SZ-Serie "Vom Land in den Mund":Üppige Rundungen

Krautbauer Max Kraus, Ismaning, Bahnhofstraße 21

Krautbauer Max Kraus aus Ismaning zieht die Krautsamen in seinem Garten selbst.

(Foto: Florian Peljak)

Die Identität der Gemeinde Ismaning ist eng mit einer besonderen Spezialität verbunden: dem Kraut. Bauern wie Max Kraus widmen sich mit Hingabe dem Anbau dieses besonderen Gemüses.

Von Elisabeth Gamperl, Ismaning

Groß muss er sein, der Kopf. Nur nicht zu blass. Auch die Figur ist wichtig. Je schwerer umso besser. Üppige Rundungen vor dürren Gestellen - so lautet die Devise von Max Kraus. Zumindest dann, wenn es um den Sexappeal eines schmackhaften Ismaninger Krautkopfs geht.

Max Kraus gehört zu jener Handvoll Bauern, die den bläulichen Ismaninger Krautkopf züchten. Das Kraut ist eine Besonderheit der Region, es gibt es nirgendwo sonst. Kraus' eigene Familiengeschichte ist eng mit dem Gemüse verknüpft. Auch der Vater und Großvater - ebenfalls mit dem Namen Max - des 53-Jährigen ernteten per Hand das blaue Gold.

Krautbauer Max Kraus, Ismaning, Bahnhofstraße 21

Krautbauer Max Kraus blickt auf eine lange Tradition zurück.

(Foto: Florian Peljak)

So ein original Ismaninger Kraut gibt nicht nur optisch was her. Ob Krautsuppe, Krautstrudel oder gar als Lasagne - das Gemüse ist äußerst vitaminreich wie vielfältig: Vitamin C und E, Magnesium und Mineralstoffe wie Kalzium sind darin enthalten. Der Geschmack selbst ist eindringlich und intensiv. Seit 1898 lebt die Familie in der Bahnhofsstraße. Der Stall wurde zwar mittlerweile in ein Wohnhaus umgebaut, doch die dicken Mauern und die hohe Scheune, in der Traktoren und Anhänger stehen, lassen noch ein wenig die Umrisse der Vergangenheit durchschimmern. Eine braune Katze schlendert durch den leeren Hof, der im Herbst mit Krautkisten vollgestellt sein wird. Dann ist wieder Erntezeit und Krauthauptsaison.

Die Identität der Ortschaft ist eng mit dem Kraut verbunden

Das Ismaninger Kraut blickt auf eine lange Tradition zurück: Dank des besonderen Almbodens, der sehr kalkreich und wasserspeichernd ist, wurde auf dem Gemeindegrund schon im 16. Jahrhundert dieses Kraut angebaut. Der Boden ist so fruchtbar, dass es nun schon seit Jahrhunderten möglich ist, an derselben Stelle Kraut zu ziehen. Die Identität der Ortschaft ist so eng mit dem Kraut verbunden, dass bunt bemalte Krautköpfe aus Kunstharz quer verstreut in Ismaning aufgestellt wurden. Grund dafür war die 1200-Jahr-Feier der Gemeinde Ismaning und jene für 500 Jahre des Krautanbaus. Und seit die Ismaninger Bauern auf der Weltausstellung im Jahre 1900 in Paris den ersten Preis für ihr Kraut gewannen, rühmen sie sich, das beste Kraut der Welt zu besitzen.

Aufgetischt

Bauer Max Kraus kann von Kraut nicht genug bekommen. Besonders gut sind unter anderem Krautwickerl. Dazu braucht man etwa ein halbes Kilo Hackfleisch gemischt, einen blanchierten Krautkopf, 150 Gramm Ziebelwürfel, 20 Gramm Butter, zwei Semmeln, Milch, zwei Eier, 150 Gramm Speckwürfel, 200 Milliliter Brühe, ein Viertel dunkles Bier, Salz, Pfeffer, Kümmel, Majoran. Dann geht es los: Die Zwiebel wird in Butter angeschwitzt, dann zu den Semmeln gegeben und mit heißer Milch übergießen. Das Hackfleisch mit den Eiern vermengen und mit der Semmelmasse verkneten. Bevor es mit den Krautblättern umwickelt wird, gut würzen. Die Krautwickerl mit der Brühübergießen und den Speck drüberstreuen. Im Ofen muss die Köstlichkeit dann bei 190 Grad etwa eine Stunde garen.

