Städtische GWG erzürnt Mieter:Höhere Miete für Sanierungsfall

Lesezeit: 5 min

Aufruhr in Sendling-Westpark: Wohnungen der GWG werden mit kleinen Öfen beheizt, im Bad fehlt das Waschbecken - und doch will die städtische Wohnbaugesellschaft eine saftige Mieterhöhung kassieren.

M. Ruhland

Am Morgen heiß duschen, ist nicht drin. Eine Stunde braucht der Gasofen im Bad von Florian Gruber, bis er das Wasser im Boiler erwärmt hat. Das dauert dem Ethnologie-Studenten einfach zu lange. Also macht er sich in der Küche auf dem Gasherd Wasser warm und wäscht sich Gesicht und Haare in einer Schüssel. Ein Waschbecken gibt es im Bad nicht. Auch keine Heizung. Gasöfen sind nur in der Küche und einem der zwei Zimmer.

Bad ohne Waschbecken: Die Häuser in Sendling-Westpark aus dem Jahr 1954, die der städtischen Wohnbaugesellschaft GWG gehören, sind stark sanierungsbedürftig. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Florian Gruber wohnt in Sendling-Westpark in einem der alten Reihenhäuser, einer 1954 hochgezogenen Arbeitersiedlung, die der städtischen Wohnbaugesellschaft GWG gehört. Der ausgebildete Kameramann war froh, als er vor drei Jahren in eine der kleinen Wohnungen einziehen konnte. Er wollte studieren und brauchte eine billige Bleibe.

Sechs Euro pro Quadratmeter betrug die Grundmiete. Für die 43 Quadratmeter große Wohnung musste er inklusive Betriebskosten monatlich 350 Euro an die GWG überweisen, dazu kamen noch etwa 35 Euro für Strom und Gas. "Ich habe mich darauf eingelassen, mir macht es nichts, dass es kalt ist", sagt Gruber. Für eine gleichgroße Wohnung mit besserer Ausstattung hätte er im teuren München sonst deutlich mehr bezahlen müssen.

Beim Treffen mit ihm ist der Küchentisch übersät mit Anwaltsbriefen und seiner eigenen Korrespondenz mit der städtischen Wohnbaugesellschaft. Es läuft eine Klage, Anfang Februar ist der Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht anberaumt. Vor einem Jahr, Gruber wohnte gerade etwas mehr als zwei Jahre in der Hinterbärenbadstraße, erhöhte die GWG die Miete um 15 Prozent. 6,90 Euro sollte er von Februar 2010 an als Grundmiete zahlen. Der Student sah das nicht ein, zumal in der Wohnung der Putz abbröckelte und der Boiler im Bad nicht mehr richtig funktionierte. Auf seinem Computer demonstriert er, was herauskommt, wenn man den Mietspiegel-Bogen online mit den Ausstattungsmerkmalen seiner Wohnung ausfüllt: 4,59 Euro Grundmiete pro Quadratmeter.

Florian Gruber ließ sich vom Mieterverein beraten. Der bestätigte ihm, dass die Erhöhung nicht gerechtfertigt sei. Der Student wollte die Sache gütlich bereinigen und machte einen Vorschlag. Die GWG sollte für ein Waschbecken im Bad, Warmwasser in der Küche und eine Heizung im zweiten Zimmer sorgen - dann würde er mehr Miete zahlen. "Statt darauf einzugehen, begann die Verwaltung, mich mit Briefen unter Druck zu setzen und am Telefon zu beleidigen", erzählt Gruber.

"Mich stresst das wahnsinnig"

Wenige Tage nachdem er der Wohnbaugesellschaft einen geharnischten Brief geschrieben habe, in dem er ihr vorwarf, die Mieter einzuschüchtern, sei ihm die Klage zugestellt worden. Inzwischen ist der Student mürbe geworden. "Ich hab ehrlich gesagt keine Lust mehr, mich stresst das wahnsinnig", sagt er.

"Kernaufgabe der GWG ist, die Münchner Bürgerinnen und Bürger mit preiswertem und anspruchsvollem Wohnraum in allen Lebenslagen zu versorgen." Das teilt das Unternehmen, 1918 als "Gemeinnützige Wohnstätten- und Siedlungsgesellschaft mbH" gegründet, auf seiner Homepage mit. Knapp 27.000 Wohnungen gehören zum GWG-Konzern, der zu 100 Prozent Eigentum der Landeshauptstadt ist.

Der kaufmännische Geschäftsführer Dietmar Bock macht keinen Hehl daraus, dass die GWG noch viele Wohnungen besitzt, die von Grund auf saniert werden müssen. Das heißt meist entkernen, oft auch abreißen und neu bauen. "Wir schaffen im Durchschnitt 200 Wohnungen im Jahr", sagt Bock. Mehr sei kaum zu machen, "neuer Wohnungsbau ist ein teures Vergnügen". 3500 Wohnungen seien noch einzelbeheizt, berichtet der Geschäftsführer, sie besitzen also Bäder, in denen das Wasser mit Gas, teils auch noch mit Kohle erhitzt werden muss. Zwanzig Jahre, schätzt Bock, dauere es, alle diese Häuser auf modernen Stand zu bringen.

