Taufkirchen:Reden auf Rädern

Taufkirchen, Chris Weitz fährt den  Senioren-Shuttle, Foto: Angelika Bardehle

Chris Weitz und zwei Kollegen fahren den Taufkirchner Senioren-Shuttle.

(Foto: Angelika Bardehle)

Die Gemeinde Taufkirchen leistet sich einen eigenen Fahrdienst für Senioren. Die Mitarbeiter am Steuer haben genug Zeit, um mit ihren Passagieren ein Schwätzchen zu halten. So merken sie im Idealfall auch früh, wenn alte Menschen nicht mehr alleine zurechtkommen.

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Kurz vor halb neun, ein sonniger Donnerstagmorgen und wenig los auf den Straßen in Taufkirchen. Chris Weitz setzt den Blinker und lenkt den roten VW-Bus an die Seite. Es ist Zeit, bei den Leitners (alle Namen der Fahrgäste geändert) durchzuklingeln. "Guten Morgen, Frau Leitner, hier ist die Frau Weitz vom Fahrdienst Taufkirchen. Ich bin in fünf Minuten da."

Der Tonfall ist freundlich, fast fröhlich. Die Stimme ruhig. Chris Weitz lässt sich nicht hetzen, nicht beim Fahren, nicht beim Telefonieren. Ruhe bewahren ist ihr oberstes Prinzip, "damit weder ich noch meine Fahrgäste gestresst werden", sagt sie. Als Herr Leitner, den sie jeden Donnerstag zur Tagespflegegruppe fährt, neben ihr Platz genommen hat, plaudern die beiden noch ein wenig über das Wetter und über Physikaufgaben. Herr Leitner ist pensionierter Lehrer.

Dann startet Weitz wieder den Motor und bricht Richtung Taufkirchen am Wald auf, um einen weiteren Fahrgast abzuholen. Kommunikation ist ihr wichtig, von der Hektik anderer Autofahrer lässt sie sich nicht nerven. "Wir haben es nicht eilig, Herr Leitner", lässt sie den älteren Herren auf dem Beifahrersitz wissen. Der lächelt und nickt zufrieden.

Taufkirchen, Rathaus, Nico Heck koordiniert den Senioren-Shuttle, Foto: Angelika Bardehle

Nico Heck koordiniert den Service vom Rathaus aus.

(Foto: Angelika Bardehle)

Chris Weitz und zwei weitere Fahrer verschaffen seit gut einem Jahr im Dienst der Gemeinde Taufkirchen Bürgern ein Stück Mobilität und gleichzeitig auch Ansprache. Die meisten Fahrgäste sind Senioren. Sie müssen zum Arzt, zum Einkaufen oder in eine Betreuungsgruppe für Demenzkranke. Solche Fahrdienste gibt es in allen 29 Gemeinden im Landkreis München. Nur unterscheiden sie sich deutlich in ihren Angeboten.

Fahrdienste gibt es auch in den anderen Gemeinden. Aber nicht mit diesem Angebot

Taufkirchen gilt als Vorbild, denn das Angebot der Gemeinde ist nicht auf bestimmte Uhrzeiten oder Ziele beschränkt, wie es mitunter vorkommt, wenn Nachbarschaftshilfen oder Seniorentreffs solche Fahrten übernehmen. "Wir als Kommune sind frei und können die Leute überall hinfahren", sagt Andreas Bayerle, Koordinator für soziale Aufgaben der Gemeinde, der den Service mit seiner Abteilung entwickelt hat.

Vorausgegangen war ein seniorenpolitisches Konzept für Taufkirchen und der daraus resultierende Wille, einen gut funktionierenden Fahrdienst für ältere Bürger zu schaffen. "Denn Mobilität ermöglicht Teilhabe am gesellschaftlichen Leben", sagt Bayerle. Daher geht es nicht nur um Arztbesuche, nicht nur um Pflichttermine, sondern auch um Kultur, um Sport, um Freizeitgestaltung.

