Schädling:Kritik am Käfer-Kahlschlag

Schädling: Andreas Egl zeigt im Riemer Wäldchen durchlöchertes Holz.

Andreas Egl zeigt im Riemer Wäldchen durchlöchertes Holz.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im Riemer Wäldchen werden 1000 Bäume gefällt. Anwohner und Naturschützer rügen das Vorgehen

Von Melanie Just, Riem

Pünktlich zu Beginn des Infoabends zum Asiatischen Laubholzbockkäfer (ALB) fängt es an zu regnen im Riemer Wäldchen. Hier, im Gewerbegebiet Ost, am De-Gasperi-Bogen und am Sigmund-Riefler-Bogen in der Messestadt, haben Baumkletterer kürzlich an sieben Bäumen Spuren des Käfers entdeckt - einem Schädling, der mittlerweile nicht nur im östlichen Landkreis sondern auch unter Bürgern am Stadtrand Unruhe auslöst. Denn Anfang Juli laufen die Bekämpfungsmaßnahmen an, und die bedeuten: Vorsorglich soll nach Behördenangaben eine vierstellige Zahl von Bäumen gefällt werden - jeweils im Umkreis von 100 Metern an den sieben Fundstellen.

In einem Waldstück, das wegen des Schädlings bereits 2012 abgeholzt worden ist, informiert Andreas Egl, Forstoberrat beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ebersberg (AELF), bei diesem Termin über den aktuellen Stand sowie das weitere Vorgehen in der Messestadt. Die Behördenstrategie stellt nicht alle zufrieden. Was wäre, wenn die Fällungen gestoppt werden und "man den Käfer einfach machen lassen würde", will ein Bürger wissen. Damit lässt er Kritik am Kahlschlag durchblicken, die viele Bürger in den betroffenen Vororten und auch Umweltaktivisten äußern. So spricht sich der Landesvorstand des Bundes Naturschutz (BN) gegen das übliche Verfahren einer Ausrottung im 100-Meter-Radius aus. "Mit den großflächigen Fällungen schaffen wir jedenfalls eine Baumvernichtung, die der Käfer selbst niemals schaffen würde. Wie lange soll das so weitergehen?", heißt es in einer Pressemeldung der BN-Kreisgruppe München.

Forstoberrat Egl hält indes am radikalen Vorgehen fest: Der aus China eingeschleppte Käfer lasse mit seinem Appetit auf gängige deutsche Baumarten einen Wald zwar nicht verschwinden. Nach spätestens zehn Jahren bringe er jedoch die befallenen Bäume zum Absterben. Nach seinen Worten würde ein Wald nicht mehr 100, sondern wohl nur noch 40 oder sogar nur noch 20 Jahre alt werden.

Ein markanter Bestandteil des Riemer Waldes ist der sogenannte Frauenwald 2000. Im Jahr 1998 haben hier Ehrenamtliche 2000 Bäume gepflanzt. "In mühsamer Arbeit haben wir auf 4000 Quadratmetern ein wachsendes Denkmal für 2000 Frauen geschaffen, die herausragendes für unsere Gesellschaft geleistet haben", berichtet Eva Plutz, eine der beiden Initiatorinnen des Frauenwaldes. Ein Großteil dieser Bäume soll in den kommenden Wochen ebenfalls weichen, da es sich in einer der Quarantänezonen befindet. Immerhin sollen einige Bäume des Mischwaldes stehen bleiben: Eichen und Kiefern schmecken dem Käfer aus Asien nicht.

Trotz vieler kritischer Fragen zeigen die Bürger bei der Infoveranstaltung durchaus Verständnis. "Es geht ja vor allem darum, andere Wälder und Gärten zu schützen", schaltet sich ein Teilnehmer in das Gespräch ein. Auch die kurze Reaktionszeit der Behörden hebt er lobend hervor: "Auf unserem Grundstück gab es schon zweimal den Verdacht eines Befalls. Ein Anruf genügte, und die Verantwortlichen waren da." Die Bedenken, die viele Münchner haben, dass der Käfer in Richtung Innenstadt vorrückt, kann Egl jedenfalls nicht teilen. "Bisher gibt es keine konkreten Funde oder Anzeichen dafür, dass sich der Käfer dort angesiedelt hat."

Sicher ist, dass nichts sicher ist: Weder wohin er sich ausbreiten, noch wie lange es dauern wird, bis dem Käfer der Garaus gemacht werden kann. In Passau, aber auch in Kanada und den USA dauerte es zehn Jahre, bis die dortigen Quarantänezonen aufgehoben werden konnten, also der Schädling als ausgerottet galt. Bisher gibt es in Bayern vier Stellen, an denen der Käfer gefunden wurde. "Die derzeitige Kenntnislage ist, dass der Käfer als ausrottbar gilt. Damit müssen wir der EU-Richtlinie nachkommen und alle befallene Gewächse sowie mögliche Wirtsbäume fällen", sagt Egl. Am Abend im Riemer Wald kommt auch die Frage nach der Kostenübernahme auf. Eigentümer können nach der bayrischen Baumschutzverordnung dazu verpflichtet werden, für jeden gefällten Baum einen neuen zu pflanzen. Die Fällungen zahlt die Stadt.

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