Straßenausbaubeiträge:Loblied auf das gallische Dorf

Auftakt Winterklausur CSU-Landtagsfraktion

Die Freien Wähler zeigen der "Strabs" die rote Karte.

(Foto: dpa)

Freie-Wähler-Chef Aiwanger hält den Kampf von Hohenbrunn gegen Straßenausbaubeiträge für wegweisend. Er wirbt für das Volksbegehren zur Abschaffung der "Strabs", um der Regierung Druck zu machen.

Von Christina Hertel, Hohenbrunn

Hohenbrunn, Brennerei Peter Berger, Informationsveranstaltung des Ortsverbandes der Freien Wähler Hohenbrunn

Verfechter eines Volksbegehrens gegen die "Strabs": Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler in Bayern, beim Besuch in Hohenbrunn.

(Foto: Angelika Bardehle)

Vielleicht ist Hohenbrunn so etwas wie das gallische Dorf bei Asterix und Obelix. Eigentlich hoffnungslos unterlegen, aber doch unbesiegbar. Vielleicht hatte Hohenbrunn auch einfach bloß Glück. Hubert Aiwanger, der Bundesvorsitzende der Freien Wähler, sieht in der Gemeinde wohl Ersteres: Der Widerstand aus der Gemeinde sei ein "Urknall" gewesen, eine "Zäsur", damit sich endlich etwas ändert in Bayern, sagte er am Dienstagabend in Hohenbrunn, in der Schnapsbrennerei des Gemeinderats Peter Berger, ebenfalls von den Freien Wählern. Aiwanger kam dorthin, um vor etwa 150 Gästen Werbung für seine Unterschriftenaktion gegen die Straßenausbaubeiträge zu machen.

Seit vielen Jahren kämpft Hohenbrunn vor Gericht dafür, seine Straßenausbaubeitrags-Satzung ("Strabs") loszuwerden. Diese regelt, dass sich Grundstücksbesitzer an den Straßenarbeiten vor ihrer Haustür finanziell beteiligen müssen. Die Gemeinde zog bis vor das Bundesverwaltungsgericht, scheiterte und will dennoch weiterklagen. Als Nächstes steht eine Entscheidung vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof an. Insgesamt hat die Gemeinde für all ihre Klagen um die 100 000 Euro ausgegeben. Womöglich könnte sich das Ganze jetzt von selbst erledigen. Die CSU will die Beiträge abschaffen. Das beschloss die Landtagsfraktion im Januar.

Aus Aiwangers Sicht wäre es ohne Hohenbrunn nicht so weit gekommen. Denn der Gerichtsstreit der 9000 Einwohner zählenden Gemeinde brachte Erkenntnis für den gesamten Freistaat. Fest steht seitdem: Alle Kommunen müssen Anlieger in der Regel an den Kosten für den Straßenausbau beteiligen. "Danach ist der CSU die Straßenausbaubeitragssatzung wie ein China-Böller in der Hand explodiert", sagte Aiwanger. Immer mehr Gemeinden in Bayern hätten begonnen, gegen die Beiträge zu kämpfen - bis die CSU schließlich einlenkte. Eigentlich, so möchte man meinen, könnten sich die Freien Wähler nun freuen und ihren Kampf gegen die Gebühr einstellen. Tun sie aber nicht. Sie sammeln trotzdem in ganz Bayern Unterschriften. Das Ziel: Ein Volksbegehren initiieren, das die Regelung endgültig beseitigt.

Überflüssig findet Aiwanger seine Aktion nicht: Je mehr Unterschriften gesammelt würden, desto höher sei der Druck auf die CSU, ihre Ankündigung in die Tat umzusetzen. "Wir müssen die Daumenschrauben angedreht lassen." Bis spätestens April, so erwartet es Aiwanger von der CSU, müsse ein Gesetz her. Es soll regeln, wer die Straßensanierung bezahlt, wenn die Grundbesitzer nichts mehr beisteuern.

"Betroffen sind auch Menschen, die sich verschuldet haben."

Dieses Gesetz könnte, wenn es nach den Freien Wählern geht, folgendermaßen aussehen: Die wegfallenden Beiträge würden künftig aus allgemeinen Steuermitteln kommen, etwa aus der Kfz-Steuer. Dieses Geld - nach Vorstellungen der Freien Wähler 150 Millionen Euro jährlich - sollte in einem Fördertopf des Freistaates gesammelt werden. Damit könnten die Kommunen bei der Finanzierung der Straßensanierungen unterstützt werden. Sie müssten sich aber auch selbst an den Maßnahmen beteiligen. Wie groß dieser Anteil sein sollte, darauf wollte sich Aiwanger nicht festlegen. Außerdem sollten Anlieger, die in den vergangenen vier Jahren für Sanierungsarbeiten bezahlt haben, dieses Geld zurückbekommen, findet der Politiker.

Den Vorwurf, dass durch die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge vor allem Menschen profitieren, die ohnehin genug Geld haben, weist Aiwanger zurück: Betroffen seien eben nicht nur reiche Villenbesitzer, "sondern Menschen, die sich verschuldet haben, um im Rentenalter ein Dach über dem Kopf zu haben".

Für ihn ist die Diskussion rund um die Straßenausbaubeiträge ein "Lehrstück für die Demokratie", wie er sagte: Als Politiker müsse man genau hinschauen, wo es brodelt. "Sonst wählen die Menschen komische Parteien, die Dinge nur noch schlimmer machen." In Hohenbrunn gab es für diese Worte viel Applaus. Und niemand erinnerte daran, warum Hohenbrunn überhaupt heftiger als andere gegen die Gebühren kämpft. Die Gemeinde gab ein Versprechen ab, das sie wohl nie hätte geben dürfen: Sie sagte Anwohnern aus zwei Straßen zu, dass sie garantiert nicht für die Sanierungsarbeiten vor ihrer Haustür zahlen müssten. Es kam anders.

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