Tassilo-Kandidat 2016:Zwischen Schreien und Hauchen

Tassilo-Kandidat 2016: Wollen hoch hinaus: Die Jungs von Sound Injection haben nach Erfolgen bei Band-Wettbewerben und etlichen Konzerten 2015 ihr erstes Album aufgenommen.

Wollen hoch hinaus: Die Jungs von Sound Injection haben nach Erfolgen bei Band-Wettbewerben und etlichen Konzerten 2015 ihr erstes Album aufgenommen.

(Foto: Claus Schunk)

Die Band "Sound Injection" integriert allerlei musikalische Spielarten und Emotionen in ihren Stil. Die fünf jungen Mitglieder träumen davon, einmal von ihrer Leidenschaft leben zu können.

Von Christina Hertel, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Musik verbindet. Und halb freudig, halb aufgeregt zusammen auf der Bühne zu stehen verbindet erst recht. Was sind da 800 Kilometer Entfernung? Ben Hutchison-Bird, der Sänger von Sound Injection, studiert gerade in Amsterdam, seine Band aber lebt im Landkreis München. Zusammen Songs zu schreiben, aufzutreten und zu proben, ist aufwendiger geworden, aber nicht unmöglich.

"Die Jungs überlegen sich hier die Musik und ich schreibe dann den Text dazu", sagt Hutchison-Bird. Er ist schlaksig, trägt Röhren-Jeans, rote Chucks und, obwohl die Sonne scheint, eine schwarze Mütze. Betont lässig sitzt er da, Zigarette in der Hand. Der Name Ben Hutchison-Bird ist übrigens nicht ausgedacht, um noch ein bisschen bandmäßiger rüberzukommen - seine Eltern sind Engländer und wegen der Arbeit nach Höhenkirchen-Siegertsbrunn gezogen.

Der alte Name war schon vergeben

Auf ihrer Terrasse sitzen er und seine Bandkollegen Marco Eckl, Tom Patchett, Mike Sigl und Elias Bohatsch. Auf dem Gartentisch stehen Cola und Pommes in roten Papiertüten. In etwas anderer Besetzung gibt es die Band seit 2013. Damals spielten sie noch unter dem Namen Kingsize. Aber dann flatterte plötzlich ein Schreiben eines Musikmanagers ins Haus, der ihnen mit rechtlichem Ärger drohte, sollten sie sich nicht umbenennen - Kingsize war schon vergeben. Nach wochenlangem Grübeln kam Sound Injection heraus. "The Injection haben wir uns auch mal überlegt, aber das war uns dann zu punkmäßig", sagt Mike Sigl, 21 Jahre alt, Lederjacke, Lockenkopf.

Nach Punk klingt ihre Musik auch nicht. Doch in welche Stilrichtung sie passt, ist schwer zu sagen. Eine Mischung aus Rock, Funk, Jazz, Blues und Reggae steht auf ihrer Website. Tatsächlich klingt jedes Lied ein bisschen anders. "Wir hören alle die Red Hot Chili Peppers. Die haben uns sicher geprägt, aber jeder bringt seinen eigenen Sound mit rein", erklärt Sigl. Er ist mit Musik groß geworden. Sein Vater spielte Schlagzeug in einer Coverband, die auf Hochzeiten und Festen auftrat.

Die Band löste sich schon vor Jahren auf und anders als der Vater lernte Sigl Gitarre und nicht Schlagzeug. Die Schwester erzählte ihm, dass Jungs mit Gitarren doch viel cooler seien. Und welcher Jugendliche möchte nicht zumindest ein bisschen verwegen wirken? Trotzdem hat Sigl den Vater immer im Hinterkopf: "Ihn zufriedenzustellen, treibt mich an." Die beiden verbindet nicht nur die Musik, auch in seiner Dachdeckerfirma arbeitet Sigl junior mittlerweile mit.

Wenn der Sänger Hutchison-Bird zu Hause ist, proben sie im Keller seiner Eltern, manchmal stundenlang. Für heute hat sich die Band vorgenommen, dort zu übernachten und an neuen Songs zu arbeiten. Der Keller sieht aus, wie man sich einen Proberaum vorstellt. Schwarzes Ledersofa, Schlagzeug, jede Menge Gitarren und Verstärker. An den Wänden hängen Plakate von Auftritten, aber noch mit dem alten Namen Kingsize.

