Schäftlarn/Pullach:Alles im Fluss

Wie sich die Zeiten ändern: Sein Urgroßvater transportierte noch Holz und Güter auf der Isar, Michael Angermeier fährt Ausflügler mit dem Isarfloß durch den südlichen Landkreis nach München

Von Gregor Bauernfeind, Schäftlarn/Pullach

Die Stadt München würde es ohne die Isarflößer nicht geben. Da ist sich Michael Angermeier sicher. Das ganze Holz aus dem Oberland, überhaupt alles was aus Richtung Italien raufgekommen ist, sei früher per Floß in die Stadt gebracht worden. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts war die Familie Angermeier auf dem Fluss. Michael Angermeier ist Flößer in vierter Generation. Anders als seine Vorfahren, die in der Blütezeit der Isarflößerei um die Jahrhundertwende vor allem Holz und Waren transportierten, fährt er heute Ausflügler durch den südlichen Landkreis.

Fünf bis sechs Stunden dauert die Fahrt von Wolfratshausen nach München auf dem 18 Meter langen und 20 Tonnen schweren Floß, das Platz für 60 Personen bietet. "Schwimmende Biergärten" seien sie, sagt Angermeier. Eine Band ist mit an Bord, es wird gegrillt und es gibt Bier vom Fass, denn, so Angermeier: "Eine Floßfahrt ohne Bier ist wie ein Winter ohne Schnee." Ab und zu fällt auch mal jemand rein. "Aber die haben wir noch alle wieder rausbekommen", sagt Angermeier. Mit Leuten umgehen zu können, sei eine wichtige Eigenschaft des modernen Isarflößers. Es hilft auch, Frühaufsteher zu sein, denn der Arbeitstag beginnt um fünf Uhr früh, wenn die Flöße für die Fahrt vorbereitet werden, und endet um sieben Uhr abends.

Isarfloßfahrt im Mühltal bei Strasslach, 2016

Die Floßrutsche in Mühltal ist weltweit die größte ihrer Art. Die Flöße erreichen dort eine Geschwindigkeit von bis zu 40 Kilometer pro Stunde - zum Gaudium der Ausflügler, die entsprechend nass werden.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Und den Fluss müsse man gut kennen, das gilt für Angermeier heute noch genauso wie für seinen Urgroßvater vor 150 Jahren. Denn die Isar verändert sich ständig, "die sucht sich ihren eigenen Weg". Mit jahrelanger Erfahrung könne man dann eher einschätzen, wo unter der Wasseroberfläche Sandbänke lauern oder wo mittreibende Bäume gerne hängenbleiben, erzählt Angermeier, der selbst seit mehr als 50 Jahren als Isarflößer unterwegs ist. Frei fließt die Isar nur noch an wenigen Stellen, etwa bei Baierbrunn. Früher war sie noch wilder, doch heute kontrollieren Kraftwerke den Wasserabfluss. "Man hat der Isar so viel Wasser genommen", beklagt Angermeier. Dafür gehören die Wehre der Kraftwerke Mühltal, Höllriegelskreuth und Pullach jetzt zu den Höhepunkten jeder Isarfloßfahrt. Denn die werden mittels Floßrutsche überwunden. Die in Mühltal ist 345 Meter lang, hat ein Gefälle von 17 Metern und ist damit die größte der Welt. Mehr als 40 Kilometer pro Stunde werden die Flöße dort schnell.

Am Floß selbst hat sich wenig geändert seit den Zeiten, in denen der Urgroßvater die Strecke befahren hat. Noch immer werden Baumstämme mit Drahtgeflechten und Eisenseilen zusammengezurrt, das vordere Ruder hat der vorne stehende "Fürk", hinten steuert der "Stürrer" das Floß aus, das ohne eigenen Antrieb auf die Strömung der Isar angewiesen ist.

Nur dass die Flöße an der Lände in Thalkirchen jetzt zerlegt, in Einzelteilen auf Lastwagen verladen und zurück zum Ausgangspunkt nach Wolfratshausen gefahren werden, sagt Angermeier, das haben die Alten nicht fassen können, damals, als es in den Fünfzigerjahren endgültig zu Ende ging mit der Flößerei zu Transportzwecken und man sich ganz auf Touristen konzentrierte. Vorbei waren da längst schon die Zeiten, in denen Menschen auf Flößen reisten, vom Oberland nach München und von dort weiter zur Donau, mit dem "Ordinari-Floß" einmal die Woche sogar bis nach Wien.

Serie: touristische Ziele

Flößer Michael Angermeier und sein Sohn Stefan bereiten sich derzeit auf den Beginn der Saison vor.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Auf die lange Familientradition auf dem Wasser ist Michael Angermeier stolz. "Das ist ja das Schöne: Bei uns ist das noch mit dem alten Handwerk verbunden", sagt er. Neumodische Konstruktionen, die mit Plastikfässern unter der Wasseroberfläche nachhelfen, lehnt er ab. "Das ist Tourismus pur", sagt er, "bei uns hat das Tradition."

Das soll sich so schnell nicht ändern. Auch sein Sohn Stefan, die fünfte Generation, steht als "Fürk" auf dem Floß und fährt für den väterlichen Betrieb Gäste über Schäftlarn, Baierbrunn und Grünwald nach München. Eines Tages soll er übernehmen. "Die Flößerei vererbt sich in der Familie", sagt Michael Angermeier. "Das hat man im Blut."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: