Serie: Ein Jahr nach der Wahl, Folge 10:Auftakt mit Ausrutschern

Serie: Ein Jahr nach der Wahl, Folge 10: Der Parteilose Ullrich Sander hat Karriere in der Kommunalverwaltung gemacht, ehe er auf den Chefposten im Taufkirchner Rathaus gewählt wurde.

Der Parteilose Ullrich Sander hat Karriere in der Kommunalverwaltung gemacht, ehe er auf den Chefposten im Taufkirchner Rathaus gewählt wurde.

(Foto: Claus Schunk)

Nach den turbulenten Pötke-Jahren wurde Ullrich Sander als kompletter Gegenentwurf zum Vorgänger ins Taufkirchner Rathaus gewählt. Doch so sehr der parteilose Verwaltungsprofi sein Handwerkszeug beherrscht - auf dem politischen Parkett muss er erst noch Sicherheit lernen

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Der Slogan wirkte ein wenig abgegriffen und daher nicht gerade pfiffig . Gleichwohl überzeugte Ullrich Sander vor gut einem Jahr die Mehrheit der Taufkirchner Wähler mit der selbstbewussten Ansage:"Ich kann Bürgermeister." Der Mann aus der Pfalz war nach jahrzehntelangem Wirken an diversen Behördenschreibtischen von Kommunen der Ansicht, in der Lage zu sein, jetzt selbst die politischen Geschicke seiner neuen bayerischen Heimatgemeinde lenken zu können. Das Handwerkszeug dazu, so betonte er stets, habe er als gelernter Verwaltungsfachwirt nun mal.

"Früher musste ein Bürgermeister vor allem nett zu den Menschen sein und sollte nebenbei die Verwaltungsgeschäfte begleiten. Das reicht heute nicht mehr aus", hatte er im Wahlkampf für sich geworben. Für einen Mann, der sich im Verwaltungsrecht auskennt, den Profi in Sachen Satzungen, Verordnungen , Bauleitplanungen und Veränderungssperren. Was er womöglich unterschätzt hat, ist das, was einen Bürgermeister von einem Geschäftsleiter eines Rathauses unterscheidet: Er sollte politisches Gespür besitzen.

Nun ist Sander kein Mensch, der sich vorher irgendwo politisch engagiert hätte, zumindest ist davon nichts bekannt. Vielmehr trägt er seine Parteifreiheit offen vor sich her und vermied es auch nach der erfolgreichen Wahl als Kandidat der CSU, in die Partei einzutreten. Genau dieses Image des Überparteilichen, der noch dazu von auswärts stammt, hatte Sander damals neben seinem beruflichen Know-how die nötigen Stimmen für den Wahlsieg beschert. Ein bisschen langweilig vielleicht in seinen Vorträgen, aber kenntnisreich und unbelastet, was die Querelen der Vergangenheit Taufkirchens betrifft - so kam er rüber.

Damit war er auch ein Gegenentwurf zu seinem Vorgänger Jörg Pötke, den eloquenten Zuspitzer, der mit Gerissenheit und Intelligenz seine Freude an der Auseinandersetzung auslebte, seine Gegner in die Verzweiflung trieb, in Verwaltungsdingen gerne mal pragmatische, mitunter auch eigenwillige Entscheidungen traf und letztlich auch mit seiner Art, mit den Leuten umzugehen, scheiterte. Von Sander nun erhoffte man sich, dass er im Rathaus alles in geordnete Bahnen lenken möge und Taufkirchen seine Vergangenheit endlich hinter sich lässt. Doch so einfach war die Rechnung nicht.

Während Sander wenige Wochen nach seinem Amtsantritt noch von einer hoch motivierten Mannschaft im Rathaus schwärmte und das Miteinander im Gemeinderat pries, klingt sein Resümee nach einem Jahr zwar weiterhin positiv, aber weitaus zurückhaltender. Mit Lob geht er sparsamer um. "Veränderung braucht Zeit", sagt er. Es sei für viele auch schwierig, sich auf jemanden einzustellen, der "konkrete Vorstellungen" von Verwaltung habe, sagt er und fügt an: "Es dauert, bis das Personal den Pulsschlag des Bürgermeisters spürt." Nicht jeder im Rathaus hat offenbar den gleichen wie Sander: Von dem neuen Wirtschaftsförderer trennte sich der Bürgermeister schnell wieder, die Hauptamtsleiterin zog es vor, künftig in Karlsfeld zu arbeiten.

Sander sieht das gelassen. Veränderungen gebe es in den Verwaltungen auch anderswo ständig. Allerdings habe er für 19 Stellen, die Anfang 2014 noch unbesetzt gewesen seien, Personal gefunden, betont er stolz. Dass einige von den Neuen, wie sein persönlicher Referent, aus Hohenbrunn kommen, wo seine Frau einige Jahre in der Gemeindeverwaltung tätig war, hält er selbst für unbedenklich. "Ich hole mir natürlich Leute, die ich kenne. Das machen andere Chefs doch auch so", weist Sander Kritik an seiner Personalpolitik zurück. Insgesamt sieht er sein Rathaus auf einem guten Weg, die Arbeit mit den Abteilungsleitern mache "Spaß". "Es werden immer mehr, mit denen es funktioniert." Auch die Zusammenarbeit mit seinen Stellvertretern Alfred Widmann (SPD) und Rudi Schwab (Grüne) bezeichnet der Bürgermeister als "unschlagbar" und lobt den Sachverstand der beiden. Sie hätten in dem einen Jahr viel angeschoben, einige Firmen hierher geholt, das Projekt "Soziale Stadt" vorangetrieben, ein neues Konzept mit einem neuen Wirt für das Kulturzentrum erstellt, den Hachinger Tisch in der Lindenpassage untergebracht. "Wir können auf vieles stolz sein", sagt Sander.

