SZ-Serie "In den Startlöchern":Biegen und fliegen

SZ-Serie "In den Startlöchern": Noemi Rentz vm TSV Gräfelfing hat im Stabhochsprung noch große Ziele.

Noemi Rentz vm TSV Gräfelfing hat im Stabhochsprung noch große Ziele.

(Foto: Stephan Rumpf)

Als Stabhochspringerin beweist Noemi Rentz beim TSV Gräfelfing Mut.

Von Jana Treffler, Gräfelfing

Den Stab fest im Griff, vom Startpunkt aus einen großen Schritt zurück und dann anlaufen. Volles Tempo - bis zum Einstich in den Kasten im Boden am Ende der Anlaufbahn. Der Stab biegt sich gewaltig und katapultiert die Springerin hinauf. Meterhoch geht ihr Flug, bestenfalls über die Latte. "Erst wird man ganz klein und dann schießt man vor", beschreibt Noemi Rentz das Gefühl dabei. Genau diesen Moment nach dem Absprung, wenn der Kopf ausgeschaltet ist und der Körper sich aufrollt, liebt die 16-Jährige an ihrer Sportart. Für Außenstehende ist Stabhochsprung beeindruckend, schwer nachvollziehbar und für die wenigsten nachahmenswert.

Laute Musik dringt aus den Boxen am Sportplatz des Kurt-Huber-Gymnasiums in Gräfelfing. Bei den Stabhochspringern des TSV herrscht gute Laune, wenn einer nach dem anderen in die Höhe fliegt und dann auf einer dicken Weichbodenmatte landet. Der Verein ist im Bereich Stabhochsprung perfekt ausgestattet und zieht junge Sportler aus ganz Süd- und Ostbayern an. Aufgebaut wurden Abteilung und Stützpunkt von Trainer Matthias Schimmelpfennig, der in seiner Jugend selbst gesprungen ist und dann als Student aus dem Münsterland nach München kam. Damals gab es nicht mal Stäbe, geschweige denn eine Sprunganlage in Gräfelfing.

Heute ist der Verein gut ausgerüstet mit einem Wagen voller Stäbe, die pro Stück zwischen 450 und 1000 Euro kosten. Von der Anlage ganz zu schweigen. "Dieser Sport ist materialaufwendig", sagt Schimmelpfennig. Nicht nur deswegen sei der Stabhochsprung eine ungewöhnliche Disziplin. Der Bewegungsablauf ist komplex. Anfänger müssen lange durchhalten, bis sich die ersten Erfolge einstellten.

SZ-Serie "In den Startlöchern": Nur nicht die Latte berühren. Stabhochspringerin Noemi Rentz beim Training.

Nur nicht die Latte berühren. Stabhochspringerin Noemi Rentz beim Training.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die meisten Stabhochspringer kommen aus anderen Leichtathletik-Disziplinen oder waren vorher Turner. Rentz startete zuvor vor allem im Hochsprung. Jetzt fährt sie zweimal in der Woche von Bad Aibling nach Gräfelfing, um mit den Glasfieberstäben ganz andere Höhen in Angriff zu nehmen. Springen und Techniktraining stehen dort auf dem Programm, Kraft und Turnen trainiert sie in Bad Aibling. Zwei Stunden lang dauert die Fahrt im Zug zum Sportplatz in Gräfelfing. Die Zeit nutzt sie zum Lernen für die Schule.

Trotz aller Begeisterung verzweifelt die junge Sportlerin manchmal an ihrer Disziplin: Als sie etwa im Juli an der Qualifikation für die bayerische Meisterschaft scheiterte, lag das nicht an der mangelnden Höhe. Die hatte sie locker genommen. Nur fiel der Stab gegen die Latte und riss sie herunter. Für dieses Jahr ist die Wettkampfsaison vorbei. Dann stehen auch mal andere Aktionen auf dem Programm der Gräfelfinger Stabhochspringer: Turmspringen oder Bungee-Jumping, Hauptsache Nervenkitzel. "Stabhochspringer sind immer ein bisschen verrückt", sagt Trainer Schimmelpfennig. Sie brauchen diesen Wunsch, an die Grenzen zu gehen und darüber hinaus, um in dem Sport Erfolg zu haben.

"Ich liebe den Adrenalinkick", sagt auch Rentz. Nur nicht zu viel nachdenken, sonst ist es vorbei - schon gar nicht an die schlimmen Unfälle, die in dieser Sportart immer wieder mal vorkommen. Stabhochspringen ist neben der ganzen Kraft und Schnelligkeit eben auch Kopfsache. Oft sind Sportler körperlich fit, aber sie können plötzlich einfach nicht mehr abspringen. Rentz sind solche Probleme fremd. Dafür aber hat sie den nötigen Ehrgeiz. Ihre Bestleistung von 3,40 Metern wird sie sicher bald toppen: "Ich will zeigen, was ich kann", sagt sie, "noch höher hinaus."

Schmiedehämmer und Bullenspringen

Hundertmeterlauf, Weitsprung und Schlagballwurf hat jeder bei den Bundesjugendspielen hinter sich bringen müssen. Wer aber hat schon mal mit einem Hammer geworfen oder ist 3000 Meter lang gelaufen und dabei über Hindernisse und Wassergräben gesprungen? Die Leichtathletik hat einige ausgefallene Disziplinen in ihrem Repertoire. Die olympischen Sportart Gehen zum Beispiel betreibt kein Mensch im Landkreis. Dabei haben gerade die ungewöhnlichen Sparten oft eine spannende Historie. So wie der Wurfhammer heute aussieht, wurde er erst im 19. Jahrhundert entwickelt: Eine Eisenkugel, 7,26 Kilo schwer, mit einem gut einen Meter langen Draht und einem dreieckigen Handgriff, löste das Sportgerät der Iren und Kelten ab, die tatsächlich früher ihre Schmiedehämmer mit Holzstiel zu Wettbewerbszwecken durch die Gegend schleuderten. Hammerwerfen ist für Männer seit 1900 olympisch, Frauen starteten erst hundert Jahre später. Der Hindernislauf soll um 1850 von Studenten aus Oxford erfunden worden sein, die Pferderennen nachspielten. Erstmals olympisch wurde die Disziplin 1900, für Frauen 1998. Wie den Diskuswurf gab es in der Antike Vorläufer des Stabhochsprungs: Auf Kreta schwang man sich mit langen Stäben über Bullen. Olympische Disziplin ist die Sportart seit 1896. Das Material der Stäbe wandelte sich von Eschenholz über Bambus, Aluminium und Stahl bis zu den heutigen Glasfiberstäben.hilb, stga

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