Bevor es mit der Probe losgeht, muss erst einmal alles angeschlossen und angestöpselt werden, das dauert eine Weile. Nur Sänger Hutchison-Bird hat nichts zu tun. Ein Zustand, der ihm eigentlich nicht liegt. "Ben ist der Hyperaktive bei uns", sagt Eckl. Er spielt ebenfalls Gitarre und hat das Logo der Red Hot Chili Peppers, einen achtzackigen Stern, auf sein em Oberarm verewigt. Im bürgerlichen Leben ist der 20-Jährige Buchhalter.

Sobald die ersten Akkorde erklingen, springt Hutchison-Bird herum, wippt im Takt, hält sich am Mikrofonständer fest. Dass er nicht auf der Bühne, sondern in einem Keller steht, scheint er völlig ausgeblendet zu haben. Erstaunlich ist, was für eine Stimme aus dem dünnen, jungenhaften Mann herauskommt. Manchmal scheint er die Wörter herauszuschreien, dann wieder fast zu hauchen. Gesangsunterricht nahm Hutchison-Bird nie. Auch Eckl ist Autodidakt. Gitarrenspielen lernte er mit Youtube-Videos. Notenlesen kann er immer noch nicht, aber er hat auch nicht das Gefühl, das zu brauchen.

Obwohl alle erst um die 20 Jahre alt sind, hört sich ihre Musik keinesfalls nach Schülerband an - und zwar live nicht und auf ihrem Album erst recht nicht. Im März 2015 haben sie es aufgenommen und fast ein Jahr daran herumgebastelt. Sie hatten dafür einen professionellen Tontechniker, 3500 Euro hat das Ganze gekostet. Ein Freundschaftspreis, aber trotzdem viel Geld für fünf junge Kerle. "Ich habe mein Sparkonto geplündert", sagt Tom Patchett, der Bassist. Auch sein Oberarm wird für immer mit einer Band verbunden sein: Der Nirvana-Smiley mit den zwei "X" als Augen und der heraushängenden Zunge ist darauf tätowiert.

Die Konzerte sind seltener geworden

Bevor Hutchison-Bird vor eineinhalb Jahren für sein Musikmanagement Studium nach Amsterdam zog, hatte die Band etwa jede zweite Woche einen Auftritt und bei den Band-Wettbewerben "Rising Heroes" und "Running for the Best" erreichte sie jeweils das Finale. Die Konzerte sind nun seltener geworden, aber im Juni spielen sie etwa auf dem Streetlife Festival in München. Ohne Hutchison-Bird weiterzumachen, daran denken sie zur Zeit nicht. Alle schätzen seine Texte. Sie sind eine Mischung aus erfundenen Geschichten und persönlichen Erfahrungen.

Ein Lieblingsthema ist der Tod. "Ich bin kein selbstmordgefährdeter Mensch oder so, aber das ist einfach eine Sache, über die es viel zu erzählen gibt", sagt er. Zudem seien ja nicht alle Lieder so düster. In "Heading to New York" etwa geht es um eine Band, die in den Big Apple reist und dort berühmt wird. Eines Tages von der Musik leben zu können, ist auch ein Traum, den die Fünf haben.

Bis dahin scheint es aber noch ein langer Weg. "Laut Spotify hören uns zurzeit um die 45 Leute", sagt Elias Bohatsch, der Schlagzeuger. Und in New York waren sie auch noch nicht zusammen. Gereicht hat es bislang für Rock im Park, aber da war der Sänger nicht mit dabei. "Du bist ja nie da", meint Patchett zu ihm, es klingt nicht vorwurfsvoll. "Ah, ich vermisse euch doch auch", sagt er. Eventuell wird die Band bald mehr Zeit zusammen verbringen können: Hutchison-Bird überlegt, sein Studium abzubrechen und wieder zurückkommen.

Wie die Musik von Sound Injection klingt, hören Sie hier.

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