40 Jahre Gebietsreform:Kleine Scharmützel

40 Jahre Gebietsreform: Vier vereint: Wie hier die Reiter beim traditionellen Argeter Dreikönigsritt gehen auch die ehemals getrennten Ortschaften Arget, Altkirchen, Lanzenhaar und Sauerlach mittlerweile überwiegend gemeinsame Wege.

Vier vereint: Wie hier die Reiter beim traditionellen Argeter Dreikönigsritt gehen auch die ehemals getrennten Ortschaften Arget, Altkirchen, Lanzenhaar und Sauerlach mittlerweile überwiegend gemeinsame Wege.

(Foto: Claus Schunk)

Die Fusion von Altkirchen, Arget und Lanzenhaar mit Sauerlach ging lautlos über die Bühne. Doch unterschwellig bestehen bis heute Rivalitäten

Von Michael Morosow

Vor drei Jahren war Feuer unterm Dach der Freiwilligen Feuerwehr Altkirchen. Die Einsatzkräfte sollten die bayerischen Rauten auf ihren Ärmelabzeichen durch das Sauerlacher Wappen ersetzen, dessen zentrales Element ein Eberkopf mit goldenen Hauern ist. "Nein", sagte die Mehrheit des Feuerwehrvereins in einer extra einberufenen Mitgliederversammlung.

40 Jahre Gebietsreform: Manchmal gibt es aber noch Dissonanzen: etwa beim Wappen der Feuerwehr.

Manchmal gibt es aber noch Dissonanzen: etwa beim Wappen der Feuerwehr.

(Foto: Claus Schunk)

So weit geht die Liebe der Altkirchner zur Muttergemeinde Sauerlach nun auch wieder nicht. Bürgermeisterin Barbara Bogner (UBV) hat die Weigerung nicht als Affront gewertet. So sind sie halt, die Altkirchner, ein ganz eigener Menschenschlag, ein anderer jedenfalls als die Sauerlacher, die wiederum ganz anders sind als die Argeter. Und alle wollen sie ihre Eigenständigkeit bewahren, allen voran die Altkirchner.

Seit dem 1. Mai 1978 gehören sie zusammen, die Altgemeinde Sauerlach, die bis 1972 im Landkreis Wolfratshausen zuhause war, die bis zur Gebietsreform selbständige Gemeinde Arget, der kleine Ortsteil Lanzenhaar, der bis zur Fusion zu Brunnthal gehörte, sowie Eichenhausen, das heute unter Altkirchen läuft. Alle zusammen bilden heute die flächenmäßig größte Gemeinde im Landkreis München.

"Es ist von Anfang an alles gut gelaufen."

Sind die vier Partner heute ein echtes Team mit echtem Mannschaftsgeist? Vor Kurzem erst habe sie ein Treffen mit alten Bürgermeistern und anderen Zeitzeugen gehabt, berichtet Bürgermeisterin Bogner. Die allgemeine Einschätzung sei gewesen: "Es ist alles von Anfang an gut gelaufen." Aber auch vier Jahrzehnte später gibt es immer noch drei Feuerwehren, zwei Sportvereine, drei Schützenvereine, drei Burschenvereine und drei Jagdgenossenschaften.

40 Jahre Gebietsreform: Lochhofen gehört ebenfalls zur Gemeinde Sauerlach.

Lochhofen gehört ebenfalls zur Gemeinde Sauerlach.

(Foto: Claus Schunk)

Zu den alten Zeitzeugen gehört auch Oskar Zimmermann, der 1978 zweiter Bürgermeister der Gemeinde Arget und stellvertretender Vorsitzender des SV Arget war. "Nicht mit Hurra, aber langsam" wachsen seiner Meinung nach die Ortsteile zusammen, wie auch die beiden Sportvereine. "Das ist so wie zwischen den Sechzigern und dem FC Bayern München", sagt der Architekt. Bei Fußballderbys sei es immer schon hoch hergegangen. Auch Zimmermann spricht von verschiedenen Menschenschlägen, die 1978 unter ein gemeinsames Dach kamen. Und natürlich habe man in Arget und vor allem in Altenkirchen Angst davor gehabt, seine Selbständigkeit zu verlieren, klein gehalten zu werden, wenn nicht übervorteilt.

Es sei zum Beispiel geargwöhnt worden, dass nach der Gebietsreform die Muttergemeinde Sauerlach zuerst alle Straßen auf ihrer Flur ausbauen oder herrichten werde. "Da haben wir kurz davor noch Straßen in Arget in Ordnung gebracht", erinnert sich Zimmermann.

"Die Argeter haben Schulden mitgebracht", sagt Walter Gigl (CSU), von 1996 bis 2008 Sauerlacher Bürgermeister und "damals jung und frech", wie er heute sagt. Lautlos sei der Zusammenschluss über die Bühne gegangen, weil alle gewusst hätten, dass eh nichts zu ändern sei. "Die Altkirchner haben gar nicht bis 1978 gewartet", sagt Gigl. Schon zwei Jahre zuvor hätten sie sich freiwillig mit Sauerlach zusammengeschlossen, "damit sie es hinter sich haben". Bedingung sei gewesen, dass das alte Altkirchner Schulhaus für die Vereine erhalten bleiben müsse. Recht viel mehr sei nicht auf dem einen Blatt Papier gestanden, auf dem die Vereinbarung von 1976 Platz gefunden hatte.

Die Zeit heilt wohl alle Wunden

Hinter den Kulissen hat es freilich schon ein paar Scharmützel gegeben, wobei es eigentlich nie um Parteizugehörigkeit, sondern um Personen gegangen sei. So etwa konnten der Argeter Bürgermeister Josef Kahlhofer und der Sauerlacher Wortführer Gottfried Reiser (beide CSU) gar nicht miteinander. "Der Kahlhofer wollte Bürgermeister von Sauerlach werden, der Reiser wollte das unbedingt verhindern, das war sein erstes Ziel" erinnert sich Gigl. Am Ende feierten Kahlhofer und die Argeter CSU einen Überrumpelungserfolg: Unbemerkt von den Sauerlacher Parteifreunden erhöhte die Argeter CSU ihren Mitgliederbestand erheblich, "und bei der Aufstellungsversammlung waren sie alle da und der Kahlhofer hat gewonnen - und wurde dann auch Bürgermeister".

Wenn es noch alte Rivalitäten als Folge der Gebietsreform gibt, dann heilt wohl die Zeit alle Wunden, glaubt wenigstens Bürgermeisterin Barbara Bogner. 1978 habe Sauerlach mit allen Ortsteilen circa 4500 Einwohner gehabt, heute etwa 8500. "Das heißt, fast die Hälfte sind Neubürger, dadurch verschwinden allmählich die Eigenheiten der Ortsteile", sagt Bogner. Im Falle eines Ortsteils wird das freilich noch etwas dauern. "Altkirchen hat eine unheimlich enge Dorfgemeinschaft", sagt Bogner und meint damit die Tatsache, dass die circa 400 Altkirchner zwar zumeist recht gut können mit den anderen, lieber aber unter sich bleiben. Altkirchen hat bis heute seine kulturelle Eigenständigkeit bewahrt. Fest zu machen zum Beispiel an den Altkirchner Burschen, deren Vorsitzender Alexander Roth auf die Frage, ob das Verhältnis zu den Argeter und Sauerlacher Burschen gut sei, antwortet: "Da fehlt sich nix, aber wir sind halt eher Richtung Endlhausen orientiert."

Die Sauerlacher und Argeter Burschen haben dagegen schon enger Bande geknüpft. Früher habe es mal Feindschaften gegeben, "die sind heute alle geklärt, wir sind Spezies untereinander, leihen uns gegenseitig die Sachen aus, und die Argeter haben uns sogar beim Hüttenbau geholfen", sagt Andreas Sturm, Sauerlacher Burschenchef. Auch die Altkirchner würden helfen, aber die seien schon ein wenig eigen, gar nicht im negativen Sinne, wie Sturm zu verstehen gibt. "Altkirchen ist ganz anders als Arget", sagt auch die Bürgermeisterin, und auch sie will das nicht negativ verstanden wissen.

Was in Altkirchen "anders" ist, das ist eine bis heute geprägte Dorfgemeinschaft mit ihren vielen Gruppen, die Volks- und Kirchenmusik pflegen und bei jeder Gelegenheit zum Feiern und Musizieren zusammenkommen. Altkirchen ist "durch Zuzug nicht verfremdet", sagt Bogner. Die Bewohner eines kleinen Neubaugebietes nennt man hier die "Neukirchler".

Dafür sind die Altkirchner mittlerweile Mitglied bei den Sauerlacher Trachtlern. Es wächst also allmählich zusammen, was nicht zusammengehörte.

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