SZ-Serie "In den Startlöchern":Ellen vermöbelt keine Jungs mehr

SZ-Serie "In den Startlöchern": Beim Training in Unterföhring wirft Ringerin Ellen Riesterer Lisa Teschner auf die Matte - und umgekehrt.

Beim Training in Unterföhring wirft Ringerin Ellen Riesterer Lisa Teschner auf die Matte - und umgekehrt.

(Foto: Claus Schunk)

Mit sechs Jahren fing Ellen Riesterer an zu ringen. Bald bezwang sie auch die männliche Konkurrenz in ihrer Altersklasse. Inzwischen ist das Ausnahmetalent des SC Isaria Unterföhring 17 und muss nur noch gegen Frauen antreten.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Das Ringen liegt quasi in der Familie: Schon der Opa von Ellen Riesterer war als Funktionär für diesen Sport engagiert und Vater Klaus hat ebenfalls erfolgreich gerungen. Da lag es nahe, dass sie und ihr Bruder diesen Sport ausprobieren. Sechs Jahre alt war Ellen damals - und es hat ihr gefallen. Daran hat sich bis heute nichts geändert: Die 17-Jährige hat in ihrer jeweiligen Altersklasse bislang zweimal die Deutschen Meisterschaften gewonnen, stand bei der EM ganz oben auf dem Treppchen und konnte sich bei der Weltmeisterschaft über einen sehr guten fünften Platz freuen. Bei diversen internationalen Turnieren hat Riesterer ebenfalls gut abgeschnitten. Und wie die meisten jungen, erfolgreichen Sportler will sie zu den Olympischen Spielen. "Und natürlich eine Medaille bei einer WM holen", ergänzt die Gymnasiastin.

Seit 2009 ringt die gebürtige Freiburgerin für den SC Isaria Unterföhring. Und dort sind sie natürlich sehr stolz auf "so ein Ausnahmetalent, das man nicht alle Tage sieht", wie Andreas Huber, der Zweite Vorsitzende des Ringervereins sagt. Aber: Es komme immer wieder etwas nach. Die Zahl der Bambini-Ringer ist groß in Unterföhring, die Sportart ist bei den Vier- bis Sechsjährigen sehr beliebt, und das auch bei Mädchen, so Huber.

Wie weit man es bringen kann, ist an Ellen Riesterer zu sehen. Anfangs, so erzählt die schmale 17-Jährige, sei es bei ihr nicht so gut gelaufen. Aber Ellen wäre nicht Ellen, hätte sie sich nicht angestrengt. Durchhalten, das kann sie. Und so hat es nicht lang gedauert, bis sie gewonnen hat - gegen Jungs, die das freilich nicht besonders gut fanden. Jetzt, in der Klasse der Junioren, ringt Riesterer nur noch gegen Athletinnen. Und ist dabei äußerst erfolgreich, wie die aktuelle Titelsammlung zeigt.

Komische Sprüche hat es schon gegeben

Als Mädchen zum Ringen zu gehen und das richtig gut zu können, ist für Ellen Riesterer nie eine große Sache gewesen. Komische Sprüche hat es zwar schon gegeben, wie zum Beispiel "Ui, da muss ich ja aufpassen, dass mir nichts passiert mit dir", aber das hat die Gymnasiastin nie gestört. Ringen sei einfach ihr Sport. Was diesen so attraktiv macht? "Das Beste am Ringen ist die Vielseitigkeit, man muss alles haben", sagt Riesterer: Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Technik, Beweglichkeit. Und natürlich Lust am Training.

Die 17-Jährige trainiert sechs bis sieben Mal in der Woche; zudem nimmt sie regelmäßig an mehrtägigen Lehrgängen teil. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für anderes, was man tun muss und was man gerne macht. Ellen Riesterer besucht die Europäische Schule in München und wird dort wegen ihrer Ringer-Karriere öfters freigestellt. Was sie verpasst, muss sie freilich nachholen. 2017 will sie ihr Abitur machen - und zur Ablenkung von Schul- und Mattenstress hat die Ringerin ein Hobby, dass man der durchtrainierten jungen Frau gar nicht ansieht. "Ich koche und backe gerne", erzählt Ellen Riesterer. Der Schokokuchen als Belohnung für die ganzen Mühen, eine charmante Vorstellung.

SZ-Serie "In den Startlöchern": Ellen Riesterer (links) und Lisa Teschner trainieren gemeinsam.

Ellen Riesterer (links) und Lisa Teschner trainieren gemeinsam.

(Foto: Claus Schunk)

Dabei müssen Ringerinnen durchaus aufpassen, was sie essen - sagt Lia Teschner, die an diesem Nachmittag mit Ellen Riesterer ein lockeres Training absolviert. Gerade vor Wettkämpfen müsse man besonders gut darauf achten wegen der Gewichtsklassen, erklärt die 18-Jährige, die nach einer Abitur-bedingten Pause gerade wieder mit dem Training startet. Sonst muss man "abkochen". Damit ist die kurzfristige Reduzierung des Körpergewichts durch arges Schwitzen gemeint, das neben Ringern auch zum Beispiel Karateka oder Boxer unter Aufsicht über sich ergehen lassen müssen, wenn sie ein paar Kilogramm zu viel auf die Waage bringen, um in einer bestimmten Gewichtsklasse starten zu können.

Keine Angst vor Blumenkohl-Ohren

Ellen Riesterer und Lia Teschner brauchen das nicht. Die Bewegungen der beiden Isaria-Athletinnen sind fließend und schnell, als sie sich auf der Matte begegnen. Stirn an Stirn wird gerungen - und man kann gar nicht so schnell schauen, wie sie sich abwechselnd aufs Kreuz legen. Wie es um das Verletzungsrisiko steht bei dieser Sportart? Nicht so arg wie etwa im Fußball, sagt der stellvertretende Isaria-Vorsitzender Andreas Huber. Wehtun kann man sich allerdings schon. Gefährdet sind vor allem Schultern, Ellenbogen, Arme und Hände. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Ellen Riesterer sich von einer Verletzung erholen hat müssen.

Angst vor den sogenannten Blumenkohl-Ohren muss Riesterer nicht haben. Dabei handelt es um eine typische Verletzung, die beim Ringen auftritt. Wenn Blutergüsse in der Ohrmuschel nicht sofort richtig behandelt werden, kann das äußere Ohr dauerhaft entstellt sein. Aber Ellen geht mit Ohrenschützern auf die Matte. Auch Ringerinnen sind eitel.

Ringen

Ringen gehört wahrscheinlich zu den ältesten Sportarten mit Wettkampfcharakter. 708 vor Christus wurde der Ringkampf in die Olympischen Spiele der Antike aufgenommen, deren Premiere auf das Jahr 776 vor Christus gelegt wird. Bekannt sind aber Griffarten und Ringerschulen bereits um 3000 vor Christus in China. Das heutige griechisch-römische Ringen ist keine Fortsetzung des antiken Sports, denn damals rang man ausschließlich im Stand, wer drei Mal zu Boden geworfen wurde, hatte verloren.

Das klassische Ringen entwickelte sich Mitte des vorigen Jahrhunderts in Italien und Frankreich, das Freistilringen hingegen in Anlehnung an die Antike in England. In Athen 1896 stand Ringen in der griechisch-römischen Stilart mit nur einem Wettbewerb ohne Beschränkung des Körpergewichts auf dem Programm. Das Freistilringen kam in St. Louis 1904 hinzu. Seit den Olympischen Spielen von Athen im Jahr 2004 gehört das Frauen-Ringen zum Programm. Gerungen wird im Freistil.sz

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