SZ-Adventskalender:Tierische Einsamkeit

Iris Langemann, Klientin des Sozialpsychiatrischen Dienstes in Ottobrunn, vermisst ihren Hund, der vor einem Jahr gestorben ist. Doch einen passenden Nachfolger zu finden, ist nicht so einfach

Von Laura Zwerger, Ottobrunn

Als sie im Krankenhaus wieder zu sich kommt, gilt ihr erster Gedanke dem Hund. "So lange der Hund noch lebt, darf ich nicht sterben." Monatelang hat sie unter enormen Druck gelitten, bis es zu viel wurde und ihr die Luft wegblieb - seitdem weiß sie, dass sie an Herzinsuffizienz erkrankt ist.

Iris Langemann (Name geändert) hat mit ihrem Ehemann nahe München gelebt. Insgesamt 45 Jahre lang waren Iris und Jörg verheiratet, doch in den letzten zehn Jahren ihrer Ehe hat Jörg sich stark zu verändern begonnen. "Irgendwann war er nicht mehr der Mensch, den ich geheiratet habe", erinnert sich Langemann. "Ich habe ihn gebeten, sich Hilfe zu suchen, damit es uns - und auch mir - wieder gut geht."

Doch vergeblich. Er habe sich immer weiter verändert, sie oft verbal stark verletzt. Als sie eines Tages nach Hause kommt, bleibt ihr dann einfach die Luft weg. "Mir ist ganz schwarz vor Augen geworden und ich konnte nichts mehr sehen, nur noch hören", erzählt die mittlerweile 75-jährige Seniorin. Per Notarzt hat man sie damals ins Krankenhaus gebracht und Herzinsuffizienz attestiert - kurz darauf trennte sie sich im Jahr 2008 von ihrem Mann.

Sieglinde Windorfer, Ottostr. 34a in Ottobrunn
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"Ich weiß gar nicht, was ich noch alles stricken soll", sagt Iris Langemann. Viel lieber würde sie mit einem Hund spazieren gehen.

(Foto: Florian Peljak)

Von da an lebt Langemann alleine in einer Wohnung in Ottobrunn. Zu ihrer einzigen Tochter hat sie kaum mehr Kontakt, einen Halt hat sie aber immer bei ihrer Hündin Sophie gefunden. Seitdem diese jedoch vor etwa einem Jahr verstorben ist, leidet Langemann zunehmend unter der Einsamkeit. "Ein Leben ohne Hund ist so viel ärmer, wenn man sonst nichts hat", sagt sie. "Damals mit Hund, da habe ich alles geschafft, auch weil ich es musste." All ihre Vertrauten seien bereits verstorben, Freunde habe sie kaum. Jetzt sitze sie nur noch auf dem Sofa, lausche einem Hörbuch und stricke - "was ich noch stricken soll, weiß ich aber bald echt nicht mehr". Erzählt sie von ihrem Leben und ihrer jetzigen Einsamkeit, steigen ihr immer wieder Tränen in die Augen. Doch bei all ihrer Traurigkeit verliert sie eines nie: einen gewissen Galgenhumor.

Dass sie sich gerade in einer traurigen Phase ihres Lebens befindet, sieht sie dabei nicht unweigerlich als eine depressive Erkrankung an. "Ist doch normal, dass man vorübergehend in einem schwarzen Loch sitz", sagt sie. Dennoch hat Langemann immer wieder Kontakt mit dem Team des Sozialpsychiatrischen Dienstes in Ottobrunn. Seit 2012 ist sie Klientin dort, in Gesprächen findet sie in dieser für sie schweren Phase Hilfe. Mittlerweile geht sie alle vier Wochen zu Einzelgesprächen mit den Pädagogen. "Veranstaltungen im Altersheim oder ähnliches geben mir einfach nichts", erklärt sie. "So alt bin ich noch nicht."

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Beim Sozialpsychiatrischen Dienst könne sie Gespräche auf Augenhöhe führen und auch darüber hinaus schätze sie die Hilfe des Dienstes: "Neulich hat mich Frau Depkat angerufen und einen Besuch einer Dame mit Hund vorgeschlagen", berichtet Langemann. Sie wünsche sich nämlich nichts mehr, als einen neuen vierbeinigen Gefährten bei sich, bisherige Versuche sind jedoch alle gescheitert.

Bei einem aus dem Tierheim vermittelten Hund habe sie sich bereits auf die nächsten gemeinsamen Jahre gefreut, allerdings "war er sehr panisch und hat ruckartig an der Leine gerissen - ich wäre fast hingefallen und konnte mich gerade noch an einem Tor auffangen", so die Seniorin. Sie habe danach nur geweint. "Das kann ich dem Hund nicht antun", sagt sie und fügt an: "Und mir auch nicht."

Doch um wieder gemeinsam mit einem Hund den Alltag gestalten zu können, braucht es ein Tier, das bereits sozialisiert und erzogen ist. Langemann leidet nämlich seit Kindheitstagen an Morbus Perthes, einer sogenannten Hüftkopferweichung, weshalb sie ihr eines Bein nicht stark belasten kann. Als Siebenjährige wurde sie damals behandelt, im Alter von 38 Jahren kehrte die Krankheit jedoch zurück. Einem Hund könne sie daher nur eine artgerechte Haltung ermöglichen, wenn dieser frei laufen könne und so nicht auf ihr Lauftempo angewiesen sei.

Diesen Wunsch möchte sie aber noch nicht aufgeben, sie habe ihr ganzes Leben bereits Hunde oder andere Tiere gehabt. "Selbst einen Raben habe ich aufgezogen und wieder ausgewildert", erzählt sie. "Er hieß Anton und war frech wie Oscar." "Ich hoffe immer noch, dass ich einen Hund bekomme", sagt sie. Derweil hat sie wieder ein Ersatztier: Sie füttert einen Igel, der abends zu ihr auf die Terrasse kommt.

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