Afrika in Taufkirchen:Blick hinter die Maske

Afrika in Taufkirchen: Beim Betreten des Kulturzentrums stimmten Masken aus dem internationalen Maskenmuseum von Michael Stöhr in Diedorf bei Augsburg den Besucher auf die Afrikatage ein.

Beim Betreten des Kulturzentrums stimmten Masken aus dem internationalen Maskenmuseum von Michael Stöhr in Diedorf bei Augsburg den Besucher auf die Afrikatage ein.

(Foto: Claus Schunk)

Ein Kontinent fasziniert und bewegt: Politische Filme, Weltmusik und exotisches Essen - die Afrikatage in Taufkirchen erleben großen Zuspruch und zeigen, warum viele Menschen nach Europa fliehen.

Von Anna Hordych, Taufkirchen

Hölzerne Masken aus Nigeria und dem Kongo empfangen den Besucher in der Eingangshalle; gerade so, als würden sie einem entgegenblicken, mit ihrer fremden, irritierenden Ästhetik. An diesem Wochenende sind Afrikatage im Kulturzentrum Taufkirchen. Besucher begeben sich auf eine Expedition zum fernen Kontinent. Bei einem dreitägigen Afrikamarathon mit Vorträgen, Musik und Filmen lernen sie im Taufkirchner Kulturhaus viele Facetten Afrikas kennen.

Betritt man den großen Saal, fallen die Ausstellungstische ins Auge, auf denen handgefertigte Schätze aus Afrika ausliegen. Schmuck, Skulpturen, Informationsbroschüren werden von ehrenamtlichen Organisationen wie "BeadforLife" oder der "Ruandahilfe" angeboten. Auch die Solarfirma "Solux" aus Taufkirchen ist vertreten, sie setzt sich für den Energiegewinn in Entwicklungsländern ein.

Neben politischen Themen wie Flucht steht die Kultur Afrikas im Mittelpunkt

Christiane Hans aus Taufkirchen ist zum wiederholten Mal im Kulturzentrum, sie vertritt seit 35 Jahren die "Ruandahilfe SDB". Die Organisation versucht, Kindern und Jugendlichen einen eigenständigen Weg aus der Armut zu eröffnen. Seit dem Genozid im Jahr 1994 ist Hilfe besonders vonnöten. "Das Interesse der Leute hier ist groß", berichtet Hans. Sie habe bereits Bücher zur Jugendhilfe in Ruanda verkauft.

Am Abend zuvor glaubte sie für einen Moment, ihr Patenkind aus Ruanda auf der Leinwand zu sehen. Einer der Protagonisten aus Miriam Faßbenders Dokumentation "Fremd" sah ihm "so unfassbar ähnlich". Der Film zeigt die Flucht zweier Männer aus Westafrika nach Europa. "Es ist mir sehr unter die Haut gegangen, wie die Schlepper jeden ausnehmen und wie sich die Flüchtenden dem Hungertod nahe zur nächsten Station kämpfen", sagt Hans sichtlich bewegt.

Auch am Samstagabend zeigt das Kongresszentrum einen Film; die "Wüstenblume", nach dem gleichnamigen autobiografischen Roman des Models Waris Dirie. Auf der Saalbühne kündigt Silvia Engelhardt von der Volkshochschule gemeinsam mit Klaus Franke den "kulturellen Teil der Afrikatage" an, "nachdem wir politische Themen mit einem Hauptaugenmerk auf Flucht und Vertreibung behandelt haben". An dieser Stelle sollte man aber nicht folgern, dass deshalb leichte Unterhaltung den Abend versüßen wird.

Afrika in Taufkirchen: Adjiri Odametey aus Ghana brachte afrikanische Weltmusik nach Taufkirchen.

Adjiri Odametey aus Ghana brachte afrikanische Weltmusik nach Taufkirchen.

(Foto: Claus Schunk)

Der Film "Die Wüstenblume" berührt viele Besucher

Der Film "Wüstenblume" ist ob seines szenischen Erzählens nicht weniger politisch als die Dokumentation des vorigen Abends. Erzählt wird der Lebensweg von Waris Dirie, die aus dem Nordosten Afrikas stammt und mit 13 Jahren - bei der Aussicht auf eine Zwangsheirat und ein Leben in Unterdrückung - aus Somalia floh. Jahre später wird Dirie in London als Fotomodel entdeckt, und erobert in rasantem Tempo die Laufstege Europas und der USA.

Außer ihrem kometenhaften Aufstieg in der Modewelt rückt Diries Vergangenheit als Nomadin in den Vordergrund des Films - mit drei Jahren erfuhr sie eine grausame Genitalverstümmelung. Die junge Frau konnte ihre Medienwirkung nutzen und auf die grausame Praxis der Beschneidung aufmerksam machen. Als erste Frau machte sie die barbarische Tradition zum Politikum, so beschrieb sie das Elend der traumatisierten Frauen vor der UN-Vollversammlung. Fakt ist, dass Hunderte Millionen von Frauen aus Afrika diese Praxis der Beschneidung gegenwärtig nach wie vor erleiden.

"Es war bedrückend, wir hatten den Film noch nicht gesehen", kommentiert Besucher Manfred Kaiser die Vorführung. Er steht in einer losen Gruppe von drei, vier Leuten. Ob sie wegen des Films gekommen sind? Bei Manfred Kaiser überwiegt ein anderer Grund: "Das Essen", sagt er, und gibt schmunzelnd noch zu Protokoll: "Aber gerade die Dreierkombination aus Band, Film und kulinarischen Highlights aus Afrika ist stark." Neben ihm steht Inge Schneider-Wallrapp, sie sagt frei heraus: "Ich bin wegen der Band hier."

Adjiri Odametey aus Ghana verbindet westafrikanische Musik mit Jazz und Pop

Angekündigt ist ein Auftritt des westafrikanischen Musikers Adjiri Odametey. Der Singer-Songwriter stammt aus Ghana und verbindet westafrikanische Musik-Tradition mit modernen Stilrichtungen. "Seit acht, neun Jahren touren wir nun schon durch Europa", berichtet Odametey auf Englisch, "die Wurzeln traditionell afrikanischer Musik sind der Unterbau, aber wir verbinden diese Basis mit Jazz und Pop. Außerdem nutzen wir moderne Instrumente, wie die Bassgitarre." Man könne nicht erwarten, dass die Leute zu seinen Songs tanzten, "aber wie ich aus Erfahrung weiß, wippen viele auf den Stühlen ein wenig hin und her", sagt Odametey.

Die Tische sind voll besetzt und als später die Musik beginnt, brennen Kerzen und verbreiten ein schummriges Licht. Im hinteren Bereich suchen neu eintreffende Besucher nach freien Stühlen. "Vorangemeldet hatten sich gerade mal 25 Gäste", berichtet Engelhardt, "wir wussten nicht, dass uns so ein Zuspruch erwartet."

Das Interesse an Afrika ist groß. Am vorhergehenden Abend sahen sich 140 Leute den Film "Fremd" an. Ryan Kissa aus Uganda stand im Anschluss auf der Bühne. Er spielte ein Lied auf der Gitarre. Am Samstag ist er wieder da, er sitzt inmitten einer Gruppe junger Leute. "Never forget, we're all one blood", sagt er und lächelt munter.

Afrika in Taufkirchen: Wer sich wie Eva Orth für afrikanischen Schmuck interessierte, wurde von Frau Stahl beraten.

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(Foto: Claus Schunk)
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