SZ-Serie "Landmarken":Von der Einsiedelei zum Bierausschank

SZ-Serie "Landmarken": Auch der großzügige Hof a, Klausenweg wurde von Herzog Wilhelm geschaffen.

Auch der großzügige Hof a, Klausenweg wurde von Herzog Wilhelm geschaffen.

(Foto: Robert Haas)

Der fromme Herzog Wilhelm V. ließ einst neun Kapellen rund um Oberschleißheim anlegen. Heute bietet der Klausenweg Gelegenheit, historische Spuren zu entdecken

Von Irmengard Gnau, Oberschleißheim

Bereits nach wenigen Minuten entfaltet der Wald seine volle Wirkung. Das satte Grün schluckt die letzten Verkehrsgeräusche und lässt nur Vogelgezwitscher und das Knirschen der Kieselsteine auf dem Weg zurück. Durch die hohen Baumkronen fallen die Sonnenstrahlen sanft wie aus einem edlen Lüster. Alte Kiefern und Eichen bestimmen das Bild in dem Wäldchen, das nach der an einer Lichtung gelegenen Erhöhung, dem Kalvarienberg, Berglwald heißt.

Schon der bayerische Herzog Wilhelm V. muss diese Ruhe geschätzt haben, als er sich zwischen den Jahren 1595 und 1598 seinen Altersruhesitz in Schleißheim aufbaute. Denn neben einer Schwaige, einem großzügigen Hof mit vorwiegend Vieh- oder Milchwirtschaft, schuf sich Wilhelm auch Orte der Besinnung - unter anderem im Berglwald.

Durch das grüne Areal, das einen Teil der Grenze zwischen dem heutigen Ober- und Unterschleißheim markiert, führt bis heute der historische Klausenweg. Mit dem Pfad verband Wilhelm, der von Jesuiten erzogen wurde und als sehr frommer Mann galt, einst neun Kapellen. Wer sich heute auf den knapp 20 Kilometer langen Weg macht, kann noch die Spuren der einstigen Gebetsstätten finden. "Jeder Kapelle hat Wilhelm V. damals eine Eremitenklause beigefügt", erklärt Otto Bürger, der die Schleißheimer Ortsgeschichte seit 50 Jahren mit großer Hingabe dokumentiert. In jeder Klause lebte ein Eremit, der die Aufgabe hatte, die Kapelle in Ordnung zu halten und in Andacht und ganz in Gott versenkt zu leben.

Tägliche Gebete und Ehrerbietung vor dem Herrscher

Das freilich war nicht alles. In verschiedenen Regelwerken ist ausführlich festgehalten, was der Herzog noch von seinen Klausnern erwartete. Neben mehreren täglichen Gebeten und der Ehrerbietung vor dem Herrscher und dessen Verwaltungsmitarbeitern waren das auch regelmäßige Leibesübungen und Handarbeit. Auch Besuche bei den Armen und Kranken der Gegend oblagen den Klausnern.

Gleichwohl war der Posten des Eremiten durchaus beliebt, schließlich umfasste er nicht nur eine feste Bleibe, sondern auch ein verhältnismäßig gutes Auskommen durch den herzoglichen Hof. So kam es, dass über die Jahrhunderte bei Weitem nicht nur Geistliche sich um diese Posten bemühten: Nachforschungen des inzwischen verstorbenen Heimatkundlers Hans Gruber haben ergeben, dass unter den 65 Klausnern von Schleißheim, die sich namentlich belegen lassen, auch Lehrer, Handwerker, Soldaten und Studenten waren.

"Soldaten, die zum Beispiel im Krieg verletzt worden waren, gewährte der Herzog so eine Art Austragshäusel", erklärt Bürger. Während die dienstältesten Klausner ihre Stelle bis zu 51 Jahre lang erfüllten, sind bei anderen Beschwerden vermerkt, die im ärgsten Fall bis zu ihrer Abberufung führten. Der letzte Klausner musste die neun Kapellen im Jahre 1801 der Auflösung übergeben - die Säkularisation in Bayern raffte auch das Klausnertum in Schleißheim hinweg.

Heute ist von den Kapellen auf dem Klausenweg nur noch eine am Originalort erhalten. Die Kapelle im südlich des heutigen Ortskerns gelegenen Hochmutting, Sankt Jakobus geweiht, entkam der Säkularisation durch eine glückliche Fügung: Weil der Schleißheimer Friedhof im Jahr 1805 von Mittenheim nach Hochmutting verlegt wurde, konnte St. Jakobus als Friedhofskapelle weiter nützlich sein. Ein Verein bemüht sich heute darum, das historische Kirchlein wieder herzustellen. Die übrigen Kapellen und Klausen wurden abgebrochen, ihre Baumaterialien häufig für neue Gebäude verwendet.

Hinter der schweren Holztür erwartet den Gast Ruhe und Einkehr

Dennoch haben auch sie ihre Spuren hinterlassen. Eine Gedenktafel oder ein Steinmarterl erinnern an die Pilgerorte und die Heiligen, denen sie einst geweiht waren, den Heiligen Wilhelm, den Heiligen Nikolaus, die bayerische Schutzpatronin Maria, den Heiligen Korbinian, die Heilige Margareth und den Heiligen Franziskus. Kleine blaue Schilder weisen den Weg von einer Klause zur nächsten.

Die Renatus-Kapelle und -Klause kann noch besucht werden, allerdings hat sie über die Jahrhunderte den Ort gewechselt. "Wilhelm hatte diese Klause wohl in Erinnerung an seine früh verstorbene Frau Renata von Lothringen bauen lassen", erklärt Bürger - jedoch an dem Ort, wo später das Schloss Lustheim entstand. So musste die Renatuskapelle Ende des 17. Jahrhunderts in den südlichen Pavillon im Schlosspark umziehen. Dort bietet sie heute noch Möglichkeit zum Rückzug: Hinter der schweren Holztüre lädt der weiß getünchte Raum ein, auf einer der acht Holzbänke zu verweilen.

Die neunte Station des Rundwegs ist die Sankt-Ignatius-Klause im Berglwald. Hier lässt sich nach einem Pilgermarsch gut rasten, befindet sich doch an der Stelle, wo einst die Kapelle stand, heute eine Wirtschaft mit großem Biergarten. Daneben, hinter einem Bretterzaun, ragt der Kalvarienberg in die Höhe, der dem Wäldchen seinen Namen gibt. Überwachsene Stufen führen hinauf zu einer Kreuzigungsgruppe. Die imposanten Statuen der biblischen Darstellung von Jesus am Kreuz mit den beiden Sündern an seiner Seite sind am Karfreitag noch stets Ziel vieler katholischer Oberschleißheimer.

Die Route des Klausenwegs und weitere geschichtliche Informationen sind im Internet unter www.oberschleissheim.de abrufbar.

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