SZ-Serie: In den Startlöchern:Learning by Aua

SZ-Serie: In den Startlöchern: Die Sauerlach Bogenschützin Nadine Appelt beherrscht ihr Sportgerät.

Die Sauerlach Bogenschützin Nadine Appelt beherrscht ihr Sportgerät.

(Foto: Claus Schunk)

Höhere Weihen im Bogenschießen erlangt nur, wer sein anspruchsvolles Gerät zu kontrollieren lernt - ansonsten wird es schmerzhaft. Nadine Appelt von den Sauerlacher Schützen beherrscht ihren Sport.

Von Michael Morosow, Sauerlach

Beim Zielschießen im Sherwood Forest, zu dem der Sheriff von Nottingham alle Bogenschützen der Umgebung eingeladen hatte, tat sich bekanntlich der Wegelagerer und Frauenschwarm Robin Hood in trefflicher Weise hervor, als er mit seinem Pfeil den im Schwarzen steckenden Pfeil seines Finalgegners der Länge nach spaltete.

Es ist nicht zu erwarten, dass bei den Olympischen Bogenwettbewerben im Stadion Sambódromo da Marquês de Sapucaí einer Schützin oder einem Schützen dieses Kunststück gelingen wird. Wenn schon, dann wäre diese Sportart wenigstens für einen Moment in das Zentrum des weltweiten Interesses gerückt. In einer Weise wie zu Zeiten, als der Kinoheld Rambo mit seinem Compound-Bogen im Minutentakt Bösewichte aus dem Weg schoss, dazu einen vietnamesischen Offizier mit einem Pfeilbogensprengsatz in die Luft jagte - und gleich darauf ein Run auf die Bogenschießvereine einsetzte.

Susanne Maurer, Vorsitzende der Sauerlacher Bogenschützen und mehrfache bayerische und deutsche Meisterin, erinnert sich noch gut an ein paar Münchner Burschen, die im Tarnanzug zum Schnuppertraining kamen und ihre eigenen, für sie viel zu harten Bögen mitbrachten: "Die haben drei Mal geschossen, dann sind sie rumgehangen wie die Katze am Pressack." Solche Rambotypen sind besser aufgehoben neben dem Schlaghagel im Boxring.

Bogenschießen ist die Geige im Orchester der olympischen Disziplinen

Bogenschießen ist die Geige im Orchester der olympischen Disziplinen. Höhere Weihen erlangt nur, wer mit Geduld und Hingabe sein technisch höchst anspruchsvolles Gerät zu beherrschen lernt. Hier gilt es den Ton zu treffen, dort die Scheibenmitte. Aber anders als ein Geigenvirtuose, der die Saiten bis zum letzten Akkord in Schwingung hält, legt es der Bogenschütze darauf an, die Zugkraft von bis zu 60 englischen Pfund in dem Bruchteil eines Wimpernschlags von der Sehne auf den Pfeil zu übertragen. Eine winzig kleine Ungenauigkeit - und das Ziel ist verfehlt.

Auf der Terrasse vor der Schützenhalle lässt es sich eine heitere Runde erfahrener Schützen und Frischlinge gut gehen. Gleich wird das Schnupperschießen beginnen, das der 1989 gegründete Klub von Mai bis Mitte September an jedem zweiten Freitag anbietet. 169 Mitglieder, darunter 32 Kinder und Jugendliche, spannen auf der Anlage an der Hofoldinger Straße ihre Bögen. Viele von ihnen haben schon bayerische und deutsche Meistertitel nach Sauerlach geholt. Beim Bau des Vereinsheims und der Schützenhalle haben sie Hand angelegt.

SZ-Serie: In den Startlöchern: Treffsicher: Nadine Appelt.

Treffsicher: Nadine Appelt.

(Foto: Claus Schunk)

Der Rasen muss kurz sein, damit man die Pfeile wiederfindet

Der Rasen neben der Terrasse, auf dem in drei Linien Zielscheiben aufgestellt sind, ist penibel und kurz geschoren. Drei Mal in der Woche sitzen Vereinsmitglieder dazu auf dem Rasenmäher. "Vier Stunden sitzt man jedes Mal drauf", sagt Bertram Maurer, erfahrener Schütze, zweiter Vorsitzender und Ehemann der Vereinschefin. Warum die Bogenschützen einen Wimbledonrasen benötigen? "Er muss so kurz sein, damit man die Pfeile, die das Ziel verfehlt haben, nicht lange im hohen Gras suchen muss", sagt Susanne Maurer. Fehlschüsse werden "Gras-Zehner" genannt. Und wenn man pfeilgenau in die Mitte der Scheibe trifft? Dann hat man ins Goldene und nicht ins Schwarze getroffen.

