SZ-Serie: Oh, mein Gott!:Berufen

SZ-Serie: Oh, mein Gott!: Eine leere Kirchenbank in der Klosterkirche Schäftlarn.

Eine leere Kirchenbank in der Klosterkirche Schäftlarn.

(Foto: Claus Schunk)

Beim Militär ist Stefan Geiger klar geworden, dass er sein Leben Gott widmen möchte. Heute lebt der 33-jährige Pater im Kloster Schäftlarn, das für ihn zu einem echten Zuhause geworden ist

Von Marie Ludwig, Schäftlarn

Sieht so nicht das Leben eines ganz normalen jungen Mannes aus? Mit 33 Jahren den Doktor an der Universität Augsburg machen, in der Freizeit mit dem Mountainbike durch die Wälder rauschen. Stefan Geiger ist auf den ersten Blick tatsächlich ein ganz gewöhnlicher Mittdreißiger - und doch anders als alle anderen: Geiger ist Mönch.

Ein schwarzes Habit, Sandalen mit Birkenstockcharme, braune Knopfaugen und einen Blick mit unglaublicher Präsenz: Das ist Pater Stefan. Nach dem Abitur war er zuerst beim Bund. "Gebirgsjäger", sagt Pater Stefan, irgendwie auch etwas belustigt darüber, dass ein Mönch klettern, schießen und kämpfen gelernt hat und das alles immer noch kann. Doch in der Zeit beim Militär fand der damals 17-Jährige das erste Mal Gelegenheit, sich mit dem auseinanderzusetzen, was er im Leben wirklich tun will. Berufung wird diese Konzentration auf den eigentlichen Lebenssinn ja gerne genannt.

Die Salesianer wechseln alle drei Jahre ihren Standort

"Die Berufung war immer in mir, es brauchte nur Zeit, um sie zu erkennen." Seine Zeit als Mönch begann schließlich bei den Salesianern Don Boscos in München. Die Societas Sancti Francisci Salesii, zu deutsch: Gesellschaft des Heiligen Franz von Sales, ist eine Ordensgruppe, die sich insbesondere der Arbeit mit Jugendlichen widmet. Einen festen Arbeitsplatz haben sie nicht. Alle drei Jahre wechseln die Mönche dort ihren Standort.

SZ-Serie: Oh, mein Gott!: Die Kirche ist für Pater Stefan Geiger der Grundpfeiler des Glaubens.

Die Kirche ist für Pater Stefan Geiger der Grundpfeiler des Glaubens.

(Foto: Claus Schunk)

"Ich habe gern mit Jugendlichen zusammen gearbeitet", sagt Pater Stefan. Doch als Lebensaufgabe? "Das hat mir irgendwie nicht gereicht." Er wollte tiefer in den Glauben einsteigen. Auch die Tatsache, kein richtiges Zuhause zu haben, machte ihm zu schaffen: "Man wird erstens nicht sesshaft und wenn man jemanden nicht mochte, dann war klar: nach drei Jahren scheiden sich die Wege." Sympathie. Antipathie. Auch ein Mönch habe diese Gefühle natürlich immer noch.

Sich der Prüfung eines dauerhaften Zusammenlebens nicht zu stellen, findet Pater Stefan aber zu einfach: "Es gab für mich zu wenig Zusammenhalt durch den Glauben." Deshalb habe er sich 2008 in einen anderen Orden begeben. Und kam zu den Benediktinern nach Schäftlarn. Hier hat er einen festen Alltag, der bereits das Leben der Mönche im Mittelalter bestimmt hat.

"Jeder kann seinen Stärken nachgehen."

Um 6.30 Uhr Morgengebet. 7 Uhr Gottesdienst. Danach ein gemeinsames Frühstück. "Das Eintrittsdatum in das Kloster bestimmt die Sitzordnung", sagt Pater Stefan. Diese wird immer eingehalten. Der Abt in der Mitte und die anderen acht Ordensbrüder geordnet um ihn herum. "Beim Mittagessen muss man zusätzliche Regeln befolgen", sagt er. Es gebe immer eine Tischlesung und einen Tischdiener. Diese Aufgaben übernehmen alle reihum. "Wir essen immer sehr schnell", sagt Pater Stefan und lacht. Man sei zum einen sehr konzentriert, aber vor allem wolle keiner nach Ende der Lesung noch viel auf dem Teller haben: "Man hört ja alles."

SZ-Serie: Oh, mein Gott!: Die Schäftlarner Klosterkirche ist besonders schön.

Die Schäftlarner Klosterkirche ist besonders schön.

(Foto: Claus Schunk)

Zwischen den Mahlzeiten haben die Mönche Zeit für ihre Aufgaben. Pater Stefan ist zuständig für die Bibliothek und die Liturgie in den Gottesdiensten. Über die Liturgie schreibt er im Moment auch noch seine Doktorarbeit. Dafür fährt er einmal in der Woche an die Universität in Augsburg: "Jeder kann seinen Stärken nachgehen." Seine Mitbrüder sind zum Teil Lehrer an der Klosterschule, arbeiten im Garten oder als Imker. Auch in der Klosterbrennerei ist ein Mönch beschäftigt: "Wir dürfen selbstverständlich auch einmal ein Bier trinken", sagt Pater Stefan.

