, einem Neubau von Turnhalle und Hallenbad zuzustimmen, obgleich die voraussichtlichen Kosten von annähernd 20 Millionen Euro die Kommune stark belasten dürften. Im neuen Unterföhringer Sportpark wird ein Schwimmbad entstehen, auch für die Kommunikationszone in Garching ist eine Badeanstalt immer wieder im Gespräch.

19,5 Millionen Euro

So viel nimmt die Gemeinde Hohenbrunn für den Bau eines Schwimmbads samt Zweifachturnhalle in die Hand. Die Entscheidung des Gemeinderats war wegen der hohen Kosten am Donnerstagabend heftig umstritten. Dabei hatten die Planer sogar eine Variante für 26,5 Millionen Euro vorgelegt.

Indem sie ein Schwimmbad bereitstellen, erfüllen die Kommunen eine wichtige - viele sagen unverzichtbare - Aufgabe der örtlichen Daseinsvorsorge. Dort können Kinder schwimmen lernen, Vereine Sport treiben, Bürger sich begegnen und erholen. Gleichzeitig kosten die öffentlichen Bäder die Gemeinden aber viel Geld. Die Kommunen gleichen über ihren Haushalt jedes Jahr mehrstellige Defizite aus, damit die Bürger zu leistbaren Preisen im Becken ihre Bahnen ziehen oder planschen können. Für ihr 2013 neu eröffnetes Hallenbad rechnet die Gemeinde Ismaning beispielsweise für das Jahr 2017 mit einem Defizit von knapp 1,6 Millionen Euro. Etwa die Hälfte des Betrags entfalle auf Abschreibungen für Gebäude und technische Anlagen, erklärt Franz-Josef Loscar, Leiter der Gemeindewerke, die das Hallenbad mit etwa 20 Mitarbeitern betreiben. Die restlichen circa 800 000 Euro kommen durch laufende Kosten, etwa für Personal, Betrieb und Abnutzung zustande. "Das ist das, was Sie einfach an Verlust haben bei einem kommunalen Hallenbad", sagt Loscar. Wolle man ein Bad betriebswirtschaftlich führen, müsse man zehn Euro Eintritt oder mehr pro Person verlangen, gibt der Werkleiter zu bedenken.

Das freilich will niemand, soll doch jedermann zum Schwimmen gehen können. Für weniger vermögende Kommunen aber stellen die hohen Kosten ein echtes Problem dar. In den vergangenen zwölf Jahren mussten in Bayern mehr als 60 öffentliche Schwimmbäder geschlossen werden. Auch im Landkreis ist die Kostenfrage präsent. Der Oberhachinger Gemeinderat beschloss kürzlich schweren Herzens, die Eintrittspreise für das Bürgerschwimmen im Schwimmbad der Sportschule um 20 Prozent anzuheben, um das Defizit von zuletzt mehr als 43 000 Euro im Jahr 2016 zu verringern. Hinzu kommt: Viele der kommunalen Bäder stammen aus den Siebzigerjahren, nach Jahrzehnten der Nutzung werden nun teure Reparaturen nötig. In Hohenbrunn wurde lange um den Neubau für das alte Ozonbad in Riemerling gerungen - schließlich fallen nicht nur Baukosten in Millionenhöhe, sondern eben in Folge auch Betriebskosten an. Badefreunde aus dem Osten des Landkreises müssen nach Ismaning, Markt Schwaben, Haar oder nach München fahren, weil es in ihrer Nähe keine eigene Schwimmhalle gibt. Die Gemeinden Kirchheim, Aschheim und Feldkirchen hatten im vergangenen Jahr zwar prüfen lassen, ob sie gemeinsam ein Hallenbad errichten könnten, die Pläne aber am Ende verworfen, weil die Kosten zu hoch waren. Oberschleißheim hat zwar ein eigenes Bad, musste dieses aber zuletzt aus Personalmangel immer wieder kurzfristig schließen, sehr zum Ärger der Schwimmer.

Teure Schwimmhallen: Abtauchen bringt nichts. Die Kommunen investieren trotz enormer Kosten in den Aus- und Umbau ihrer Schwimmbäder.

Abtauchen bringt nichts. Die Kommunen investieren trotz enormer Kosten in den Aus- und Umbau ihrer Schwimmbäder.

(Foto: Claus Schunk)

Eine Alternative zu den rein kommunal betriebenen öffentlichen Bädern bildet das Naturbad Furth in Oberhaching: Das Freibad wird seit 2008 von den Mitgliedern des Vereins "Freunde Further Bad" als Bürgerbad betrieben, mit hauptamtlichen Mitarbeitern, aber vor allem viel ehrenamtlichem Einsatz. Als Vorteile ihres Modells sehen die Vereinsmitglieder, dass ihr Naturbad weder Schwankungen der gemeindlichen Kassenlage unterworfen ist, noch dass sie sich bei den Öffnungszeiten gar zu strikt an die Badesaison halten müssen. Zweiter Vorsitzender des Vereins ist Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU).

Auch Martina Neubauer vom Landratsamt hat möglicherweise eine neue Antwort auf die Herausforderung, die sich den Kommunen bei ihren Bädern stellt. Den Jüngsten im Landkreis möchte sie bei Bedarf gern mit Hilfe mobiler Schwimmbecken das sichere Fortbewegen im Wasser beibringen. "Wenn wir den politischen Auftrag für das Projekt bekommen, wollen wir im nächsten Jahr starten."

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