SZ-Adventskalender:Musik verbindet

SZ-Adventskalender: Band 'Routerockers' beim Proben in der Jugendfreizeitstätte 'Route 66' in Haar, Band mit Inklusions-Jugendlichen, für den Adventskalender, 23.November 2016, Foto : C : Stephan Rumpf

Band 'Routerockers' beim Proben in der Jugendfreizeitstätte 'Route 66' in Haar, Band mit Inklusions-Jugendlichen, für den Adventskalender, 23.November 2016, Foto : C : Stephan Rumpf

(Foto: Stephan Rumpf)

Bei den Route Rockers treten Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam auf.

Von Christina Hertel

Es ist ein Song, bei dem man mitwippen muss, automatisch, immer noch. "Another Brick in the Wall" von Pink Floyd. "Hey teacher, leave them kids alone! - Hey Lehrer, lass die Kinder in Ruhe!" Man will mitschreien, auch wenn man schon lange nicht mehr zur Schule geht. Das klappt auf der großen Bühne. Und im kleinen Keller. AC/DC-Poster hängen an der Wand, es ist ein bisschen duster, Notenständer und Boxen stehen herum - der Probenraum der Route Rockers im Haarer Jugendhaus, einer Band aus Menschen mit und ohne Behinderung.

"Du musst näher ans Mikrofon hingehen, sonst hört man dich nicht, Carola", sagt Franz Meier-Dini. Er ist ausgebildeter Musiklehrer für Menschen mit Behinderung und bezeichnet sich als "Dirigent" der Band. Wie im Orchester läuft es bei ihm aber nicht ab. Bei der Probe springt er zwischen Keyboarder, Bassistin und Schlagzeuger hin und her, zählt ein, wippt mit, gibt Handzeichen. Carola Tomlinson hat das Downsyndrom und singt in der Band zusammen mit Johanna Huttner, sie sitzt im Rollstuhl, sowie Anita Ziegler. "Es ist völlig egal bei uns, wer was hat", sagt Meier-Dini. Seine Haare sind schulterlang, manchmal hat er eine Kappe auf wie Angus Young, der Gitarrist von AC/DC. Inklusion ist aus seiner Sicht erst erreicht, wenn man nichts mehr dazu sagen muss, wer was hat. Wenn Kategorien wie "behindert" und "normal" aufgelöst sind.

"Kann man die überhaupt auf die Bühne stellen?", ist so eine Frage, die Meier-Dini öfter hört und die ihn wütend macht. Genauso wenig will er aber, dass die Band nur gebucht wird, weil Menschen mit einer Behinderung dabei sind und die Zuschauer dann mitleidig auf die Bühne gucken können. Er will, dass die Route Rockers gebucht werden, weil sie gut sind.

Petar Petrovic spielt nur mit der linken Hand Keyboard, sein rechter Arm ist verkrüppelt. C, D, E, F, G steht auf seinen Tasten. Er trägt ein T-Shirt der Rockband Led Zeppelin. Wie er in die Tasten haut, merkt man, dass er eher auf die härteren Töne steht - wie sein Bandkollege Martin Tomlinson, der Gitarrist und kleine Bruder von Carola, der Sängerin. Von den Stiefeln bis zum T-Shirt trägt er Schwarz. Zurzeit spielt die Band aber eher die Klassiker: "Sweet Home Alabama", "Lady in Black". "Alles, was von der Taktung einfach und nicht zu hoch zu singen ist", sagt Tomlinson.

Auf der Bühne stehen gibt allen Menschen Selbstbewusstsein

In dieser Zusammensetzung gibt es die Route Rockers etwa seit einem Jahr. Das Ziel von Meier-Dini, der die Band gegründet hat, ist, einen Raum zu schaffen, in dem sich alle akzeptiert fühlen - egal welche Behinderung sie haben. Das funktioniert auch. "Immer wieder kommt jemand zu mir und sagt: Hier kann ich so sein, wie ich bin", erzählt Meier-Dini. Kleine Wehwehchen seien auf der Bühne vergessen. "Musik machen, auf der Bühne stehen gibt allen Menschen Selbstbewusstsein", sagt er - Menschen mit einer Behinderung vielleicht besonders.

Vor Kurzem haben sie ihre erste CD aufgenommen. 140 Stunden Arbeit. "Das ist ja bloß der Anfang", sagt Florian Eisenberg. Er spielt die Bongos, leidet auch unter dem Downsyndrom. "Und was ist dann das Ende?", fragt Meier-Dini zurück. "Ein Ende gibt's doch gar nicht." Florian ist der Showman der Band, er lacht, tanzt, wippt mit - und spielt eben nebenbei seine Bongos. Auf der Bühne, bei den Proben kann er sich ausleben. Und wenn mal etwas daneben geht, ist das auch nicht schlimm.

SZ-Adventskalender: Geben den Ton an: Carola, Anita und Johanna (von rechts).

Geben den Ton an: Carola, Anita und Johanna (von rechts).

(Foto: Stephan Rumpf)

"Es macht so viel Spaß, ich könnte jeden Tag proben", sagt Robert Kolb, der Schlagzeuger. Er ist Anfang 40, psychisch krank, lebt in einer Einrichtung. Wenn er spricht, klingt es immer ein bisschen hektisch. Aber man merkt auch: Er freut sich ehrlich, hier zu sein, und er ist ehrgeizig. Mit Mittelmäßigkeit gibt er sich so schnell nicht zufrieden. "Ich will besser werden", sagt Kolb immer wieder. Wenn er Schlagzeug spielt, stehen ihm die Schweißperlen auf der Stirn.

Es ist also nicht nur Spaß, etwas Ernst ist bei den Route Rockers auch dabei. Und wer ernsthaft Musik macht, findet Meier-Dini, sollte dafür auch bezahlt werden. Das heißt: Ohne eine kleine Gage spielen die Route Rockers nicht mehr. Für ihn ist das eher eine Frage der Anerkennung, doch tatsächlich können die Route Rockers ein paar Euro extra auch immer gut gebrauchen. Finanziert werden sie eigentlich über das Jugendhaus Route 66 in Haar, dessen Träger der Kreisjugendring München-Land ist. Doch das Budget ist nur groß genug für das Nötigste. Die Kosten für Ausflüge oder die Anfahrt, wenn ein Auftritt einmal weiter weg ist, müssen die Bandmitglieder selbst tragen.

Die Band sieht sich nicht nur bei den Auftritten und Proben. Auch privat unternehmen sie ab und zu etwas. Vor gut einem Jahr ist die Band zusammen in den Urlaub gefahren, aber nicht in ein Vier-Sterne-Hotel, sondern auf einen Segeltörn. Johanna Huttner, die im Rollstuhl sitzt, musste herumgetragen werden, das Boot war zu eng. Anstrengend war das, aber am Ende hat es alle zusammengeschweißt. Eine Erfahrung, die die Route Rockers gerne wiederholen möchten, nur erst einmal nicht auf einem Segelschiff. Die Band würde gerne einmal zusammen nach Hamburg fahren und ein Musical besuchen - "König der Löwen" zum Beispiel.

Info

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