Straßenausbaubeiträge:Kita-Plätze statt perfekter Asphalt

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Warum viele Bürgermeister nicht unglücklich wären, wenn Straßenausbauten künftig aus Steuern bezahlt würden.

Von Irmengard Gnau, Hohenbrunn/Unterhaching

Ob in Unterhaching oder Sauerlach, Neubiberg oder Hohenbrunn - stehen in einer Kommune Straßenerneuerungen an, ist der Streit oft nicht weit. Schuld daran ist das Wortungetüm Straßenausbaubeitrag, also die Frage: Müssen die anliegenden Grundstückseigentümer für die Erneuerungsarbeiten an ihrer Straße zahlen? Ist die Antwort ja, geht es schnell um hohe Summen, denn Kommunen können bis zu 80 Prozent der Kosten auf die Anwohner umlegen - und können heißt in diesem Fall meistens "müssen", das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 2016 in einem weit beachteten Urteil gegen die Gemeinde Hohenbrunn entschieden, wenn die Kommune finanziell nicht außerordentlich gut aufgestellt ist. Das ärgert viele Bürgermeister und Kommunalpolitiker im Landkreis, die einzelne Bürger nicht so stark belasten wollen. Dass die Freien Wähler und die CSU im Landtag nun die Straßenausbaubeiträge zur Debatte stellen, begrüßen sie.

Die Freien Wähler wollen die Straßenausbaubeiträge für die Grundstücksbesitzer gänzlich abschaffen und stattdessen Steuermittel verwenden, am besten aus der Kfz-Steuer. Ein parteiübergreifendes Lob für diesen Vorschlag verteilt der Unterschleißheimer Bürgermeister Christoph Böck (SPD). "Ich bin ein voller Verfechter dessen, dass diese Kosten nicht mehr von den Anliegern getragen werden", sagt der Sozialdemokrat. Der Verwaltungs- wie auch der juristische Aufwand seien zu hoch. Die größte Kommune im Landkreis beteiligt Anlieger seit Jahren an Ausbaukosten und kennt die Unstimmigkeiten darum. Eine Regelung über Steuermittel hielte Böck für "wesentlich besser", sagt er; über welche Steuertöpfe genau, müsse man noch diskutieren.

Für die Grundstückseigentümer in der Andresenstraße in Unterhaching käme eine solche Gesetzesänderung vermutlich zu spät. Trotz großen Protests mussten sie für den Ausbau ihrer Anliegerstraße zahlen. Anwohnersprecher Andreas Pfichner spricht sich für eine Abschaffung der Beiträge aus. Die von der CSU vorgeschlagene "Kann"-Regelung, die den Kommunen freistellen würde, Straßenausbaubeiträge zu erheben oder nicht, hält Pfichner hingegen für "Augenwischerei" und ein verfrühtes Wahlkampfmanöver. "Das wird an der Situation in den Gemeinden nichts ändern. Die Landratsämter werden in der Praxis verschuldeten Gemeinden weiter vorschreiben, die vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen", sagt er.

"Es trifft Menschen, die nicht damit rechnen."

Hohenbrunns Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU) hingegen hielte eine Wahlmöglichkeit durchaus für erstrebenswert. "Ich fände es schön, wenn man den Gemeinden die Möglichkeit lässt, auf die Straßenausbaubeiträge zu verzichten", sagt er. Der Jurist sieht in der derzeitigen Regelung einen erheblichen Eingriff in die finanzielle Eigenständigkeit der Kommunen. "Außerdem treffen die Beiträge zuverlässig Menschen, die nicht damit rechnen." Die Gemeinde will auch das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zu ihrer Straßenausbaubeitragssatzung weiter juristisch anfechten. Vergangene Woche habe er die Nachricht erhalten, dass man vor dem Bundesverwaltungsgericht ebenfalls unterlegen sei, sagt Straßmair. Nun will er vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof ziehen. Gleichwohl sagt der Bürgermeister, er hoffe sehr, "dass der Gesetzgeber das regelt."

Der bayerische Städtetag hat sich vergangene Woche klar gegen eine Abschaffung der Beiträge positioniert. Diese seien für einen großen Teil der bayerischen Städte und Gemeinden ein unverzichtbarer Beitrag, damit das Straßennetz funktioniere. Ohne die Beitragszahlungen der Eigentümer müssten alle Steuerzahler - auch Mieter - für Sondervorteile der jeweiligen Anlieger bezahlen. Auch die "Kann"-Regelung der CSU kritisiert der Städtetag. Diese würde in der Praxis dazu führen, dass die Bürger von ihrer Gemeinde eine Abschaffung der Beiträge erwarteten, so die Befürchtung. Die Finanzierung des Straßenausbaus würde dann zu Lasten anderer kommunaler Aufgaben gehen - oder das Straßennetz würde leiden, weil Ausbauten zurückgestellt werden. Zudem wären ärmere Kommunen im Nachteil.

Diese Befürchtung teilt Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) nicht. Er plädiert dafür, jedem Gemeinderat die Wahl zu lassen. "Die Kommunen sind eigenverantwortlich und klug genug, die Entscheidung selbst zu treffen", sagt er. In Kirchheim habe sich die Bürgerversammlung etwa bereits gegen Beiträge ausgesprochen. "Damit zurechtzukommen bedeutet, die Prioritäten vor Ort richtig zu setzen. Im Ergebnis kann das dazu führen, dass kleine Schlaglöcher bleiben, weil wir stattdessen neue Kita-Plätze schaffen müssen", sagt Böltl.

© SZ vom 11.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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