40 Jahre Gebietsreform:Aus Rivalen werden Partner

Brunnthal, Sportverein, die beiden Sportvereinsvorsitzenden von Brunnthal und Hofolding

Matthias Amtmann, Vorsitzender des TSV Brunnthal (links), und Marcel Hertl, Vorsitzender des TSV Hofolding, haben keine Berührungsängste.

(Foto: Angelika Bardehle)

Brunnthal und Hofolding waren sich lange in gegenseitiger Abneigung verbunden, gerade auf dem Fußballplatz. Inzwischen ist sogar ein gemeinsames Sportzentrum für die Vereine beider Gemeindeteile im Gespräch.

Von Bernhard Lohr, Brunnthal

Schalke gegen Dortmund, Bayern gegen die Löwen: So ähnlich muss man sich die Brisanz vorstellen, die in den Sechzigerjahren Derbys zwischen dem TSV Brunnthal und dem TSV Hofolding hatten. Nur dass die Zuschauer am Spielfeldrand die Spieler meist persönlich kannten und oft auch persönlich nahmen, was sich auf dem Sportplatz abspielte. Ernst Portenlänger war einst selbst Spieler bei den Brunnthalern und erinnert sich, wie es hoch herging. "Da ist sogar mal gerauft worden", erzählt der heute 81-Jährige. "Das war furchtbar", blickt auch Ludwig Kronester, 91, und einst letzter Bürgermeister von Hofolding, zurück.

Handgreiflich wird heute niemand mehr. Frotzeleien sind geblieben 40 Jahre nach dem erzwungenen Zusammenschluss der beiden einst selbständigen Gemeinden. Und eine gewisse Rivalität natürlich auch, gerade im Sport, wo sich in zwei Tennis- und drei Stockschützenklubs, vor allem aber in den großen Sportvereinen bis heute ein Lokalpatriotismus erhalten hat. Doch wie eng man mittlerweile zusammengewachsen ist, zeigt sich bei einem Gipfeltreffen im Sportheim. Kaum zehn Minuten sitzen der Vorsitzende des TSV Brunnthal, Matthias Amtmann, 55, und Marcel Hertl, 42, vom TSV Hofolding beisammen, schon sind sie beim Du. Am Ende des Gesprächs spielen sie Doppelpass. Sie wollen sich öfter treffen. Die Vereine könnten gemeinsam Großes schaffen.

"Es ist einfach keine freundschaftliche Atmosphäre entstanden"

Davon war man freilich 1978 noch weit entfernt. Die Aufgeregtheit auf den Sportplätzen fand während der Debatten um die Gebietsreform ihren Niederschlag in den Ratssälen und Wirtsstuben. Mit der Vorstellung, dass Brunnthaler und Hofoldinger gemeinsam eine Gemeinde bilden sollten, taten sich beide Seiten schwer. Man hatte über Jahrhunderte nebeneinander gelebt. Richtig gut kam man nie miteinander aus. "Es ist einfach keine freundschaftliche Atmosphäre entstanden, über Generationen hin", sagt Kronester.

Er selbst war gegen den Zusammenschluss, wollte eine Verwaltungsgemeinschaft mit Höhenkirchen und Aying. Die Hofoldinger hatten als kleinerer Partner Sorge, von den Brunnthalern kleingehalten zu werden. Deshalb machten sie sich kurz vor dem Zusammenschluss noch einmal mit Energie daran, ihre Sportanlagen auszubauen. "Ja genau", erinnert sich Kronester. "Wir haben angefangen das Sportheim zu bauen." Später wäre das so nicht mehr möglich gewesen, ist er sich sicher. Eine Sporthalle, wie sie die Hofoldinger heute haben, wäre sicher nicht mehr gebaut worden.

Doch viele Befürchtungen trafen auch nicht ein. Die Zusammenarbeit im Gemeinderat wird gelobt. Und die Vorsitzenden der beiden großen Sportvereine, die heute immer wieder um die Gunst der Gemeinderäte aus Brunnthal und Hofolding werben, bestätigen, dass keiner bevorzugt wird. "Es ist wichtig, dass die Vereine zusammenarbeiten", sagt Bürgermeister Stefan Kern (CSU). Die Gemeinde stifte deshalb immer auch Pokale für Turniere, die den Zusammenhalt stärken helfen. Er wünscht sich sogar noch mehr Synergien. Spielgemeinschaften kann er sich vorstellen, und lobt, dass Brunnthal mit seinen starken Handballern und Hofolding mit seiner erfolgreichen Tischtennisabteilung sich ergänzen.

Sauerlach buhlte um Otterloh

Das Gefühl der Verbundenheit mit einem benachbarten Ort oder einer Gemeinde ist oft historisch, über Jahrhunderte gewachsen. Otterloh gehörte vor der Gebietsreform zur Gemeinde Brunnthal, und so ist es bis heute. Doch so selbstverständlich, wie man meinen könnte, ist das nicht. Das Familiengrab der Portenlängers befindet sich in Sauerlach. Ernst Portenlänger heiratete in Sauerlach. Und der langjährige Gemeinderat erinnert sich gut, wie Mitte der Siebzigerjahre bei einer Versammlung im Gasthof Momm ein Vertreter aus Sauerlach dafür warb, dass sich die Otterloher bei einer Abstimmung für eine Zugehörigkeit zu Sauerlach aussprechen sollen.

