SZ-Serie: In den Startlöchern:Stille Kraft

SZ-Serie: In den Startlöchern: Der Ruderer Markus Köhler vom Ruderclub Schleißheim zieht drei- bis viermal in der Woche seine Bahnen auf der Regattastrecke.

Der Ruderer Markus Köhler vom Ruderclub Schleißheim zieht drei- bis viermal in der Woche seine Bahnen auf der Regattastrecke.

(Foto: Robert Haas)

Auf dem Wasser ist Markus Köhler ganz in seinem Element. Beim Rudern auf der Regattastrecke in Oberschleißheim vereint der 15-Jährige Ausdauer und Technik. Die Sportart fordert alles, schließlich werden dabei so gut wie alle Muskelpartien beansprucht.

Von Irmengard Gnau, Oberschleißheim

Ein paar vereinzelte Sonnenbader räkeln sich auf dem Steg an der Ruderregatta. Sie genießen die Strahlen der Abendsonne. Ein leichter Wind kräuselt das Wasser. Rennradler ziehen ihre Runden um die Olympiaanlage von 1972. Markus Köhler prüft mit kritischem Blick die Bedingungen. Liegen die einhändig zu bedienenden Ruder, Skulls genannt, richtig in der Verankerung? Ist der Rollsitz auf seine Größe eingestellt? Die Schuhe festgeschnallt? Dann konzentriert sich der 15-Jährige. Auf das Signal "Ready, set, go!" stößt er sich kraftvoll ab. Die Blätter der Skulls tauchen ins Wasser, ein paar Tropfen spritzen zu den verdutzten Sonnenbadern hinüber. Markus Köhler pumpt mit aufgeblasenen Backen, während er die Beine gegen das Brett im Boden des Bootes stemmt. Nach wenigen Ruderschlägen liegt das Boot auf Kurs; jetzt gilt es, einen guten Rhythmus zu finden.

"Man spürt sofort, wenn das Skull-Blatt ein bisschen schief ins Wasser taucht", erklärt Markus Köhler. Rudern hat viel mit Technik zu tun. "Man braucht viel Gefühl", sagt Köhler und lächelt. Mehr Wasserwiderstand bedeutet mehr Kraft, die der Ruderer aufwenden muss; außerdem kann es wacklig werden, wenn der Bewegungsablauf unrund wird. Markus Köhler hat die stille Kraft, die die Ruderer ausstrahlen, schon als kleinen Jungen fasziniert.

Mit sieben, acht Jahren begleitete er seinen Vater bereits zu Regatten. "Damals konnte ich nur einen Skull auf einmal tragen", erinnert sich Köhler. Mit zehn durfte er zum ersten Mal selbst im Boot sitzen. Anfangs hielt ihn der Vater noch vom Steg aus, doch beim dritten Versuch schaffte er es schon allein um die Anlegestelle herum. Seither hat das Gefühl des Gleitens übers Wasser den 15-Jährigen nicht mehr losgelassen. Köhler fährt beim Ruderclub Schleißheim, sein Vater Jürgen trainiert ihn.

Nur der Erste wird geehrt

Dass er sich mit Rudern ein eher seltenes Sporthobby ausgesucht hat, stört Markus Köhler nicht. "Ich stehe ein bisschen aufs Extravagante. Fußball machen alle", sagt er und grinst. Dass das auf der anderen Seite auch bedeutet, dass er auf Wettkämpfen oft der einzige Teilnehmer seines Vereins in seiner Altersklasse ist und abends öfter mal keine Zeit hat, weil er noch trainieren geht, nimmt er dafür gern in Kauf. Nur die Sache mit den Pokalen wurmt ihn ein bisschen. "Bei kleineren Regatten wird oft nur der Erste geehrt", sagt Köhler. Die weiteren Platzierten gehen leer aus. In anderen Sportarten wie beim Judo zum Beispiel erhalten hingegen auch die beiden Drittplatzierten noch eine Medaille - dementsprechend voller ist das Regal mit den Auszeichnungen bei Freunden, die sich für diesen Sport entschieden haben.