Der Pater durfte bei der Weihe seinen Namen behalten

Eine Familie, ein Einkommen oder einen eigenen Fernseher hingegen dürfen die Mönche nicht haben. Doch Pater Stefan findet das nicht schlimm: "Der Zölibat ist mit unglaublich vielen Vorurteilen behaftet." Es mache ihn gewiss nicht zu einem besseren Menschen und er erhalte dadurch auch keinen Freischein in den Himmel: "Es war einfach meine Entscheidung, dem Glauben und Gott all meine Aufmerksamkeit zu schenken - mich allen Ablenkungen zu entsagen." Und zum Mönch wird man auch nicht von heute auf morgen.

Der Hirtenpsalm

Psalm 23, auch der "Psalm vom guten Hirten, ist eine der bekanntesten Bibelstellen und der liebste Auszug für Pater Stefan:

"Der Herr ist mein Hirte,

mir wird nichts mangeln.

Er weidet mich auf einer grünen Aue

und führet mich zum frischen Wasser.

Er erquicket meine Seele.

Er führet mich auf rechter Straße,

um seines Namens willen.

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,

fürchte ich kein Unglück;

denn du bist bei mir,

dein Stecken und Stab trösten mich.

Du bereitest vor mir einen Tisch

im Angesicht meiner Feinde.

Du salbest mein Haupt mit Öl

und schenkest mir voll ein.

Gutes und Barmherzigkeit

werden mir folgen mein Leben lang,

und ich werde bleiben im Hause des

Herren immerdar."

Bis zum Zölibat sei es ein weiter Weg: "Man legt mehrere Gelübde ab, bevor es zum ewigen Gelübde kommt." Sechs Jahre lang dauert es mindestens. Im Jahr 2013 war es für ihn so weit. Dass Pater Stefan bei der Weihe auch seinen Geburtsnamen behalten durfte, ist nicht in allen Klöstern gang und gäbe: "Anderorts bekommt man einen neuen Namen zugewiesen." Da könne es auch schon mal zu Überraschungen bei der Weihe kommen: "Es gibt ein Kloster, in dem der Name Gamelbert immer weitergegeben wird", sagt Pater Stefan. Im Kloster Schäftlarn ist die Namensvergabe nicht so streng geregelt. Hier gibt es sogar einen Pater Norbert.

Pater Stefan steht in der Kirche. Die Hände bedächtig auf dem Rücken gefaltet. Den Blick auf die Deckenmalerei gerichtet. Göttliche Gestalten, biblische Geschichten, goldener Stuck. "Man geht als Mönch in eine andere Welt über", sagt Pater Stefan. Er habe sich schnell in die neue Gemeinschaft eingelebt. Und trotzdem: "Natürlich bleibt auch das Alte bestehen." Denn auch er hat Eltern und Geschwister. "Wir dürfen natürlich in den Urlaub fahren", erklärt Pater Stefan. Meistens besuche er dann auch seine Familie in Bozen. Mit dem Rad durch die Apfelfelder und in die Berge, "das ist für mich Urlaub!".

Auf einer Pauschalreise hingegen würde man Pater Stefan nie treffen. "Ich vermisse die Malediven nicht!", sagt er und lacht. "Das Einzige, was mir manchmal fehlt - und das mag absurd klingen - ist die Ruhe." Denn neben dem alltäglichen Schulgeschäft sei das Tal um Schäftlarn vor allem ein Magnet für Touristen. Oft kommen diese auch ins Kloster: "Es gab tatsächlich Menschen, die forderten, mein Zimmer sehen zu dürfen, weil sie Kirchensteuer bezahlen", erzählt Pater Stefan und schüttelt abwesend den Kopf: "Man setzt sich ja auch nicht in ein Polizeiauto und sagt: Ich bezahle Steuern, bitte fahren sie mich jetzt nach Hause", meint er.

Der Glaube des Einzelnen sei nicht das Problem

Auch der Kritik an der Kirche begegnet Pater Stefan immer wieder: "Ich kann verstehen, dass manche Menschen ein Problem mit der Institution Kirche haben." Der Glaube des Einzelnen allein sei oftmals nicht das Problem. Aus seiner Sicht gehören Glaube und Kirche jedoch unweigerlich zusammen: "Der Glaube braucht Grundpfeiler und die Institution Kirche, um zu wachsen."

Um 18 Uhr beginnt das Abendgebet. "Ich jauchze natürlich nicht jeden Tag, dass ich endlich wieder beten darf, aber die Kontinuität gibt mir Halt." Auch in der Benediktinerlehre ist diese Philosophie verankert: "Die Regel hält dich" - heißt einer der Grundsätze für die Mönche. "Für mich war es nie eine krasse Entscheidung, Mönch zu werden", sagt Pater Stefan. In Schäftlarn hält die Berufung die Mönche zusammen: "Wir sind verbunden durch Gott - das überbrückt alles." Hier hat Pater Stefan ein echtes Zuhause gefunden. Hier wird er für immer bleiben. Zwischen Bergen und Wiesen. Wer braucht da schon die Malediven?

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