Städtebau:Abschied vom St.-Florians-Prinzip

Städtebau: Interkommunale Planspiele: Würde die U 4 bis Riem verlängert, könnte Aschheim profitieren.

Interkommunale Planspiele: Würde die U 4 bis Riem verlängert, könnte Aschheim profitieren.

(Foto: Robert Haas)

Münchens Stadtbaurätin Merk will Wachstum gemeinsam mit dem Umland meistern

Von Ulrike Steinbacher, Aschheim/Unterföhring

Früher war die Sache schnell erledigt: München wächst und braucht mehr Platz? Da bediente sich die Stadt einfach im Umland, verleibte sich kurzerhand die Nachbardörfer ein und kam auf diese Weise zu neuem Baugrund. Die Strategie funktionierte an die 100 Jahre lang - von Giesing 1854 über Bogenhausen 1892 bis Aubing 1942. Unterföhring dagegen wehrte sich 1971 erfolgreich, als es im Zug der Gebietsreform dem großen Nachbarn zugeschlagen werden sollte. Und Freunde macht man sich mit solch feindlichen Übernahmen natürlich nicht. Inzwischen setzt München in der Stadtentwicklung auf völlig andere Instrumente. Interkommunale Zusammenarbeit heißt das Zauberwort. Was damit gemeint ist, erklärte Stadtbaurätin Elisabeth Merk etwa 30 Zuhörern bei einem Vortrag im Sonderprogramm zur Eröffnung des VHS-Bildungszentrums Einstein 28 in München.

"Ich rede nicht dem Wachstum das Wort", sagte Merk. Doch bei einer Prognose von 280 000 zusätzlichen Einwohnern bis 2030 gehe es darum, die Entwicklung "gut und verträglich" zu strukturieren. Dabei lasse sich die Münchner Situation nicht getrennt vom Umland betrachten. Denn die Region sei ebenfalls Zuzugsgebiet, auch sie prosperiere, auch sie habe vergleichbare Probleme. Und Verkehr, Luft und Wasser hielten sich ohnehin nicht an die Planungshoheit einzelner Kommunen, Lösungen gebe es nur in der Zusammenarbeit. Ziel müsse also sein, Kommunalpolitiker dazu zu motivieren, gerade nicht nach dem St.-Florians-Prinzip zu handeln, sondern übergreifende Entwicklungen in den Blick zu nehmen, auch wenn sie eigentlich nur den Bürgern ihrer eigenen Gemeinde, ihren Wählern, verpflichtet seien.

In der Praxis gibt es da nach Meinung der Stadtbaurätin Licht und Schatten. Einerseits kritisiert sie mangelnde Unterstützung vom Freistaat. Der müsse seine Betrachtungsweise auf größere Räume ausdehnen. Andererseits aber sieht sie in der Region seit der Wahl 2014 "eine neue Generation von Kommunalpolitikern" am Werk. "Da merkt man, da fängt was in den Köpfen an", urteilt Merk. Sie selbst nutze Gremien wie den Regionalen Planungsverband oder Kontakte zu Initiativen wie dem Heideflächen- oder dem Erholungsflächenverein, um Münchner Themen zu platzieren. Und dann sei da noch der Bürger mit seinem Alltagsverständnis, der sich überhaupt nicht um Gemeindegrenzen kümmere. Gerade diese Sicht müsse stärker in Entscheidungen einfließen.

Beispiele, die sich für ein gemeindeübergreifendes Geben und Nehmen eignen, bietet die Stadtentwicklung genug - die Mobilität im allgemeinen etwa und die Regionalbuslinien im besonderen. Merk nennt die Zusammenarbeit in Schulfragen. Sie verweist auf das Münchner Know-how bei der Konversion von Kasernenflächen zu Bauland, von dem Kommunen im Umland bei ihren Projekten profitieren könnten.

Ein anderes Beispiel sei die Verkehrserschließung für das geplante Wohngebiet im Nordosten Bogenhausens in der Nachbarschaft zu Aschheim und Unterföhring. Eine der drei Planungs-Varianten schlägt eine Verlängerung der U-Bahn-Linie 4 vom Arabellapark über Englschalking mit Endstation im Neubaugebiet vor; die beiden anderen Entwürfe dagegen verlängern die U 4 noch weiter, bis zum S-Bahnhof Riem, und stellen so einen Ringschluss her. Diese Varianten würden mehr kosten, doch sie hätten Vorteile - nicht nur für München. Die Stadtbaurätin formuliert das so: "Wenn ich das im gesamtheitlichen Stadtentwicklungsszenario sehe und mit dem Anschluss des Aschheimer Ortsteils Dornach, dann hat das eine ganz andere Berechtigung."

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