"Ich glaube, er war zu ehrlich", sagt Portenlänger. Sonst wäre es anders ausgegangen. Denn der Sauerlacher hatte auf die entscheidende Frage, ob Sauerlach auch garantieren könne, dass ein Schulbus die Otterloher Kinder zur Sauerlacher Schule bringen werde, nur ausweichend geantwortet. Für Portenlänger war das der Knackpunkt. Die Otterloher sprachen sich mehrheitlich für Brunnthal aus, anders übrigens als die Lanzenhaarer, die heute zu Sauerlach gehören. Wie schwierig es ist, gewachsene Strukturen zu ändern, erfuhr Bürgermeister Stefan Kern, als er Erzbischof Reinhard Marx auf eine Änderung des Kirchensprengels in Otterloh ansprach. Keine Chance, signalisierte der. belo

Das Zusammenwachsen könnte nun ein Großprojekt weiter voranbringen. Weil der TSV Brunnthal seit Jahren mit seinen vielen Hallensportlern auf den Bau einer Dreifachturnhalle dringt, steht im Raum, ein gemeinsames, zwischen beiden Orten gelegenes Sportgelände für beide Vereine zu schaffen. Bürgermeister Stefan Kern hat die Vorsitzenden schon aufgefordert, sich zusammentun. Denn nur für einen Verein eine Halle oder ein neues Sportareal zu schaffen, komme nicht in Frage.

Als Matthias Amtmann, und Marcel Hertl, im Brunnthaler Sportheim beisammensitzen, bauen sie schnell erste Brücken. Sie reden über Lokalpatriotismus, alte Derbys der Fußballer und erste, gescheiterte Versuche, gemeinsame Mannschaften aufs Feld zu schicken. Ihre Perspektive ist ganz unterschiedlich: Hertl wuchs in Berlin auf, wohnte in Brunnthal und ist jetzt in Hofolding zu Hause. Seit einem Jahr ist er TSV-Vorsitzender. "Wir sind ein ganz junger Vorstand", sagt er. Alte Rivalitäten? Hertl weiß, was damit gemeint ist, und sagt auch: "Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass Brunnthal näher am Rathaus ist." Aber natürlich sei man offen für Neues, sagt er.

Zwe Areale kommen infrage

Amtmann steht seit vielen Jahren dem TSV Brunnthal vor. Schon sein Vater war Gemeinderat in Brunnthal. Er ist Mitgründer der Unabhängigen Wählergruppe Brunnthal (UWB) und engagierter Gemeinderat. "Ich weiß von den Rivalitäten", sagt auch er. Doch er redet lieber von heute und morgen. Wie der Hofoldinger TSV wächst auch Amtsmanns Verein. 750 Mitglieder zählt man in Hofolding, 700 in Brunnthal, 250 Kinder und Jugendliche sind es hier, 400 dort. Es gibt neue, stark wachsende Abteilungen, deren Mitglieder nach mehr Trainingszeiten in einer Sporthalle rufen. "Die Bedürfnisse im Verein werden immer größer", sagt Hertl. "Wir brauchen ein Gesamtkonzept", sagt Amtmann. Er setzt auf ein gemeinsam zu nutzendes Sportzentrum, für das die Gemeinde zwei Grundstücke im Blick hat. Ein Areal nahe Hofolding ist sieben Hektar groß, das andere nahe Brunnthal 3,5 Hektar groß.

Noch sind das Visionen. Die Finanzierung steht in den Sternen. Die Gemeinde hat für vier Jahre 100 000 Euro Planungskosten vorgesehen. Und dann die Frage: Ist es vorstellbar, dass beide Vereine sich eine Halle teilen und einen Sportplatz? Bekommen sie das gemeinsam organisiert, ohne Konflikte? Amtmann und der TSV Brunnthal versuchen den Weg zu ebnen. Kürzlich führte man Gespräche mit dem Bayerischen Landessportverband wegen Zuschüssen. Amtmann rechnet das Projekt durch und denkt an den Verkauf von Grundstücken, die durch die Verlegung der Sportplätze frei würden, wie etwa in Brunnthal.

Als nächstes strebt Amtmann ein gemeinsames Arbeitsgespräch der Vorstände der Sportvereine in Brunnthal und Hofolding an. Hertl zeigt sich beim Gipfeltreffen mit Amtmann gesprächsbereit; aber er ist zurückhaltender. Das vor 40 Jahren geschaffene Sportareal in Hofolding stifte Identität, sagt er. Die Eigenständigkeit sei wichtig. Dieses Jahr feiern beide Sportvereine 70-jähriges Bestehen. Ein gemeinsames Fest gibt es nicht. Das wäre wirklich Zukunftsmusik.

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