Stadtführung mal anders:Auf Schienen durch die Zeit

Raus aus der Altstadt, weg von den altbekannten Touristenrouten! München hat mehr zu bieten als Marienplatz und Stachus - das beweist die Tramrundfahrt.

Petra Markovic

"Wer hat keine gültige MVV-Karte?", fragt Joachim. Doch Joachim ist kein Kontrolleur der Münchner Verkehrsbetriebe, er ist Stadtführer von Stattreisen e.V. Heute nimmt er etwa 20 Personen auf eine Tour der etwas anderen Art mit: eine Tramführung. Raus aus der Altstadt, weg von den altbekannten Touristenrouten! Der rote Faden, an dem sich die Tramführung entlang hangelt, lautet: "Schöne Plätze und (un)bekannte Stadtviertel" in München. Am Stachus geht es los.

Petra Markovic Tram

Wie veränderte sich die Stadtplanung im Laufe der Geschichte? Mit der Tramführung er"fährt" man München neu.

(Foto: Petra Markovic)

Und schon geht es auf die Schienen. Mit etwas Glück schafft es die Gruppe, in der nur wenig junge Leute sind, vollständig in die gerade einfahrende Tram 27. Während der Fahrt zum Karolinenplatz, unterhalten sich schon die ersten motivierten Teilnehmer mit dem Reiseführer. Der Rest der Gruppe mischt sich zwischen die zivilen Tramnutzer.

Am Karolinenplatz steigt die Gruppe aus und hinterlässt die Trambahn fast leer. Joachim erzählt die Geschichte der Maxvorstadt, vom Bau der großen Herrschaftshäuser und ihrer quadratischen Anordnung. Auf dem Weg zur nächsten Station zeigt sich das Besondere dieser Tour.

Spazierrundgänge erzählen immer nur die Geschichte eines einzelnen Stadtviertels. Mit der Trambahn kann man in kurzer Zeit größere Distanzen zurücklegen und so die architektonischen und stadtplanerischen Unterschiede zwischen der Maxvorstadt und Schwabing verstehen - und lernen, wie und warum sie entstanden.

Die Maxvorstadt mit den rechtwinkligen Straßenverläufen luftig gebaut, mit viel Grün, Schwabing ungeplant, mit Platz für mehr Bewohner, den die wachsende Bevölkerung brauchte. Durch die Scheiben der Tram, er"fährt" man die Geschichte der Stadt entlang in Richtung Norden.

Bier statt Milch

Die Stimme vom Band tönt: "Nächster Halt: Elisabethplatz." Aussteigen, bitte. Mitten auf dem Elisabethplatz erklärt Joachim, was es mit dem Markstein, vor dem er sich postiert hat, auf sich hat: Er war früher das Ortsschild Münchens. Stadteinwärts ist das Münchner Kindl in die steinerne Säule eingeschlagen, stadtauswärts zeigt das Rautenmuster, dass von hier an wieder das Bayerische, und nicht mehr das Münchner Stadtgesetz galt.

Während Joachim noch seinen Vortrag hält, luren einige Teilnehmer zum Biergarten, der nur wenige Meter vom Markstein entfernt ist. Die Erklärung von Joachim folgt sogleich: Die Idee für das kleine Häuschen auf dem Elisabethplatz, in dem die Gaststätte Wintergarten heute ansässig ist, hatte Ende des 19. Jahrhunderts Carl Brendel. Dass dort heutzutage Bier ausgeschenkt wird, ist nicht im Sinne Brendels. Er wachte damals persönlich darüber, dass ab 5 Uhr morgens Milch ausgegeben wurde, und hatte so versucht. die "Eindämmung des Völkergifts Alkohol" voran zu treiben. Offensichtlich mit mäßigem Erfolg.

Zurück auf die Schienen. Am Nordbad zügig umsteigen, die Anschlusstram fährt gerade auf der anderen Straßenseite ein. Die Fußgängerampel schaltet auf Grün. Es wird hektisch. Es muss schnell gehen. Jochen winkt hektisch die Gruppe zu sich und schließlich schaffen es doch noch alle Teilnehmer in die richtige Tram einzusteigen.

Die nächste Station ist die Barbarasiedlung in Schwabing. In den ehemaligen Offiziers-Häusern lebt unter anderem der letzte Kutscher der Stadt. Seine Pferdewagen hat er in einem Hinterhof geparkt. Es sieht dort aus, wie in einem kleinen Dorf - mitten in der Stadt.

Für die Strecke zur letzten Station fährt Joachim mit seiner Gruppe "fremd". Der Bus in Richtung Borstei kommt vor der Tram. Also, alle wieder einsteigen, es geht nicht auf Schienen, sondern auf Rädern nach Moosach. Durch den unscheinbaren Eingang führt Joachim die Stadtteiltouristen in einen der vielen Gärten der Anlage. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut und ist auch historisch gesehen die letzte Station der Führung.

Eine Anwohnerin passiert die Gruppe. "Schwärmen's nur ruhig weiter von der Borstei. Ist schön hier", sagt sie im Vorbeigehen. Recht hat sie.

Die Führung "Mit der Tram durch (un-)bekannte Viertel" wird von Stattreisen e.V. ausgerichtet. Sie findet sonntags um 14 Uhr statt. Treffpunkt ist der Brunnen am Karstadt-Sporthaus an der Ecke Neuhauser Str. und Herzog-Max-Str. Die Tour kostet neun Euro (ermäßigt sieben Euro). Das MVV-Ticket ist nicht mit inbegriffen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

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