SZ-Serie: In den Startlöchern: Markus Köhler nimmt Kurs auf die Deutschen Jugendmeisterschaften.

Markus Köhler nimmt Kurs auf die Deutschen Jugendmeisterschaften.

(Foto: Robert Haas)

Dieser kleine Wermutstropfen hält Markus Köhler freilich nicht davon ab, eifrig weiter zu trainieren. Drei- bis viermal pro Woche ist er mit seinem Vater auf der Regattastrecke in Oberschleißheim, im Winter stehen Muskelaufbau und Zirkeltraining auf dem Programm. Beim Rudern werden so gut wie alle Muskelpartien beansprucht. Vor Verletzungen ist er in seiner jungen Karriere bislang glücklicherweise verschont geblieben, typische Ruderkrankheiten gebe es eigentlich nicht, meint Köhler - "außer Muskelkater im Rücken und in den Beinen, aber das gehört dazu". 2017 will Köhler sein Debüt in der A-Jugend bei den Deutschen Jugendmeisterschaften geben. Heuer ist er über 1500 Meter im Einer Skull angetreten, diesmal noch bei den Jüngeren, in der B-Jugend.

"Profi werden wäre mein Traum."

Ob er es einmal so weit schafft wie sein Vorbild Marcel Hacker, der 2002 Weltmeister im Einer wurde und auch heuer bei Olympia in Rio de Janeiro wieder antreten wird, diesmal im Doppelzweier gemeinsam mit Stephan Krüger? Markus Köhler überlegt kurz. "Profi werden wäre natürlich mein Traum", sagt er. Doch einfach ist das nicht, das weiß der 15-Jährige. In den kommenden Jahren steht für ihn erst einmal der Abschluss an der Realschule in Dachau an, dann gilt es, einen Job zu finden. Am besten natürlich in einem Beruf, der ihm Möglichkeit gibt, weiter intensiv rudern zu können. Bei der Bereitschaftspolizei und bei der Bahn etwa will er sich umsehen.

SZ-Serie: In den Startlöchern: Fahrordnung an der Ruderregattastrecke Oberschleißheim.

Fahrordnung an der Ruderregattastrecke Oberschleißheim.

(Foto: Robert Haas)

Doch selbst wenn es mit der Profikarriere nicht klappt, das Rudern aufgeben würde Köhler nicht. "Ganz ohne wäre für mich keine Option", sagt er und streicht mit der Hand über die Griffe der Skulls. Draußen auf der Regattastrecke ziehen die Boote ruhig und gleichmäßig ihre Bahnen. "Etwas sehr Schönes am Rudern ist", sagt Köhler, "dass man es in fast jedem Alter machen kann". Die jüngsten Regattateilnehmer sind etwa zehn, bei Masters-Wettkämpfen reichen die Klassen bis zu einem Alter von 80 Jahren. Bevor es bei Markus Köhler so weit ist, hat er freilich noch einiges vor. An diesem Abend muss er erst einmal weg, zur Fahrstunde - der kleine Motorradführerschein steht an. Damit er künftig noch schneller und unabhängiger zum Trainieren auf die Ruderregattastrecke fahren kann.

Rudern

Zur Fortbewegung von Schiffen wird die Rudertechnik schon seit Tausenden Jahren eingesetzt, auch der Rudersport hat eine lange Tradition. Als Impulsgeber für die Entwicklung als Sport gilt das Wettrennen zwischen den Achterbooten der britischen Universitäten Oxford und Cambridge, das 1829 erstmals stattfand. Rudern gilt als besonders gesundheitsfördernde Sportart, da es nahezu alle Muskelgruppen beansprucht und gleichzeitig Ausdauer, Koordination, Herz und Kreislauf trainiert. Zudem ist das Verletzungsrisiko gering. Der Deutsche Ruderverband DRV wurde 1883 als erster deutscher Sportverband gegründet und ist nach eigenen Angaben heute mit gut 600 Mitgliedsvereinen der größte und zudem einer der erfolgreichsten Ruderverbände der Welt. Im Bayerischen Ruderverband sind etwa 10 000 Mitglieder in 50 Vereinen aktiv. gna

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