Solln-Prozess: Der Lokführer:"Brunner hätte einfach nur gehen müssen"

Im Prozess um den Tod von Dominik Brunner in München hat der Lokführer das Geschehen an der Sollner S-Bahnstation geschildert. In seiner Aussage beschuldigt er Brunner schwer.

Lisa Sonnabend

Es ist nun eine Woche her, dass der Prozess um die Bluttat von Solln begann - und nach dieser einen Woche stellt sich einiges anders dar als zuvor angenommen. Fest steht inzwischen, dass es wohl Dominik Brunner war, der den ersten Schlag ausführte im Streit mit zwei Jugendlichen, die Kinder bedrängt hatten. Und dass der 50-Jährige an einem Herzstillstand starb, nicht unmittelbar an den Folgen der schweren Verletzungen, die ihm zugefügt wurden.

A combination of pictures shows defendants Sebastian L. and Markus S. before the start of their trial in the court of Munich

Markus Sch. (rechts) soll aggressiv auf Dominik Brunner eingetreten haben, berichtet eine Zeugin. Sebastian L. sei währenddessen hin und her gelaufen.

(Foto: rtr)

Die Angeklagten Markus Sch. und Sebastian L. sitzen am fünften Verhandlungstag genauso da wie vor einer Woche. Die Schultern hängend, den Blick gesenkt. Nur eines ist anders: Beide tragen inzwischen ein weißes Hemd. Obwohl natürlich auch nach einer Woche niemand von der Unschuld des 18- und des 17-Jährigen ausgeht. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft bleibt bei Mord aus niedrigen Beweggründen.

Am Dienstagnachmittag hat Matthias B. ausgesagt: Er steuerte die S-Bahn, die im Münchner Stadtteil Solln einfuhr. Der Lokführer hat den Zwist aus der Nähe mitbekommen. Er bleibt bei seiner Aussage, dass es Dominik Brunner war, der die Schlägerei begonnen hatte.

Nach dem Aussteigen habe der Manager zu ihm gesagt: "Jetzt gibt's hier hinten Ärger." Brunner habe dann seine Jacke ausgezogen und die Tasche abgestellt. "Für mich war Brunner der Angreifer", sagt der S-Bahnfahrer.

Die Angeklagten seien in Richtung Treppenausgang gegangen. Nicht auf Dominik Brunner zu, sondern an ihm vorbei. Der Lokführer schildert: "Herr Brunner ist mit zwei Schritten auf die beiden jungen Männer zugegangen und hat zugeschlagen." Markus Sch. sei dabei "etwas aus dem Mund gefallen. Ein Kaugummi oder so."

Anschließend habe die Gruppe diskutiert, Brunner habe gesagt: "Wir klären das mit der Polizei." Der Lokführer sei deswegen davon ausgegangen, die Auseinandersetzung sei beendet und ist weitergefahren. Gegen die S-Bahn sei keiner geprallt, wie andere Zeugen zuvor behauptet haben.

"Er hätte einfach nur gehen müssen, der Herr Brunner und die Jugendlichen", sagt der Lokführer noch. Dann wäre nichts passiert.

Weitere Zeugenaussagen haben zuvor am Dienstagvormittag erneut geschildert, mit welcher Wucht die Angeklagten im September 2009 am S-Bahnhof Solln auf Dominik Brunner einschlugen. Die Zeugen widersprechen sich immer wieder in ihren Aussagen, einiges bleibt im Vagen.

Die 16-jährige Schülerin Vera B. kann das Geschehen nicht mehr genau wiedergeben. Nur dass sie ihrem kleinen Bruder Raffael am Bahnsteig die Augen zugehalten habe, damit er die Schlägerei nicht mit ansehen muss. Das weiß sie noch. Über die Anzahl der Schläge und Tritte macht sie teils widersprüchliche Angaben: Ob es fünf oder 20 Tritte waren, könne sie nicht genau sagen. Auch ihr Bruder Raffael erinnert sich nur noch, dass drei Leute gekämpft haben. Er hatte jedoch gedacht, es handle sich um drei junge Männer.

Bei der Polizei hatte Vera B. drei Tage nach der Tat ausgesagt, dass einer der Täter zu Dominik Brunner gerufen hätte: "Ich bringe dich um!" Nun kann sie dies aber nicht mehr ganz sicher bestätigen.

"Hör auf!"

Der 59-jährige Zeuge Peter F. spricht von einer "ziemlich großen Kampfhandlung". Der kaufmännische Angestellte sagt: "Ich sah, wie ein Mann am Boden lag und versucht hat, sich mit den Beinen zu verteidigen." Und er habe einen Mann gesehen, der "Anlauf genommen hat, um auf den am Boden liegenden Mann einzutreten". Auch seine Frau Maria F. habe nur Markus Sch. aggressiv auf Dominik Brunner eintreten sehen. Sebastian L. sei währenddessen hin und her gelaufen, die Passanten hätten auf dem Bahnsteig geschrien: "Hör auf!"

Beim Weggehen habe Markus Sch. noch eine Siegerpose gemacht, sagen die beiden Zeugen. Genau beschreiben kann Peter F. sie nicht. Auch seine Frau bestätigt dies. Der Täter habe die Faust in die Höhe gereckt. "Ich kannte so eine Pose nur aus dem Fernsehen", sagt sie. Die beiden Zeugen haben noch gesehen, wie Dominik Brunner aufsteht. Peter F. hat deswegen gedacht: "Der ist wieder da."

Zu Beginn des fünften Verhandlungstages haben die Verteidiger beantragt, die Hilfe zweier Mediziner hinzuziehen zu dürfen, wenn kommende Woche das mit Spannung erwartete rechtsmedizinische Gutachten präsentiert wird.

Die Todesursache dürfte für den Ausgang des Prozesses allerdings keine entscheidende Rolle spielen, da Dominik Brunner ohne die Schläge und Tritte nicht zu Tode gekommen wäre. Von seiner Herzkrankheit hat er nach Informationen der Süddeutschen Zeitung nichts gewusst.

Der 80-jährige Oskar Brunner, der Vater des Opfers, sitzt nicht mehr im Gerichtssaal. Eigentlich wollte er die Verhandlung komplett verfolgen, sofern es ihm sein gesundheitlicher Zustand zulasse. Nun wurde es ihm offenbar zu viel.

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