Auch vor Kraus' Hof steht so ein Karz-Kopf. Dem Bauern stehen 60 Hektar Land zur Verfügung. Darauf wächst und gedeiht auch anderes Gemüse. So wie Weiß- und Blaukraut, Wirsing, Spitzkraut, Rosenkohl und jede Menge Kartoffeln. "Ich habe eigentlich fast das ganze Jahr auf dem Feld zu tun", sagt er. Kraus ist wie fast jeder Krautbauer in Ismaning Direktvermarkter. Das hat etwas damit zu tun, dass der deutsche Lebensmittelhersteller Pfanni 1995 seinen Sitz von München nach Mecklenburg-Vorpommern verlegt hat und damit als Hauptabnehmer des Krauts verschwand.

Kunden reisen sogar aus Frankfurt an

Das war damals ein Schlag für die Bauern in der Region. Kraus hat sich mittlerweile davon erholt: "Ich habe mittlerweile sogar Kunden, die extra von Frankfurt aus anreisen, um ein paar Häupl von mir abzukaufen", erzählt er. Kraus braucht für seinen Verkauf nicht die Werbetrommel zu rühren, die Leute würden via Mundpropaganda zu ihm gelangen. Das Ismaninger Kraut ist meistens nach der Saison restlos ausverkauft, aber auch das Spitzkraut sei sehr beliebt, sagt Kraus.

Krautbauer Max Kraus, Ismaning, Bahnhofstraße 21

Sohn Simon hilft auf dem Hof.

(Foto: Florian Peljak)

Sein Schatz wächst ab März in seinem Garten. Kraus kann von seiner Veranda aus dem geliebten Ismaninger Kraut beim Wachsen zusehen. Er sucht dafür Jahr für Jahr die schönsten Krautköpfe aus und schneidet ein Kreuz hinein. Aus dem tiefsten Inneren des Kopfes ranken nach einer Weile Blüten, aus denen Kraus die Samen zieht. Diese werden eingesetzt und nach und nach wachsen die kleinen Pflänzchen im Beet zur nächsten Generation Ismaninger Kraut heran - solange, bis sie groß genug sind, um mit einer Maschine auf den Acker gesetzt zu werden.

Max Kraus wollte immer Krautbauer sein

Die Feldarbeit empfindet der dreifache Vater nicht als Belastung: "Mich entspannt diese Zeit und Arbeit viel mehr. Es ist für mich ein eigenes Lebensgefühl, den Pflanzen beim Wachsen zuzusehen und sie zu ernten", sagt Kraus. Während der Erntezeit hilft seine ganze Familie mit. Auch sein mittlerweile 82-jähriger Vater sieht im Garten immer mal wieder nach dem Rechten. Damit die Ernte gut ausfällt, braucht es viel Sonne, Wasser und einen guten Boden. Ist der Sommer sehr heiß, dann verzögere sich die Ernte, erzählt Kraus. "Das war zum Beispiel im vergangenen Jahr so."

Kraus wollte schon immer wie sein Vater Krautbauer sein. Ihm kam nie etwas anderes in den Sinn, sagt er. Mittlerweile ist er nebenher als Gemeinderat tätig. Auch seine Söhne arbeiten fleißig auf dem Hof mit. Hört man Kraus reden, so denkt man nicht, dass es neben dem Kraut noch eine andere Leidenschaft geben kann. Aber die gibt es. Sie entlarvt sich in seinem mit Fan-Artikel-dekorierten Büro, nur wenige Meter vom Krautbeet entfernt: "Ich gebe es zu, ich bin auch ein riesiger FC-Bayern-Fan", sagt er. Die zweite Leidenschaft, die er von seinem Vater geerbt hat.

Max Kraus' Hof liegt in der Bahnhofstraße 21, 85737 Ismaning und ist Montag bis Samstag von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Kontakt über Telefon 089/96 88 73 oder Email: maxjun.kraus@t-online.de

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