Wer eine Karte für eine Veranstaltung im Ritter-Hilprand-Hof kauft, kann den Fahrdienst dazubuchen. Wer ins Schwimmbad will, ins Kino oder zum Picknick, wird von Chris Weitz oder ihren beiden Kollegen Ralph Ziegler und Talha Barut gefahren und wenn nötig auch spät abends oder am Wochenende wieder abgeholt. Manche sind froh, wenn sie einfach nur mitfahren und reden dürfen.

Auch das ist kein Problem. "Der Bedarf ist groß", sagt Bayerle und verweist auf die Altersstruktur der Gemeinde. 30 Prozent der Taufkirchner sind über 65, 1222 über 80 Jahre, sechs sogar über 100 Jahre alt. "Jetzt haben wir endlich Sommer, Frau Lenz", sagt Chris Weitz, als sie der alten Dame im Rollstuhl mit der Hebebühne in den Bus hilft. "Jaja", sagt Frau Lenz, "und ich fahre zum Zahnarzt."

Zum Zahnarzt und zum Eisessen

Es klingt nicht verbittert, die Seniorin lacht. "Frau Lenz, wir fahren Sie auch zum Eisessen", schlägt Chris Weitz vor. "Ja, das wäre mal was, das machen wir. Wie gut, dass ich Sie habe." "Wie gut dass wir Sie haben, Frau Lenz", gibt Weitz das Kompliment zurück. "Ihre Fröhlichkeit bereitet mir immer wieder Freude." Man merkt Weitz an, dass sie diesen Job gerne macht, dass sie es ernst meint, wenn sie sagt: "Ich arbeite für das Sozialreferat, und so verstehe ich sozial."

Nach einem Jahr Erprobungsphase spricht Sozialkoordinator Bayerle zwar davon, dass sie sich noch immer im der konzeptionellen Findung befänden. In einem Punkt ist er sich allerdings sicher:"Wir hatten das große Glück, Fahrer zu finden, die einen richtig guten Job machen." Denn wichtig sei vor allem der Kontakt zu den Menschen. "Es geht auch ums Kümmern", sagt Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei). Es sei sehr hilfreich, wenn die Fahrer eine Antenne für die Anliegen und Probleme der älteren Mitbürger hätten. Merkten sie etwa, dass Senioren nicht mehr allein in ihrem Haushalt zurechtkommen und dringend Hilfe benötigten, werde rasch der Kontakt zum Seniorenbeauftragten im Rathaus, Florian Schreyer, aufgenommen.

Bis zehn Kilometer kostet die Fahrt zwei Euro

Der rote Bus der Gemeinde fährt die Senioren überwiegend zu Zielen innerhalb Taufkirchens, aber auch in die Nachbargemeinden. Fahrten nach München sind möglich. Zwei Euro kostet eine Strecke bis zehn Kilometer, bis 15 zahlt man drei und bis 20 Kilometer fünf Euro. Bei besonders wichtigen Anlässen bringen die Fahrer die Taufkirchner auch zu noch weiteren Zielen. Kostendeckend arbeitet der Fahrdienst nicht. Laut Bayerle legt die Gemeinde jeden Monat etwa tausend Euro drauf, 30 000 sind als Defizit im Jahr eingeplant.

Die Zahl derer, die den Fahrdienst in Anspruch nehmen, nimmt derzeit noch weiter zu. Vieles sei Mundpropaganda. "Oft melden sich die Leute bei mir, weil sie von Bekannten von dem Service erfahren haben", sagt Nico Heck, der im Rathaus die Anrufe der Fahrgäste entgegennimmt und den Terminplan erstellt. Allerdings versucht die Gemeinde auch vermehrt über Ärzte, Apotheken, den Seniorentreff und Kultur-Angebote für finanziell Schwächere Kontakt zu den älteren Mitbürgern aufzunehmen. "Etwa 50 Prozent haben wir schon erreicht", schätzt Bayerle. Die Gemeinde denkt bereits über ein zweites Fahrzeug nach. Bürgermeister Sander verspricht: "Wenn der Bedarf so weitergeht, dürfte das kein Problem sein."

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