SZ-Serie "Stade Zeit":Klösterliche Stille mit Störgeräuschen

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Wenn Pater Stefan (Vierter von rechts) mit seinen Mitbrüdern die "O-Antiphone" anstimmt, ist die Christkönigskapelle erfüllt von Gesang. (Foto: Claus Schunk)

Im Advent bemühen sich Pater Stefan Geiger und seine Mitbrüder im Kloster Schäftlarn besonders um innere Einkehr. Das ist nicht immer einfach - auch wegen der Schüler nebenan.

Von Irmengard Gnau, Schäftlarn

Es ist ganz ruhig in der Christkönigskapelle. Die Mönche halten die Köpfe gesenkt. Dann hebt Abt Petrus Höhensteiger an und beginnt zu singen. Die übrigen Mönche stimmen ein. Der Gesang schwillt an zu einem mehrstimmigen Choral, der vom Chorgestühl aus zur Decke aufsteigt und die Kapelle erfüllt. "O clavis David", hallt es wieder, "veni."

Üblicherweise versammeln sich die Ordensmänner der Abtei Schäftlarn am Abend eines Werktags zum Chorgebet; eine Choralvesper, also ein Abendgebet, bei dem sie gemeinsam gregorianische Choräle in lateinischer Sprache singen, gibt es sonst nur am Sonntag. Im Advent aber ist vieles anders, wie Pater Stefan Geiger erklärt.

An den neun Tagen vor dem Heiligabend, der sogenannten Novene, baut sich im katholischen Jahreslauf ein Spannungsbogen auf. "Es soll sich alles auf die Vorbereitung auf Weihnachten konzentrieren", sagt Pater Stefan. Ursprünglich wurde der Advent vielerorts als Fastenzeit begangen. Diese begann schon am 11. November, dem Tag des Heiligen Martin.

So still, wie es auf dem Bild scheint, ist es nicht immer auf dem Weg zum Speisesaal, weil der lange Gang auch von den Schülern des Gymnasiums genutzt wird. (Foto: Claus Schunk)

Der theologische Hintergrund ist, dass sich die Menschen nicht auf das erste Kommen Jesu, seine Geburt also, vorbereiteten, sondern vielmehr auf seine verheißene Wiederkehr - wenn er kommen würde, um als Richter aufzutreten. Darauf wollte man vorbereitet sein, also büßte und fastete man. "Der Advent hat schon noch einen gewissen Bußcharakter, aber heute steht die Vorbereitung auf Weihnachten im Vordergrund", erklärt Pater Stefan.

Auch im Tagesablauf der Mönche gibt es Veränderungen

Das schlägt sich etwa in den täglichen Lesungen und Gebeten nieder, die häufig Texte von Propheten sind, die das Kommen des Gottessohnes Jesus Christus vorhersagen. Aber auch im Tagesablauf der Mönche gibt es Veränderungen. In der Zeit vor Weihnachten singen sie jeden Abend einen speziellen Choral, die sogenannten O-Antiphonen. Für jeden Tag von 17. bis 23. Dezember gibt es eine Strophe, die der Form "O ..., veni!" folgend, Gott anruft, ihn in verschiedenen Namen und Titeln preist und um sein Kommen bittet. "Diese Gesänge gab es schon im fünften Jahrhundert", erklärt Pater Stefan. Das gemeinsam gesungene Gebet gehört für den 33-Jährigen zur Vorbereitung auf das Weihnachtsfest dazu. Ebenso wie die besondere Hinwendung zur Stille.

Dass der Advent für die Ordensmänner tatsächlich eine eher "stade Zeit" ist, zeigt sich etwa in den Gottesdiensten und Gebeten. Die haben in diesen Tagen einen eher meditativen Charakter. "Man versucht, Akzente zu setzen", erklärt Pater Stefan, "für sich selbst die Stille noch bewusster wahrzunehmen und aufzunehmen." Äußere Symbole wie der große Adventskranz im Esszimmer können dabei helfen - "man braucht auch etwas für die Sinne". Daneben steht die innere Einkehr. Das Gebet nimmt eine zentrale Rolle im Leben der Benediktiner ein, es strukturiert den Tagesablauf von Pater Stefan und seinen acht Ordensbrüdern, mit denen er im Kloster Schäftlarn lebt.

Auch Stille ist ein wichtiges Element des Klosterlebens. Beim gemeinsamen Essen etwa sprechen die Mönche nicht; einer von ihnen trägt eine Lesung vor, der alle lauschen. Auf diese Stille achtet Pater Stefan im Advent besonders, erklärt er. "Auch wenn das durch den äußeren Lärm schwieriger ist", sagt er und lächelt. Als König Ludwig I. das Kloster nach der Säkularisation in den 1860er-Jahren wieder den Benediktinern übergab, verband er dies mit dem Auftrag, dort eine Schule zu installieren.

Im großen Speisesaal wird es gesellig

Das Gymnasium besuchen heute 540 Schüler. Die Räumlichkeiten in den alten Gebäudetrakten sind geradezu ineinander verwoben, durch die langen Klostergänge eilen Buben und Mädchen mit Schulranzen, ein Rumpeln über dem Besprechungszimmer der Mönche kündet davon, dass der Nachmittagsunterricht endet. "Hören kann man die Schüler eigentlich immer", sagt Pater Stefan mit verschmitztem Blick. Auch das Leben der Ordensbrüder ist mit dem Schulalltag verknüpft, man begegnet und kennt sich, einige Brüder unterrichten noch an der Schule. Für die meisten Schüler freilich ist der Advent eher eine aufregende Zeit des Wartens als der Stille. Doch auch die Ordensbrüder haben einige Vorbereitungen für die Feiertage zu treffen.

Im großen Saal wird festlich eingedeckt. (Foto: Claus Schunk)

Frater Sigisbert flicht in der Gärtnerei Adventskränze und Blumenschmuck für das Fest. Für jedes Ordensmitglied schmückt er einen kleinen Christbaum mit echten Kerzen, für die Gräber der Verstorbenen gibt es liebevoll gestaltete Gestecke. Im Gewächshaus warten die Weihnachtssterne in langen Reihen auf ihren Einsatz. Am Donnerstag hat in der Klosterkirche der Aufbau für die Christmette begonnen. Den Weihnachtssternen wird es in der denkmalgeschützten Kirche allerdings zu kalt - dort setzt Frater Sigisbert stattdessen rote Azaleen ein. Der 24. Dezember selbst wird für die Mönche bis zum Abend auch ein recht stiller Tag sein.

Am Nachmittag des Heiligen Abend werden sie eine Vesper mit feierlichem Choralgesang halten. Die Weihnachtsfeier um 18 Uhr wird zunächst besinnlich, erklärt Pater Stefan. Für das gemeinsame Essen danach wird ausnahmsweise im großen Speisesaal eingedeckt. Dort wird es gesellig, bevor die Schäftlarner Brüder um 23.15 Uhr mit den Gottesdienstbesuchern die Christmette feiern.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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