SZ-Serie "Stade Zeit":Sommersehnsucht

Oberhaching, Heinz Effenberger hat im Naturbad in Furth im Winter wenig zu tun,

Bis März muss sich Heinz Effenberger noch gedulden. Dann darf er hier im Naturbad die Badesaison vorbereiten.

(Foto: Angelika Bardehle)

Im Winter arbeitet Heinz Effenberger, Bademeister des Naturbads Furth in Oberhaching, in der Steuerstelle im Rathaus. Doch das ist dem kontaktfreudigen Menschen "fast zu ruhig".

Von Christina Jackson, Oberhaching

Im Winter geht es für Heinz Effenberger nicht mehr um Leben und Tod, sondern um Steuergesetze und Aktenablage. In dieser Jahreszeit hat er weniger Verantwortung und mehr Zeit für die Familie.

Effenberger ist von Mai bis September für die Badeaufsicht im Naturbad Furth in Oberhaching zuständig. In der Saison kümmert er sich um schnelle Hilfe für verletzte Gäste ebenso wie um eine saubere Wasserqualität und das reibungslose Funktionieren der technischen Geräte. Sehr viel ruhiger verläuft sein Arbeitsalltag im Winter. Dann nämlich nimmt er seine Tätigkeit in der Oberhachinger Steuerstelle im Rathaus auf. Für seine Familie eine wahrhaft gesegnete Zeit. "Ich bin dann auch am Wochenende für Freunde und Verwandte erreichbar."

Volles Programm dagegen im Sommer: Jeden Tag ist er von Mai an von 8 bis 20 Uhr im Bad, sieben Tage die Woche. Eine Rundum-Beschäftigung mit Vorteilen. Mit der Tätigkeit im Naturbad fand Effenberger seine Berufung. "Ich bin kein Büromensch. Ein Tag in der Natur verschafft mir dagegen unglaublich viel Freude." Dabei begann diese Selbstfindung mit Existenzangst. Effenberger war 48 Jahre alt, als ihm sein Arbeitgeber Siemens plötzlich wegen Einsparmaßnahmen kündigte.

Plötzlich wurde das Hobby wichtiger

Der Nachrichtentechniker stand plötzlich auf der Straße. Umso wichtiger wurde das Hobby. Seit 40 Jahren ist Effenberger als Rettungsschwimmer bei der Münchner Wasserwacht aktiv. In diesem Zusammenhang wurde Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle auf ihn aufmerksam. Er suchte zu diesem Zeitpunkt für den Betreiber der Anlage - den Verein "Freunde Further Bad" - eine Schwimmaufsicht. In sieben Jahren Mitarbeit hat sich Effenberger mittlerweile einen Namen in Oberhaching gemacht. "Ich sehe die Kinder aus dem Ort im Bad groß werden, die Eltern kennen mich gut. Es ist eine familiäre Atmosphäre." Freundschaftliche Bande, die im Winter ruhen.

Je näher Weihnachten kommt, desto stärker besinnt sich auch Effenberger auf grundlegenden Werte. "Ich komme zur Ruhe und verplane nicht mehr jede Minute. Mein Denken kreist nicht um Konsum oder Geld." Diese Sichtweise unterfüttert er mit Erkenntnissen, die er bei seinen Reisen nach Afrika macht. "Wenn der Winter kommt, gehe ich nach Tansania oder Botswana." Dort lebte er einige Tage mit den Massai, einer Volksgruppe, die im Norden Tansanias beheimatet ist. Er lernte, was es bedeutet, mit wenig zu leben und das Glück im Einklang mit der Natur zu finden. "Ich habe erfahren, wie Medizin aus Früchten und Baumrinde gewonnen wird. Ein faszinierender Einblick in eine fremde Kultur." Die Gesetze der Natur bestimmen in diesen Gesellschaften das Leben der Menschen. Für Effenberger ein beispielhafter Umgang mit der Umwelt, den er sich auch für Deutschland wünscht.

Ein Horrorszenario und 800 Gäste in Spitzenzeiten

28 000 Gäste kamen 2016 in das Naturbad Furth. 2015 waren es sogar 43 000. Mehr als eine Platzwunde oder eingerissene Holzsplitter musste er in dieser Zeit nicht verarzten. "Trotzdem begleitet mich die Angst vor dem Horrorszenario eines Unfalltodes." Deshalb sorgt Effenberger jedes Jahr zum Saisonbeginn für ein Sicherheitstraining mit der Polizei. Auf dem Unterrichtsplan stehen neben dem korrekten Verhalten bei einem Überfall auf die Kasse auch der Ablauf im Notfall, der mit den Rettungskräften koordiniert werden muss. Abgesehen von einem nächtlichen Einbruch ins Kassenhäuschen waren die vergangenen Jahre ruhig. In Spitzenzeiten, wenn mehr als 800 Gäste kommen, unterstützen drei Rettungsschwimmer die Badeaufsicht. Das bedeutet für Effenberger oft die komplizierte Suche nach Personal.

"Wir haben einen enormen Mangel an qualifizierten Leuten." Das führte sogar dazu, dass sich der Verein einige Rettungsschwimmer der Neubiberger Bundeswehruni ausleihen musste. Administrative Aufgaben, die ihn das ganze Jahr über beschäftigen. In der aktuellen Diskussion stehen auch Überlegungen zur Anschaffung neuer Spinde und der Errichtung einer Boulebahn auf dem Badgelände.

Winter und Weihnachten bedeuten für den Rettungsschwimmer aber auch die klassischen Bergsportarten. Mit den Ski ist er regelmäßig auf den Abfahrten rund um München unterwegs. Lange Wanderungen durch die Schneelandschaft ergänzen das saisonale Programm. Aber die Sommersehnsucht bleibt. Spätestens im März keimt die Vorfreude auf. Dann nehmen die Helfer in Oberhaching ihr Ritual vor der Eröffnung des Naturbads auf. Sie schneiden den Schilfgürtel im Wasser zurück, holen den Styroporschutz am Steg heraus und pflegen die Pflanzen mitsamt Rasenfläche.

Ein Termin, auf den sich Effenberger schon um die Weihnachtszeit freut. Die alltägliche Routine im Büro mit den freien Wochenenden wird er nicht vermissen. "Das ist auf Dauer doch fast zu ruhig."

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