Telefonzellen im Landkreis:Der Letzte legt den Hörer auf

Telefonzellen im Landkreis: Öffentliche Fernsprecher sind in Zeiten von Smartphones ein Auslaufmodell.

Öffentliche Fernsprecher sind in Zeiten von Smartphones ein Auslaufmodell.

(Foto: Claus Schunk)

In Straßlach soll die einzige verbliebene Telefonzelle verschwinden. Auch andernorts im Landkreis München baut die Telekom öffentliche Fernsprecher ab. Doch die Gemeinden wehren sich.

Von Michael Morosow, Landkreis

Die erste ihrer Art in Deutschland wurde am 12. Januar 1881 in Berlin gesichtet. Ihre Population erreichte in der Bundesrepublik im Jahr 2007 mit 110 000 Exemplaren den Höhepunkt. Bis heute ist der Bestand auf unter 25 000 zusammengeschrumpft. Weil es für sie keinen Artenschutz gibt, werden bald einige wenige nur noch in Museen zu sehen sein: öffentliche Telefonzellen. Ihre Zeit läuft aus, die Entwicklung von Handys hat ihr Ende eingleitet, auch im Landkreis München. Kein Anschluss unter freiem Himmel, wird es wohl bald heißen.

Die Telekom als Betreiber drückt seit geraumer Zeit aufs Tempo, um den Abgesang zu beschleunigen. Ihr Motiv ist durchaus nachvollziehbar, kostet sie doch eine Telefonzelle monatlich circa 50 Euro Unterhalt und damit deutlich mehr als im gleichen Zeitraum vertelefoniert wird. Weil aber die Telekom als Netzbetreiber gesetzlich zur Aufrechterhaltung von öffentlichen Kommunikationsstellen verpflichtet ist, kann sie nur dann öffentliche Fernsprecher abbauen und zum Telefonzellenfriedhof im brandenburgischen Michendorf transportieren, wenn die betroffenen Kommunen keine begründeten Einwendungen dagegen vorbringen. Tun sie aber, aktuell zum Beispiel in Straßlach-Dingharting und in Sauerlach. Andere Landkreiskommunen stehen schon seit längerer Zeit in Verhandlungen mit der Telekom.

In Straßlach kämpft der Gemeinderat um die letzte Telefonzelle im Ort, gelegen zwischen dem Dorfweiher im Ortskern von Straßlach und dem "Gasthof zum Wildpark". Auch wenn es sich dabei nicht um die alte, gelbe Telefonzelle handelt, soll sie nach dem Willen von Herbert Mack als eine Art Denkmal stehen bleiben. Wie er hängt die Mehrzahl im Gremium an dem Telefonhäuschen. Gegen drei Stimmen wurde schließlich beschlossen, der Telekom Einwendungen der Gemeinde gegen den Abbau des guten Stücks mitzuteilen.

Selbiges wird auch die Gemeinde Sauerlach tun, wie sich in der jüngsten Sitzung des Bau-und Umweltausschusses gezeigt hat. Bürgermeisterin Barbara Bogner und den Ausschussmitgliedern geht es weniger um Nostalgie als um die Sicherheit der Bürger, die sie gefährdet sehen, wenn die drei Telefonzellen an der Bahnhofstraße, Tegernseer Landstraße und am Rudolf-Diesel-Ring aufgelöst würden. "Die mangelnde Frequenz sollte nicht vorrangig betrachtet werden. Vielmehr steht die Sicherheit der Bürger im Vordergrund. Nicht zuletzt soll es an den zentralen Punkten möglich sein, ohne Mobilfunkverbindung Notrufe absetzen zu können. Einem Abbau der öffentlichen Telefonstellen wird daher nicht zugestimmt", heißt es deshalb in einem Schreiben, das demnächst der Telekom zugehen wird.

"Nicht jeder hat ein Handy dabei", sagt auch der Unterhachinger Rathaussprecher Simon Hötzl; gerade im Fasanenpark, wo die Altersstruktur hoch sei. Die Gemeinde habe schon mehrmals dem Ansinnen der Telekom widersprochen, Telefonzellen im Ort abzubauen, etwa in der Parkstraße im Fasanenpark oder am Freibad. Besser gesagt: Die Telestationen, wie die Säulen mit integriertem Telefon heißen. Ein Telefonhäuschen in Unterhaching aber wird wohl noch stehen, wenn alle anderen bereits auf dem "Friedhof" in Michendorf gelandet sind: die rote Telefonzelle vor dem Rathaus, die die Gemeinde 2000 aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Partnerschaft mit der englischen Stadt Witney von den britischen Freunden geschenkt bekommen hat.

Vier Telefonzellen gibt es noch in Ottobrunn

"Das Telefonhäuschen wird tatsächlich stark frequentiert", sagt Hötzl. Immer wieder werde die Gemeinde in dieser Sache von der Telekom angeschrieben, sagt Stefan Buck, der Leiter des Bauamtes im Rathaus Ottobrunn. Vier Telefonzellen gibt es noch im Ort, mindestens zwei davon haben nach Ansicht der Telekom keine Daseinsberechtigung mehr. Der Netzbetreiber habe der Gemeinde bereits 2016 mitgeteilt, dass die öffentlichen Fernsprecher an der Rosenheimer Landstraße und der Wilhelm-Busch-Straße nur sehr selten genutzt worden seien, die monatlichen Einnahmen deutlich unter der 50-Euro-Marke blieben. Man sei so verblieben, dass die beiden Telefonzellen abgebaut würden, wenn auch im Folgejahr kaum Einnahmen generiert werden, berichtet Buck. Seither habe man von der Telekom - zum Glück - nichts mehr gehört.

In Unterschleißheim hat der Netzanbieter aktuell sieben von aktuell 17 Telefonzellen ins Visier genommen, nachdem er laut Rathaussprecher Thomas Stockerl bereits 2013 einige abgebaut hat. Die Stadt habe diesem Ansinnen zwar widersprochen, "aber die Telekom ist nicht an die Stellungnahme der Stadt gebunden und wir haben die Meldung, dass die sieben Telefonhäuschen trotzdem abgebaut werden". Die Sicherheit der Bürger sei aber dennoch nicht gefährdet, verblieben doch noch zehn Telefonzellen im Stadtgebiet. Zudem habe die Stadt an mehreren Standorten Defibrillatoren eingerichtet, von denen sich Notrufe absetzen ließen. Die Telekom ließ übrigens eine SZ-Anfrage unbeantwortet.

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