SZ-Serie "Landmarken":Heißer Ofen

SZ-Serie "Landmarken": Effizenz und Archtektur: Sauerlach beweist mit dem Geothermie-Heizkraftwerk dass es beides kann.

Effizenz und Archtektur: Sauerlach beweist mit dem Geothermie-Heizkraftwerk dass es beides kann.

(Foto: Claus Schunk)

Kraftwerke müssen grau und trist sein? Von wegen. Das Geothermie-Heizkraftwerk in Sauerlach vereint Technik und Architektur. Die wie ein überdimensionaler Heustadl aussehende Anlage versorgt zudem 16 000 Haushalte umweltfreundlich mit Strom

Von Julian Weber, Sauerlach

Heizkraftwerk ist ein sperriges Wort. Genauso sperrig, wie die riesigen Industriebauten, die es bezeichnet. Die Stromfabriken sind in der Regel trist und grau, ihre Kühltürme mit den weißen Dampfschwaden sieht man kilometerweit. Funktional und effizient müssen die Kästen sein, Architektur ist Nebensache.

In Sauerlach kann man beides: Effizienz und Architektur. Das Geothermie-Heizkraftwerk steht prominent am Ortsrand der Gemeinde, zwischen dem Hofoldinger Forst und einigen Äckern. Seit Anfang 2014 erzeugen die Stadtwerke München (SWM) hier Strom und Wärme aus heißem Wasser, das tief aus der Erde kommt.

Die oberbayerische Version des Kraftwerks verzichtet auf zwei Elemente: Es gibt keinen grauen Beton und - zumindest in Sauerlach - keinen Kühlturm. Stattdessen ist die Fassade mit naturbelassenem Lärchenholz verkleidet. Das Holz wirkt warm und vertraut, es passt zum nahen Waldrand und den Feldern - alles erinnert an einen alten Heustadl. Dann fällt der Bruch in der Fassade auf. Nach einigen Metern vergrößert sich der Abstand zwischen den horizontalen Holzprofilen, bis sie den Blick auf das Innenleben des Baus freigeben: Ein Gerippe aus Stahl trägt 36 Ventilatoren, jeder etwa fünf Meter breit, die für die Kühlung des Kraftwerks sorgen.

SZ-Serie "Landmarken": Im Innern: blanker Boden und Edelstahl.

Im Innern: blanker Boden und Edelstahl.

(Foto: Claus Schunk)

"Das Grundstück war von der Größe relativ beschränkt. Dadurch entstand die Idee, die Kondensatoren auf dem Dach des Gebäudes anzuordnen", sagt Thomas Glatzel. Mit seinem Münchner Architekturbüro SCG Architekten war er für die Entwurfs- und Ausführungsplanung der Anlage verantwortlich. Was auch bei mehrmaligem Hinsehen nicht auffällt: Durch die Lüfter ist der stilisierte Stadl etwa 20 Meter hoch - neben dem Kirchturm von St. Andreas das höchste Gebäude in Sauerlach. "Aus der Ferne ist die Größe relativ schwer einzuschätzen, da bekannte Größen wie Fenster und Türen zunächst nicht ersichtlich sind. Sie liegen hinter den Holzprofilen", so Architekt Glatzel.

Nebenan, auf der Bohrplatte, steht die Grundlage für das Heizkraftwerk: die Verbindung in die Tiefe. Drei Rohre, großer Durchmesser, jedes hat die Form eines umgedrehten U. Auf der einen Seiten führen sie in das Kraftwerk, auf der anderen in die Erde - mehr als 4200 Meter tief. "Das Ende der ersten Bohrung liegt direkt unter Sauerlach, hier wird das Thermalwasser gefördert. Die beiden anderen Bohrlöcher sind dazu da, das Wasser wieder zu verpressen", erklärt Stefan Birle, technischer Betriebsführer der Anlage. Damit das abgekühlte Wasser nicht sofort zur Förderstelle zurückfließt, liegen die Endpunkte der Leitungen etwa zwei Kilometer auseinander.

Im Raum München sind die Bedingungen für Geothermie sehr gut. Unter der Erdoberfläche befindet sich ein riesiger Vorrat an heißem Wasser, gespeichert im sogenannten Malm-Kalkstein. Die Gesteinsschicht ist fast komplett von Spalten und Rissen durchzogen, in denen sich das Wasser sammeln kann. Diese Schicht war das Ziel der Bohrungen in Sauerlach. Zwei Jahre lang wurde gebohrt. Unter guten Bedingungen schaffte der Bohrer bis zu 250 Meter am Tag, unter schlechten keinen einzigen. "Um die Löcher zu verstärken, musste das gesamte Bohrgestänge raus und ein Rohr reingeschoben werden. Dabei kann Geröll in das Bohrloch bröseln, was vielfach passiert ist", sagt Stephan Schwarz, Geschäftsführer für Versorgung und Technik der SWM.

Um aus Erdwärme Strom zu erzeugen, ist eine Menge Know-how notwendig. Für den Stadl heißt das: moderne Technik statt Bulldog, Aluminium statt Heu. Und laut ist es in den alpenländischen vier Wänden auch noch. Spätestens der graue Beton im Inneren zerstört die wohlüberlegte Illusion. Denn die Halle dient nur einem Zweck: Die Wärme nutzbar zu machen als Fernwärme oder Strom. Dazu winden sich unzählige Rohre und Leitungen kreuz und quer durch den Raum. Ihr silberner Glanz wird nur von den pechschwarzen Stellrädern der Ventilen unterbrochen. Dazwischen überwachen analoge Messgeräte die Anlage, jedes einzelne feinsäuberlich mit einer Plakette beschriftet. In der industriellen Umgebung fällt das Herzstück der Anlage sofort auf: der grasgrüne Generator. "Um effizient Strom erzeugen zu können, benötigen wir Temperaturen über 120 Grad Celsius", erklärt Schwarz.

Wie heiß das Wasser ist, hängt von der Tiefe ab. Im Durchschnitt steigt die Temperatur alle 100 Meter um etwa drei Grad Celsius. Das Thermalwasser unter Sauerlach liegt etwa 4200 Meter tief und hat eine Temperatur von rund 140 Grad - ideale Voraussetzungen zur Stromerzeugung.

Das Prinzip ist einfach: Zuerst wird das heiße Wasser an die Oberfläche gepumpte. Die Anlage in Sauerlach schafft 110 Liter - pro Sekunde. Die Wärme wird dann auf die Kreisläufe der Anlage übertragen. Dazu wird eine Chemikalie verdampft. Das sogenanntes Arbeitsmittel ist aber weder explosiv, brennbar oder giftig - also gut für den Einsatz am Ortsrand geeignet. Für das Thermalwasser ist nach diesem Schritt schon Endstation. Statt 140 hat es nur noch 35 Grad Celsius, es wird wieder in die Erde gepumpt.

Der heiße Dampf treibt eine Turbine an, der grüne Generator erzeugt elektrische Energie. Das Kraftwerk produziert Strom für 16 000 Haushalte. Mindestens 30 Jahre lang. Jedes einzelne Jahr werden so 35 000 Tonnen Kohlenstoffdioxid eingespart.

Irgendwann geht der Ofen aber aus, die Anlage baut mehr Wärme ab als die Umgebung der Bohrung nachliefert. Mit der Zeit füllt sich der Speicher dann wieder, die Energie aus der Erde ist regenerativ. Wie das Heu im Stadl.

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