Mit am Tisch auf der Terrasse sitzt ein junger Mann, dessen kernige Oberarme keinen Zweifel an einer bärigen Zugkraft aufkommen lassen. Vor einem Jahr hat der 26-Jährige Zimmerer Michael Schöpperle mit dem Bogenschießen begonnen, damit nebenbei einen Bandscheibenvorfall kuriert, vor allem aber schon bald den "Herz-Zehner" getroffen. Nadine Appelt heißt der Volltreffer, 26 Jahre jung, bildhübsch, sympathisch natürlich. Der Held ihrer Kindheit hieß Robin Hood.

SZ-Serie: In den Startlöchern: Bogenschießen Sauerlach: Nadine Appelt hat noch einige Pfeile im Köcher.

Bogenschießen Sauerlach: Nadine Appelt hat noch einige Pfeile im Köcher.

(Foto: Claus Schunk)

Auch sie ist seit einem Jahr Bogenschützin, aber ihr Talent, gepaart mit Geduld und gesundem Ehrgeiz, lässt die alten Hasen im Verein staunen. Auf Anhieb holte sie bei den jüngsten Vereinsmeisterschaften den Titel in der Anfängerklasse mit 470 von 600 Ringen. Der Zweitplatzierte kam auf 268 Ringe. Sie will und sie wird noch viel besser werden. "Das Problem steht meistens hinter dem Bogen", sagt sie. Die Haltung des linken Unterarms beim Loslassen des Pfeiles stimmt schon weitgehend. Wenn nicht, streift die zurückschnellende Sehne den Schleimbeutel und hinterlässt blaue Flecken. "Learning by Aua" nennt die Angestellte einer Handwerker-Galerie das. Vier Positionen gilt es der Reihe nach abzurufen, bis der Pfeil auf die Reise geschickt wird.

Uraltes Können mit ultramoderner Technik

Konzentration ist dabei das A und O. "Den Bogen spannen und die eigene Kraft spüren, das Ziel fixieren, die Explosion von Energie im Moment des Loslassens fühlen, uraltes Können mit ultramoderner Technik", steht im Flyer der Bogenschützen. Am besten sei es, wenn man alle Positionen so weit verinnerlicht, dass "es" schießt, sagt Nadine Appelt, deren zweites Hobby Yoga ist. Die Außenwelt im Moment des Schießversuchs ausblenden, das ist für die junge Frau die größte Herausforderung. Das freilich ist leichter gesagt als getan, zumal draußen auf der Hofoldinger Straße Schwertransporter vorbeidonnern und gleich hinter dem Zaun die Vereinigte Schützengesellschaft zuweilen mit Vorderladern loslegt, "dass der Rauch aufsteigt", wie Vereinschefin Maurer aus eigener Erfahrung weiß. "Das Mentale muss ich noch verbessern" sagt Nadine Appelt. Früher sei man zur Übung mit gespanntem Bogen vor dem Fernseher gesessen mit dem Sinn, das eine zu tun, ohne die Konzentration für das andere zu vernachlässigen, berichtet Bertram Maurer. Nadine Appelt übt auch zu Hause vor dem Fernseher. Mit einem Thera-Band stärkt sie ihre Schultermuskeln. Vielleicht nur dann nicht, wenn Robin Hood über den Bildschirm flimmert.

Koreas Stärke

Pfeil und Bogen sind dem Menschen seit mindestens 14 000 Jahren als Jagdwaffe vertraut. 1972 bei den Olympischen Sommerspielen in München, wurde das Bogenschießen nach 52 Jahren Pause wieder ins olympische Programm aufgenommen. Geschossen wird über die Distanz von 70 Metern mit einem Recurvebogen, dessen Hauptmerkmal die zurückgebogene Form der Wurfarme ist. Für Deutschland gehen Florian Floto und Lisa Unruh an den Start, ohne realistische Titelchancen. Favoriten sind traditionell die Südkoreaner, vor allem die Damen, die seit 1988 bis auf eine Ausnahme alle Goldmedaillen holten. Geschossen werden je 36 Pfeile auf 90/70/50/30 Meter (Männer), beziehungsweise 70/60/50/30 Meter (Frauen). mm

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