Man merkt es ihm an, wie er seine Auftritte als Bürgermeister genießt. Wie es ihn anscheinend noch immer bei repräsentativen Aufgaben unbändig freut, dass er diesen Job bekommen hat. Wenn er bei der Bourns Sensors GmbH an der Eschenstraße mit Mr. Bourns zur Eröffnung das Band durchschneidet oder beim Spatenstich für eine Body-Flying-Anlage mit Jochen Schweizer und Airbus-Chef Tom Enders mitmachen darf und dabei so dreinschaut, als hätte er soeben die Wahl gewonnen. Solche Termine machen ihm sichtbar mehr Spaß als die zahlreichen Wortmeldungen seiner Gemeinderatsmitglieder und deren Anträge, die er als alter Verwaltungsfuchs wohl mitunter für überflüssig hält.

Zwei Jahre Zeit gibt sich Sander, um das Rathaus für sich einzunorden. So lange wie auch dem Gemeinderat. Denn auch mit dem Gremium, sagt er, sei es "schwierig", schwieriger als er dachte. Die Beschlüsse würden zwar oft einstimmig gefasst. Doch dass so viel geredet wird, habe er "in dem Maß noch nicht erlebt". Das klingt fast so, als könnte er die Schwierigkeiten der Vergangenheit ein wenig nachvollziehen. Als würde er vielleicht sogar Jörg Pötke ein kleinwenig verstehen. Nicht dessen Art, aber sein Ansinnen, hier aufzuräumen.

So etwas äußert er natürlich nicht. Im Gegenteil: Sander stemmt sich mit aller Macht gegen jegliche Versuche seines Vorgängers, Kontakt zum Rathaus zu halten. Daher landeten die Mails des Ex sogar auf der Spam-Liste der Gemeindeverwaltung. Nur die Sache mit dem Bürgermeisterfahrrad, das sein Kämmerer in einem amtlichen Schreiben von Pötke zurückforderte, entglitt ihm und endete letztlich 1:0 für den Ehemaligen. Die Verwaltung musste das alte "Herkules" selbst bei Pötke abholen. Da hatte Sander die Streitlust, den Drang nach öffentlicher Beachtung und das Durchhaltevermögen seines Vorgängers offenbar unterschätzt.

Zwar war die Dienstrad-Affäre nur eine Posse und in der Sache wenig bedeutend für die Kommunalpolitik in Taufkirchen. Gleichwohl zeigte das Agieren Sanders, dass er lange nicht erkannte, welche Außenwirkungen seine Statements haben können. Bei dem Schlagabtausch mit Pötke musste er letztlich zurückrudern und am Ende das Gegenteil vertreten von dem, was er zuvor angekündigt hatte. Für großen Wirbel sorgte das aber nicht.

Anders hingegen wurde eine Passage seiner Neujahrsansprache wahrgenommen. Die Aussage des Bürgermeisters, "die Menschen in diesem Land haben dafür gearbeitet, dass es ihnen gut geht und nicht dafür, dass sie die Welt versorgen", empörte nicht nur politische Gegner, sondern auch Freunde in der CSU. So ließ CSU-Gemeinderätin Angelika Steidle den Neuen in ihrer Starkbierrede wissen: "Als Bürgermeister müssen Sie darauf achten, wann und wo Sie was sagen." Zwar versuchte man in der CSU, Sanders unglücklichen Worte mit dessen politischer "Unerfahrenheit" zu entschuldigen. So einfach ist es aber nicht.

Sander war zuvor zwar nie selbst Politiker. Doch er war in den Rathäusern, in denen er bislang arbeitete, nie irgendeine kleine Nummern, sondern - wie er selbst gern betont- die rechte Hand des Bürgermeisters. Er weiß also um die Außenwirkung des Amtes. Auch bleibt Sander bis heute - vier Monate nach dem Neujahrsempfang - dabei, durchaus bewusst diese Passage in seinen Text eingebaut zu haben. Schließlich habe er als Bürgermeister die Möglichkeit, vor vielen Zuhörern auch mal Dinge anzusprechen, die viele Leute bewegten, sagte er kürzlich. Dass dies aber solche Wellen schlage, habe er unterschätzt, fügt er hinzu.

Mit seiner jüngsten Androhung, notfalls gegen die erneute Unterbringung von Asylbewerbern zu klagen, hat sich Sander zudem abermals auf dünnes Eis begeben. Er muss es sich daher gefallen lassen, dass Bürger ihm "Stammtisch-Gerede" vorwerfen und ein "Menschenbild, das mit christlicher und sozialer Verantwortung nichts mehr zu tun hat und ein Maß an Zynismus und Menschenverachtung widerspiegelt, welches vielleicht bei der AfD, der Pegida oder anderen rechten Gruppierungen gut aufgehoben wäre", wie es in Leserbriefen heißt. Ihn ficht das nach außen hin nicht an. Vielmehr rühmt sich Sander des Zuspruchs, den er für seine Äußerungen von vielen anderen erhalte.

David Grothe, Fraktionssprecher der Grünen, sieht das so:" Alle ziehen an ihm und am Rathaus, aber er wählt die Richtung nicht aus." Er vermisse bei Sander die politischen Inhalte, mit denen man in Taufkirchen etwas verändern könne. Grothe findet: "Ein Bürgermeister ist mehr als ein Verwalter, er ist auch ein Richtungsgeber."

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