Warum aber bekommen Mieter in nicht sanierten Wohnungen eine saftige Mieterhöhung? "Solange es einen Spielraum gibt, nutzen wir den auch aus", sagt Dietmar Bock und klingt dabei nicht anders als ein Manager eines Dax-Konzerns, der auf Rendite und Aktienkurs schielt. Der Spielraum, das ist der örtliche Mietspiegel.

Ist die GWG also beispielsweise der Ansicht, dass ihre Wohnungen unter dem örtlichen Vergleichswert liegen, erhöht sie die Miete. "Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist auch bei einzelbeheizten Wohnungen eine Mieterhöhung möglich", sagt Bock und beteuert, dass sein Unternehmen auf soziale Härtefälle Rücksicht nehme. Könne ein Mieter nachweisen, dass er bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreitet, kappe die GWG die Erhöhung. Im Falle Florian Grubers hieße das: Statt 38 lediglich 28 Euro pro Monat mehr.

Obwohl die GWG-Häuser in Sendling-Westpark stark sanierungsbedürftig sind, hat die städtische Wohnbaugesellschaft die Mieten erhöht. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Grundsätzlich auf mehr Miete zu verzichten, solange die Wohnungen in einem erbärmlichen Zustand sind, kommt für Dietmar Bock dagegen nicht in Frage. "Wir sind trotz unserer sozialen Grundeinstellung ein Wirtschaftsunternehmen", sagt der Geschäftsführer.

In den Briefen an die Mieter in der Westpark-Siedlung war der Ton fordernd gehalten. Vom Paragrafen 558 Absatz 1 BGB ist da die Rede, der eine Mieterhöhung rechtfertigt, von einer Frist von zwei Monaten und von der Klage, welche die GWG aus Gründen "der Gleichbehandlung aller Mieter" einreichen müsse, sollte man nicht zustimmen.

"Viele Bewohner waren bestürzt. Die meisten haben aber aus Unkenntnis ihrer Rechte und aus Angst vor juristischen Folgen unterschrieben", sagt Gruber. Aus seiner ehrenamtlichen Arbeit für die Initiative für Zivilcourage wisse er, dass gerade ältere Menschen und Bürger ausländischer Herkunft eine mögliche Klage als existenzielle Bedrohung empfänden.

Zum Beispiel Gerlinde Rosenberg. Die 65-Jährige lebt seit 41 Jahren in einer GWG-Wohnung und bekam vor einem Jahr ebenfalls die 15-prozentige Mieterhöhung per Brief mitgeteilt. "Die haben mit einer Klage gedroht, also habe ich das akzeptiert", sagt die Rentnerin. Gerlinde Rosenberg trägt täglich eine Kanne Öl aus dem Keller in ihre Wohnung, "vor Gasöfen fürchtete ich mich früher". Im Bad hat sie auf eigene Rechnung einen Elektroboiler einbauen lassen.

"Ich verkehre mit denen nur noch per E-Mail"

Auf die GWG ist sie nicht gut zu sprechen. "Ich verkehre mit denen nur noch per E-Mail, weil die Hausverwaltung so unverschämt und launenhaft ist", sagt sie. Im Jahr 2002 habe die GWG ihr mitgeteilt, dass die Häuser in der Hinterbärenbadstraße voraussichtlich 2004 abgerissen und neu gebaut würden. "Jetzt schreiben wir das Jahr 2011, und wenn man nachfragt, kriegt man keine vernünftige Antwort", klagt Gerlinde Rosenberg. "Aber man muss sich doch darauf auch einstellen!" Erzürnt hat sie das jüngste Magazin der GWG, in dem von einer Umfrage die Rede war und wie zufrieden die Mieter seien. "Was da gelogen wird, das passt auf keine Kuhhaut!"

"Man hat als Mieter das Gefühl, dass die einen nicht ernst nehmen", pflichtet ihr die Nachbarin Linda Kovski bei. Auch sie habe die Mieterhöhung geschluckt - aus Angst vor Ärger. GWG-Chef Dietmar Bock dagegen versichert, dass sein Haus sich um jeden Einzelfall kümmere und sich bemühe, den Wünschen der Mieter sozial und gerecht zu entsprechen. So bekämen zum Beispiel Familien mit Kindern Nachlässe oder auch Mieter, die arbeitslos würden. Man müsse seine soziale Situation allerdings auch der Hausverwaltung schildern.

Ein Handwerker, der viel in den Wohnungen der GWG tätig ist, beschreibt die Stimmung so: "Viele haben resigniert, weil es unendlich mühsam ist, etwas zu erreichen." Er selbst empfinde es als unwürdig, dass eine 85-Jährige, die seit 50 Jahren in einer GWG-Wohnung lebe, immer noch mit Holz anschüren müsse und kein Waschbecken im Bad besitze.

Florian Gruber wartet unterdessen auf seinen Termin beim Amtsgericht. Vertreten wird er vom Mieterverein, der ihm durchaus Hoffnung macht, die Mieterhöhung abzuwehren. Inzwischen war auch ein vereidigter Sachverständiger der IHK bei ihm in der Wohnung. Dessen Fazit: "Die Wohnung (...) befriedigt höchstens einfachste Wohnansprüche."

(Namen der Mieter geändert)

© SZ vom 18.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: