Straßennamen in Putzbrunn:Brauner Schatten

Straßennamen in Putzbrunn: Nach dem Raketenbauingenieur Wernher von Braun, der im Zweiten Weltkrieg für die Militärmaschinerie Nazi-Deutschlands arbeitete, ist eine Straße in Putzbrunn benannt.

Nach dem Raketenbauingenieur Wernher von Braun, der im Zweiten Weltkrieg für die Militärmaschinerie Nazi-Deutschlands arbeitete, ist eine Straße in Putzbrunn benannt.

(Foto: Claus Schunk)

Durch die Diskussion über belastete Straßennamen sieht sich der Putzbrunner Arbeitskreis Ortsleitbild desavouiert. Man habe die Gemeinde sogar auf problematische Fälle hingewiesen. Im Rathaus wurde das offenbar übersehen.

Von Wolfgang Krause, Putzbrunn

Eine Debatte über die NS-Vergangenheit wollte Hanns Joachim Kyrein nicht anstoßen, im Gegenteil. "Ein bisschen mehr Identität" sollten die Zusatzschilder zur Erklärung von Putzbrunner Straßennamen stiften, die er mit seinen Mitstreitern von der Ortsleitbild-Projektgruppe erarbeitet hat. Dass mit der Wernher-von-Braun-Straße und der Michael-Haslbeck-Straße zwei Männer geehrt werden, die in die NS-Diktatur verstrickt waren, hätte auf den Schildern auch gar nicht erwähnt werden sollen. Das stieß auf Kritik, und nun wird seit Monaten genau über diese beiden Straßen diskutiert. Kyrein passt das gar nicht. "Der ganze Arbeitskreis ist desavouiert", sagte er bei einem Treffen der Ortsbild-Arbeitskreise.

Koordinatorin Ulrike Strobl nannte es dagegen richtig, dass diese Diskussion geführt wurde. Auch sie zeigte sich aber unglücklich darüber, dass die zweijährige Recherche der Gruppe zu fast zwanzig überwiegend nach Flurnamen und Personen der Ortsgeschichte benannten Straßen deshalb völlig untergegangen sei. Ihr ist noch ein anderer Punkt wichtig. "Unsere Aufgabe war es zu recherchieren", sagte Strobl. Man habe der Gemeinde lediglich eine Liste übergeben und sogar darauf hingewiesen, dass zwei problematische Namen darauf standen. Die Entscheidung, welche Zusatzschilder aufgehängt werden, sei dann allein Sache der Gemeinde gewesen.

Im Rathaus wurde die Liste allerdings offensichtlich nicht richtig überprüft. Jedenfalls störte sich niemand an den unkritischen Texten für die Zusatztafeln zu dem von den Nazis eingesetzten Bürgermeister Michael Haslbeck und dem Raketeningenieur Wernher von Braun, der Zwangsarbeiter für die Aufrüstung der Wehrmacht ausbeuten ließ. Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) sagt, er habe die Liste "überflogen" und die beiden Namen wohl übersehen: "Mir war das gar nicht bewusst." Und so begann die Gemeindeverwaltung laut Klostermeier um den Jahreswechsel, nach und nach die Zusatzschilder aufzuhängen.

Allerdings war Klostermeier nach eigenen Angaben bereits seit Herbst aus anderen Gründen mit der Wernher-von-Braun-Straße befasst. Bürger hätten ihn auf dessen Rolle in der NS-Zeit hingewiesen, weshalb er den Gemeinderat über eine Umbenennung abstimmen lassen wollte. Beschlossen wurde Ende März dann immerhin eine ausführliche Zusatztafel zum Straßenschild. Wernher von Braun soll darauf nicht nur, wie vom Arbeitskreis vorgeschlagen, als Raketeningenieur vorgestellt werden, sondern auch als mitverantwortlich für Verbrechen der Nazi-Diktatur. Allerdings hängen diese Zusatzschilder noch nicht. Laut Klostermeier arbeitet der zuständige Rathausmitarbeiter die Beschlüsse nach und nach ab. Wann es so weit sei, könne er nicht sagen.

Straßennamen in Putzbrunn: "Mir war das gar nicht bewusst": Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) sagt, er habe die Liste nur überflogen.

"Mir war das gar nicht bewusst": Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) sagt, er habe die Liste nur überflogen.

(Foto: Claus Schunk)

Eine wissenschaftliche Arbeit zur Geschichte Putzbrunns verzögert sich

Bereits aufgehängt wurden dagegen die von der Ortsleitbild-Gruppe vorgeschlagenen Zusatzschilder in der Michael-Haslbeck-Straße. Darauf ist nur Haslbecks Amtszeit als Bürgermeister - 1935 bis 1945 - sowie sein Geburts- und sein Sterbejahr aufgeführt. Dass Haslbeck von den Nazis eingesetzt wurde, wird nicht erwähnt. Einen ausführlicheren, kritischen Text oder eine Umbenennung der Straße, wie sie bereits in den Neunzigerjahren unter anderem der Haarer Holocaust-Überlebende und Zeitzeuge Max Mannheimer gefordert hatte, lehnte der Gemeinderat ab. Beschlossen wurde auf Vorschlag der Grünen im April aber, eine wissenschaftliche Arbeit zur Geschichte Putzbrunns von 1933 bis 1955 in Auftrag zu geben, also zur NS-Zeit und zur Entnazifizierung.

Die Gemeinde hat dafür laut Klostermeier 2000 Euro eingeplant, sollte das nicht reichen, werde man noch etwas drauflegen. Man wolle demnächst Ratschläge einholen, wie man weiter vorgehen soll - unter anderem aus Hohenbrunn, wo die NS-Zeit bereits aufgearbeitet wurde. Dies verzögere sich allerdings, weil die zuständige Mitarbeiterin im Putzbrunner Rathaus in Urlaub sei. Wie man in Sachen Michael-Haslbeck-Straße weiter vorgehe, hänge vom Ergebnis der Untersuchung ab, die voraussichtlich recht schwierig werde, sagt Klostermeier.

Über Haslbeck sei wenig bekannt, abgesehen von der "Flaschenpost", die ihm zugeschrieben werde. Klostermeier meint damit eine Bierflasche mit Lobeshymnen des NS-Bürgermeisters auf Adolf Hitler und den Nationalsozialismus, die bei Renovierungsarbeiten in der Kirche St. Stefan aufgetaucht ist. "Wir hoffen sehr, dass wir was finden", sagt Klostermeier, "da ist sehr viel vernichtet worden."

Beim Treffen der Ortsleitbild-Arbeitskreise wurde die Auslobung der wissenschaftlichen Arbeit allgemein begrüßt. Kyrein mahnte allerdings zur Vorsicht. Mit Blick auf die lebenden Mitglieder der Familie Haslbeck warnte er davor, alte Wunden aufzureißen. Arbeitskreise-Koordinatorin Strobl sah das anders: "Klarheit ist immer besser."

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