Taufkirchen:Zone mit Familienanschluss

Taufkirchen: Flüchtlinge, Paten vom Asylhelferkreis und Gemeinderäte eröffneten die interkulturelle Begegnungsstätte in der Linden-Passage.

Flüchtlinge, Paten vom Asylhelferkreis und Gemeinderäte eröffneten die interkulturelle Begegnungsstätte in der Linden-Passage.

(Foto: Claus Schunk)

Die interkulturelle Begegnungsstätte in Taufkirchen soll eine Art Wohnzimmer für Flüchtlinge werden

Von Cristina Marina, Taufkirchen

Mahdi hat seine Haare blond gefärbt. "Seht mal her, ich bin jetzt auch Deutscher", ruft er. "Das sieht wohl eher nach Donald Trump aus", antwortet jemand. Mahdi versteht Spaß - der 21-Jährige aus Afghanistan fühlt sich hier unter Freunden. Etwa siebzig Personen sind zur Eröffnung der "interkulturellen Begegnungsstätte" in die Linden-Passage gekommen. Die meisten von ihnen gehören dem Helferkreis Asyl an, aber auch einige Bewohner der Flüchtlingsunterkünfte und Gemeinderäte sind da.

Mit anderen jungen Flüchtlingen zusammen hat Mahdi bei der Renovierung der neuen Räume geholfen - sie haben die Wände der ehemaligen Arztpraxis gestrichen. Der Asylhelferkreis in Taufkirchen bekam die Räume mietfrei zur Verfügung gestellt. Die Nebenkosten soll das Landratsamt übernehmen. Und der Bund spendete über eine Initiative für ländliche Entwicklung 8100 Euro zur Ausstattung mit Waschmaschine, Spülmaschine, Backofen, zwei Computern und einem Drucker. "In Zone" - der Name erinnert an ein Album von Britney Spears - soll zu einem Treffpunkt für Alteingesessene und neu Zugewanderte werden, vor allem aber den Bewohnern der Flüchtlingsunterkünfte einen geregelten Alltag ermöglichen. Denn gerade die älteren "Feel-Home-Häuser" besäßen kein "Wohnzimmer", berichtet Walter Albrecht, Leiter des Asylhelferkreises. Die jungen Menschen teilen sich eine Wohnung zu acht; in einem Zimmer wohnen sie zu viert. An sich nichts Ungewöhnliches, sei es in ihren Heimatländern oft auch nicht anders gewesen, doch jetzt haben sie mehr und schwierigere Aufgaben zu meistern. Die meisten Flüchtlinge gehen inzwischen auf die Berufsschule und arbeiten nebenbei auch schon, um ihre Chancen auf eine Ausbildung zu erhöhen. Zudem treffen sie ihre "Paten" aus dem Helferkreis regelmäßig.

Eine solche Patin ist Alexandra Kraus. Die 46-jährige Lehrerin an der Förderschule hat vor zweieinhalb Jahren den etwa 40 Jungs aus Afghanistan und Pakistan das Lesen und Schreiben beigebracht. Inzwischen habe Kraus' Tochter "viele große Brüder". Als die Schwester einer der Jungs bei der Geburt im Heimatland starb, nahm Kraus an der Trauerfeier teil. "Es war ihnen wichtig" - denn sie seien Familie geworden, sagt Kraus. Auch für Mahari Tesfu aus Eritrea sei sein Pate mittlerweile wie ein Vater. Michael Schanz hat ihm im April vergangenen Jahres ein Zimmer im Dachgeschoss seiner Wohnung vermietet. "Im Heim konnte ich mit so vielen Leuten um mich herum nicht lernen", sagt Tesfu. Jetzt sei alles "viel, viel, viel besser". Tesfu macht gerade seinen Mittelschulabschluss, sieben Monate hat er im Biergarten gejobbt: ein Junge, dessen Lebensfreude ansteckend wirkt. Doch mit 14 sei er aus Eritrea geflohen, in den vier Jahren auf der Flucht habe er im Gefängnis in Libyen Schlimmes erlebt. "Sie haben uns so geschlagen", dass seine Unterarme immer noch schwarz-weiße Spuren zeigten. "Die Menschen hier wissen nicht, was dort passiert. Aber ich war da."

Tesfu, der nach zwei Jahren in Deutschland die Sprache nahezu perfekt spricht, träumt davon, eines Tages "sein Ziel zu erreichen": einen Beruf ergreifen. Mahdi, der blonde Afghane, wünscht sich Ähnliches: "Hier bleiben dürfen, eine gute Ausbildung machen, Geld verdienen und in Ruhe leben - ohne Krieg, ohne Bedrohung".

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