Rückblick 2016:Schlachthof hinterlässt Gräben

Rückblick 2016: Beim Bürgerentscheid jubelten am Ende im Rathaus die Gegner eines Schlachthofs in Aschheim.

Beim Bürgerentscheid jubelten am Ende im Rathaus die Gegner eines Schlachthofs in Aschheim.

(Foto: Claus Schunk)

Der Aufschrei ist groß: Die Gemeinde Aschheim verhandelt mit einem Investor, der ein Schlachtzentrum bauen will. Anwohner fühlen sich überrumpelt und protestieren. Am Ende kippen sie das Projekt in einem Bürgerentscheid

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Es gibt kommunalpolitische Projekte, die einmal diskutiert und abgelehnt zu den Akten gelegt werden. Und es gibt solche, die die Debatte über Monate bestimmen und auch Jahre nach ihrer negativen Entscheidung noch weiter wirken. Ein solches könnte der Schlachthof in Aschheim werden. Das umstrittene Projekt hat die Gemeinde jedenfalls in diesem Jahr in die Schlagzeilen gebracht, und das nicht nur im Landkreis.

Auch in der Landeshauptstadt blickten die Bürger interessiert bis argwöhnisch nach Aschheim, als die Pläne des Fleischhändlers Albert Oppenheim bekannt wurden. Der Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen hatte sich ein freies Grundstück im Aschheimer Gewerbegebiet an der A 99 ausgeguckt, um dort mit Hilfe eines britischen Projektentwicklers einen Schlachthof zu errichten - ein "regionales Fleischhandelszentrum mit eigener Produktion" wie es hieß.

Im Gemeinderat kam der Fleischhändler damit gut an, bei den Anwohnern hingegen gar nicht. Während es Oppenheim in nicht-öffentlichen Sitzungen gelungen war, teils sogar die einstimmige Zustimmung des Gemeinderats zu seinen Plänen zu erhalten, erhob sich unter den Aschheimer Bürgern lauter Protest, als das Projekt publik wurde. Ängste kochten hoch, seriöse Umweltbedenken und wilde Gerüchte vermengten sich.

Auch in München sorgten sich Kommunalpolitiker

Dass das Schlachtzentrum angeblich regional ausgerichtet sein und zuverlässig Millionen an Gewerbesteuern in die Gemeindekasse spülen sollte, zogen viele stark in Zweifel. Auch in München sorgten sich Kommunalpolitiker und Anwohner der Ludwigsvorstadt, der Neubau vor den Toren der Stadt solle vor allem dazu dienen, den städtischen Schlachthof von der Zenettistraße nach Aschheim zu verlagern, um an kostbare Bauflächen im Münchner Zentrum zu kommen.

Die Aschheimer Anwohner kanalisierten ihren Protest rasch. Binnen weniger Tage sammelten sie mehr als 1500 Unterschriften gegen den Schlachthof, genügend für ein gültiges Bürgerbegehren. So erzwangen sie schließlich, dass die Aschheimer über das Schicksal des Schlachthofs entscheiden durften. Der heftige Protest überrollte die Kommunalpolitiker geradezu. Damit hatte man offensichtlich im Rathaus nicht gerechnet. Jede Partei suchte nun ihre eigene Taktik, mit der Situation umzugehen - mit unterschiedlichem Erfolg.

Die Freien Wähler hatten sich schon im Verlauf der Beratungen gegen den Schlachthof positioniert und das Bürgerbegehren mit initiiert. Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) hob anfangs noch die Vorteile des Schlachthofs für die Gemeinde öffentlich hervor, unter anderem im Bayerischen Rundfunk, im Verlauf der hitzigen Debatte zog er sich mehr und mehr auf eine passive Haltung zurück.

Eine Schlacht, geprägt von Misstrauen

Die Entscheidung wolle er den Bürgern überlassen, betonte er. Für das Projekt werben müsse der Investor. Das tat dieser auch, allerdings mit mäßigem Geschick. Eine große Imageveranstaltung im September ließen die Schlachthofgegner, unterstützt von Tierschützern, trotz des Engagements einer professionellen Agentur in einem regelrechten PR-Desaster enden.

Die Unterstützer des Projekts im Gemeinderat, CSU und SPD, setzten auf das Bürger- noch ein Ratsbegehren - um zu bekräftigen, dass man die Bürger entscheiden lassen wolle, wie sie betonten. Diese empfanden den Schritt jedoch vielmehr als Provokation. So wurde der Bürgerentscheid Anfang Oktober nicht nur zur Schlachthoffrage, sondern zu einer regelrechten Schlacht, geprägt von Misstrauen und teils unerfreulich aufgeladenen Vorwürfen.

Zwischen Teilen der Bürgerschaft und dem Rathaus, aber auch zwischen den Fraktionen im Gemeinderat rissen Gräben auf, die sich auch nach der überdeutlichen Entscheidung - 87 Prozent der Aschheimer Abstimmenden sprachen sich am Ende gegen den Schlachthof aus - in gegenseitigen Vorwürfen äußerten.

Als Vorsatz für das neue Jahr böte es sich da an, dass alle Parteien ihre Versicherungen, das Thema zu begraben und wieder konstruktiv miteinander arbeiten zu wollen, nun auch endlich ernst nehmen.

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