Stadt am Rand:Kampf um historische Sichtachse

Stadt am Rand: Schloss Fürstenried wurde 1925 auf Geheiß von Michael Kardinal von Faulhaber Exerzitienhaus. Heute steht der kirchennahe Tagungsbetrieb im Mittelpunkt.

Schloss Fürstenried wurde 1925 auf Geheiß von Michael Kardinal von Faulhaber Exerzitienhaus. Heute steht der kirchennahe Tagungsbetrieb im Mittelpunkt.

(Foto: Claus Schunk)

Die Blickbeziehung zwischen Schloss Fürstenried und Frauenkirche wird durch Wegweiser auf der Autobahn unterbrochen

Von Jürgen Wolfram, Fürstenried

Pater Christoph Kentrup, Direktor des Exerzitienhauses Schloss Fürstenried, hat einen neuen Verbündeten im Kampf um die historische Sichtachse vom Tagungszentrum der Erzdiözese München und Freising zur Frauenkirche: den Bezirksausschuss (BA) Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln.

Das Stadtteilgremium forderte die Stadt München jetzt nachdrücklich auf zu prüfen, wie die Blickbeziehung wieder hergestellt werden kann. Gestört wird sie seit einiger Zeit durch brückenartige Wegweiser über die Garmischer Autobahn. Der Bezirksausschuss A will zudem der delikaten Frage nachgehen, ob die Autobahndirektion Südbayern oder das kommunale Baureferat der Landeshauptstadt für die "Verschandelung" verantwortlich ist.

Wäre es nach der SPD-Fraktion gegangen, hätte am Ende der BA-Debatte um die 300 Jahre alte, von Hofbaumeister Joseph Effner erdachte Sichtachse die kategorische Forderung gestanden, die großformatigen Autobahnschilder wieder abzubauen und an anderer Stelle anzubringen. Es handle sich immerhin um ein "Identifikationsmerkmal" des Münchner Südwestens, das auch viele Pendler aus dem Landkreis München kennen, betonte Fraktionssprecherin Dorle Baumann. Da könnten Behörden nicht einfach hergehen und ohne zu fragen monströse Wegweiser errichten.

Bei der CSU sieht man das, trotz milderer Schlussfolgerung, ganz ähnlich. Deren Fraktionschef Reinhold Wirthl erinnerte daran, dass die Sichtachse schon mal in einer Staffelbauordnung "normativ geschützt" gewesen sei. Bis heute bestehe "für die städtischen Behörden eine sehr hohe Verpflichtung, den Ausblick vom bekannten Schloss Fürstenried auf die Frauentürme und die angrenzende Stadtsilhouette aus städtebaulichen Gründen freizuhalten". Leider hätten die verantwortlichen Stellen bisher "überhaupt keine Sensibilität gezeigt", was schon darin zum Ausdruck komme, dass sie das Landesamt für Denkmalschutz nicht einbezogen. Generell sei fragwürdig, wenn in Zeiten der Verbreitung von Navigationssystemen viel Geld in Schilderbrücken investiert werde, sagte Wirthl. Zu fordern sei mindestens ein Teilrückbau der Wegweiser sowie eine "Verkleinerung der unbedingt erforderlichen Hinweisschilder".

Erhebliche Zweifel daran hatten einzig die Grünen im Bezirksausschuss. Einen Rückbau fordern und auf diese Weise "einfach mal per Handstreich Millionen Euro an Steuergeldern zu verpulvern", das gehe gar nicht, sagte Juri Wostal. Um eine adäquate Verkehrslenkung sorgte sich Peter Sopp (Grüne): "Wer Tunnel baut, der braucht solche Schilder, braucht ein aussagekräftiges Leitsystem." Der Hinweis auf Navis in Autos sei in diesem Zusammenhang "ein Stück weit daneben", sekundierte Grünen-Fraktionssprecherin Henriette Holtz. Für den BA-Vorsitzenden Ludwig Weidinger (CSU), der den Rückbau der Schilderbrücken für "unrealistisch" hält, ist immerhin klar: "Wo man 80 Stundenkilometer fährt, müssen Autobahn-Wegweiser nicht genauso groß sein wie dort, wo 200 km/h zulässig sind."

Die Beeinträchtigung der Sichtachse Schloss Fürstenried - Frauenkirche hat vor dem Bezirksausschuss bereits Ortshistoriker wie Ernst Ziegler erzürnt. Der Vorsitzende des Historischen Vereins Forstenried sprach von einem "Akt der Barbarei". Die Bedeutung der Sichtverbindung vom Stadtrand ins Zentrum werde von den Behörden völlig verkannt. Für Klaus Bäumler vom Münchner Forum führen die "Wegweiser-Giganten" die Sichtachse "in brutaler Weise ad absurdum".

Zum Exerzitienhaus wurde Schloss Fürstenried im Jahr 1925 auf Geheiß von Michael Kardinal von Faulhaber. Nach unterschiedlichen Nutzungen, unter anderem als Lazarett und Spätberufenen-Seminar, steht heute dort der kirchennahe Tagungsbetrieb im Mittelpunkt. Bezirksausschuss-Mitglied Andrea Barth (SPD) war unlängst zu Gast. "Als ich aus dem Fenster in Richtung Frauenkirche geschaut habe, war ich fassungslos, wie man dazwischen Schilder anbringen kann", erinnert sie sich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: